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BFH - Entscheidung vom 17.04.2007

IX R 40/06

Normen:
EStG § 22 Nr. 2 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 § 22 Nr. 3
WpHG § 2

Fundstellen:
BB 2007, 1435
BB 2007, 1485
BFH/NV 2007, 1415
BFHE 217, 566
BStBl II 2007, 608
DB 2007, 1384
DStR 2007, 1075
NJW 2007, 3805
ZIP 2007, 1500

BFH, Urteil vom 17.04.2007 - Aktenzeichen IX R 40/06

DRsp Nr. 2007/10359

Optionseinräumung kein Termingeschäft

»Wer einem Anderen eine Option einräumt und dafür eine Prämie zur Entschädigung für die Bindung und die Risiken erhält, die er durch das Begeben des Optionsrechts eingeht, muss dieses Entgelt nach § 22 Nr. 3 EStG versteuern (Bestätigung des BFH-Urteils vom 29. Juni 2004 IX R 26/03, BFHE 206, 418 , BStBl II 2004, 995 , für die Rechtslage nach der Änderung des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I, S. 402).«

Normenkette:

EStG § 22 Nr. 2 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 § 22 Nr. 3 ; WpHG § 2 ;

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die steuerrechtliche Behandlung von Optionsgeschäften (Stillhaltergeschäfte) nach dem Einkommensteuergesetz i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I, S. 402 ( EStG ).

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die eine Industrieimmobilie vermietet und daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezieht.

Daneben unternahm sie im Streitjahr (1999) --neben weiteren, hier nicht problematischen-- folgende Optionsgeschäfte:

- Sie räumte der Kreissparkasse N eine Verkaufsoption auf japanische Yen (120 Mio. JPY) zu 875 912,41 EUR ein und erhielt hierfür als Stillhalterin eine Optionsprämie von 91 094,89 EUR (= 178 166,12 DM). Das Geschäft wurde glattgestellt. Im Gegengeschäft erwarb die Klägerin von N eine Verkaufsoption zu denselben Bedingungen wie aus dem Optionsgeschäft und zahlte dafür eine Optionsprämie von 85 839,42 EUR (= 167 887,31 DM). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfasste die erhaltenen Optionsprämien als Einnahmen und die im Gegengeschäft gezahlten Prämien als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG (Einkünfte in Höhe von 10 278,81 DM).

- Ein weiteres Optionsgeschäft auf den Yen zu den gleichen Konditionen, für das die Klägerin eine Prämie von 97 664,23 EUR (= 191 014,63 DM) kassierte, wurde nicht glattgestellt. Vielmehr übte N die Option aus und erwarb von der Klägerin die 120 Mio. JPY für 875 912,41 EUR. Vorab hatte die Klägerin 120 Mio. JPY für 991 162,14 EUR erworben. Das FA erfasste die erhaltene Optionsprämie als Einnahme bei den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG und den Verlust aus dem An- und Verkauf der japanischen Yen --Basisgeschäft-- in Höhe von 225 408,87 DM als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG .

Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin vergeblich geltend, dass die Optionsprämien nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zu versteuern seien, so dass nach entsprechender Verrechnung mit anderen --hier nicht streitigen Devisentermingeschäften-- ein Verlust in Höhe von 468 013,50 DM festzustellen sei.

Auch die Klage blieb erfolglos: Das Finanzgericht (FG) beurteilte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 126 , veröffentlichten Urteil die Optionsprämien als nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbare Leistung. Hieran habe sich durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nichts geändert. Diese Vorschrift umfasse nur den Erwerb einer Option und die anschließende Beendigung des Rechts durch Verfall, Ausübung oder Glattstellung, nicht jedoch --wie hier-- die Vereinnahmung einer Stillhalterprämie wegen der Einräumung der Option.

