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BFH - Entscheidung vom 25.01.2007

VII B 118/06

Normen:
FGO § 115 Abs. 2 § 155
ZPO § 227 Abs. 1 S. 2

Fundstellen:
BFH/NV 2007, 1145

BFH, Beschluss vom 25.01.2007 - Aktenzeichen VII B 118/06

DRsp Nr. 2007/6776

NZB: Terminsverlegung, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die zu Art und Schwere der Erkrankung keine Angaben enthält, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil das FG aufgrund einer solchen Bescheinigung nicht selbst beurteilen kann, ob der Beteiligte reise- und verhandlungsfähig war.

Normenkette:

FGO § 115 Abs. 2 § 155 ; ZPO § 227 Abs. 1 S