Hiergegen richtet sich die Revision. Die Prämien, um die es hier gehe, würden durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasst. Die Klägerin habe mit der Einräumung der Option in Gestalt der Prämie einen Vorteil erwirkt, der ein Recht darstelle. Sie habe überdies das Recht erworben, bei der Ausübung der Option durch den Optionsnehmer eine entsprechende Leistung erbringen zu dürfen. Ferner lasse sich erst dann, wenn die Frist zur Ausübung der Option unwiderruflich abgelaufen oder die Option sonst wie beendet worden sei, absehen, wie groß der Vorteil für den Optionsgeber sei. Deshalb dürfe die Optionsprämie nicht als selbständige Leistung losgelöst vom nachfolgenden Effektengeschäft bewertet werden.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage in vollem Umfang stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Mit zutreffenden Erwägungen hat das FG die Prämien, welche die Klägerin aus der Einräumung von Optionen als Stillhalterin vereinnahmte, als Einkünfte aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG erfasst.

1. Einkünfte aus Leistungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Entgelte, die der Stillhalter als Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch das Begeben des Optionsrechts eingeht, unabhängig vom Zustandekommen des Basisgeschäfts (hier das Währungsgeschäft auf den japanischen Yen) allein für das Stillhalten erhält (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX R 26/03, BFHE 206, 418 , BStBl II 2004, 995 , m.w.N.).

Der BFH trennt zwischen Eröffnungs-, Basis- und Gegengeschäft (so BFH-Urteile vom 24. Juni 2003 IX R 2/02, BFHE 202, 351 , BStBl II 2003, 752 , und vom 18. Dezember 2002 I R 17/02, BFHE 201, 234 , BStBl II 2004, 126 ). Deshalb bilden entgegen der Revision das die Prämie auslösende Begeben einer Option und das nachfolgende Geschäft (z.B. Glattstellung oder Basisgeschäft) kein einheitliches Termingeschäft. Der Optionsgeber erhält die Prämie als Gegenleistung für eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, nämlich für seine vertraglich eingegangene Bindung und das damit verbundene Risiko, in Anspruch genommen zu werden. Er behält sie auch dann, wenn er aus der Option nicht in Anspruch genommen wird und ein Basisgeschäft nicht durchführen muss (siehe auch BFH-Urteil vom 28. November 1990 X R 197/87, BFHE 163, 175 , BStBl II 1991, 300 ; zur Abgrenzung der im Stillhalten liegenden steuerbaren Leistung von Einkünften aus Kapitalvermögen sowie von Einkünften aus Gewerbebetrieb vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 7. September 2004 IX R 73/00, BFH/NV 2005, 51 ).

2. An dieser Auffassung hält der BFH auch für die Rechtslage nach Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG fest (so auch Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 27. November 2001, BStBl I 2001, 986 ff., Tz 24 und 27; überwiegende Meinung im Schrifttum, vgl. z.B. Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 23 EStG Rz 200 und 210 (Stichwort: Optionspreis); Schmidt/Weber-Grellet, EStG , 25. Aufl., § 23 Rz 29 und § 22 Rz 150 (Stillhalterpämie), m.w.N.; Dreyer/Broer, Recht der internationalen Wirtschaft --RIW-- 2002, 216, 219; a.A. z.B. Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 81, m.w.N.; S. Wagner, Deutsche Steuer-Zeitung 2006, 177, 185 f.): Die Stillhalterprämie ist nicht zusammen mit den anderen Devisengeschäften einheitlich § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zuzuordnen.

a) Zwar ist § 22 Nr. 3 EStG gegenüber § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG subsidiär; denn Einkünfte aus Leistungen sind nur dann nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar, wenn sie nicht zu den Einkünften i.S. von § 22 Nr. 2 EStG (und damit zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG ) gehören (vgl. dazu auch M. Wendt, Finanz-Rundschau 1999, 333, 352). Indes betrifft § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG lediglich Optionen, die der Berechtigte erwirbt, nicht aber solche, die er einräumt.

aa) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Denn mit dem Termingeschäft erfasst sie einen "Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil ..., sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt". Das Gesetz setzt damit den Erwerb (die Anschaffung) des dort umschriebenen Rechts voraus.

bb) Dem entspricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Der Gesetzgeber orientiert sich, indem er den Begriff des Differenzgeschäfts durch den Begriff des Termingeschäfts ersetzt (vgl. BTDrucks 14/443, S. 28 zu Nummer 31), an den Regelungen in § 2 des Wertpapierhandelsgesetzes ( WpHG ) vom 26. Juli 1994 (BGBl I, S. 1749; aktuell i.d.F. des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes vom 28. Oktober 2004, BGBl I, S. 2630). Zu den Termingeschäften in diesem Sinne zählt auch das Optionsgeschäft; nach § 2 Abs. 2a WpHG sind Finanztermingeschäfte Derivate i.S. des § 2 Abs. 2 WpHG und Optionsscheine. Als Derivate bestimmt das Gesetz auch als Optionsgeschäfte ausgestaltete Termingeschäfte, deren Preis --wie im Streitfall-- unmittelbar oder mittelbar von bestimmten Basiswerten abhängt (hier von der Währung Yen). Das WpHG unterscheidet Wertpapiere (z.B. verbriefte Rechte, Zertifikate, die Aktien ersetzen, Genussscheine und Optionsscheine, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG ) von Derivaten und behandelt in § 2 Abs. 2a WpHG alle Optionen (also Optionsgeschäfte als Derivate und Optionsscheine als Wertpapiere) als Finanztermingeschäfte und damit gleich. Diese Intention liegt auch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zugrunde: Optionen, die keine Wertpapiere sind, fallen unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG und solche, die als Optionsscheine Wertpapiere sind, unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG . Die darüber hinaus gehende Bedeutung der Vorschrift liegt im Verzicht auf die Tatbestandsmerkmale "Wirtschaftsgut" und "Veräußerung" (vgl. dazu HHR/Harenberg, § 23 EStG Rz 188; Dreyer/Broer, RIW 2002, 216, 220). Nach wie vor erforderlich ist jedoch der Erwerb des Rechts.

b) Wer einem Anderen eine Option einräumt, erwirbt kein Recht auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG . Zwar erhält er eine Optionsprämie. Dieses Entgelt ist aber kein "Geldbetrag" im Sinne der Vorschrift, weil es sich nicht durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmt (siehe dazu auch die Gesetzesbegründung in BTDrucks 14/443, S. 29). § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasst nur Vorteile, die auf dem Basisgeschäft beruhen (also hier z.B. der ausbedungene Yen-Betrag). Die Prämie ist demgegenüber Gegenleistung für das Stillhalten. Der Stillhalter erwirbt den Anspruch auf die Prämie schon mit dem Abschluss der Optionsvereinbarung. Die erlangte Prämie bleibt ihm erhalten. Sie wird unabhängig davon erzielt, ob es je zu einem Basisgeschäft kommt oder wie das Optionsgeschäft sonst beendet wird. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG betrifft lediglich den Optionsinhaber; nur dessen Recht auf Durchführung des Optionsgeschäfts wird mit dem Ablauf, der Ausübung oder Glattstellung beendet (vgl. auch Dreyer/Broer, RIW 2002, 216, 219).

3. Nach diesen Maßstäben hat die Vorinstanz die von der Klägerin vereinnahmten Optionsprämien als nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbare sonstige Leistungen zutreffend mit den im Gegengeschäft gezahlten Prämien (vgl. dazu das BFH-Urteil vom heutigen Tag in der Sache IX R 23/06, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt), nicht aber mit den nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG steuerbaren Verlusten aus den Optionsgeschäften verrechnet (§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG ). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hiergegen nicht (vgl. BFH-Urteil vom 18. Oktober 2006 IX R 28/05, BStBl II 2007, 259 ).

Vorinstanz: FG Niedersachsen, vom 08.08.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 13 K 463/02
Fundstellen
BB 2007, 1435
BB 2007, 1485
BFH/NV 2007, 1415
BFHE 217, 566
BStBl II 2007, 608
DB 2007, 1384
DStR 2007, 1075
NJW 2007, 3805
ZIP 2007, 1500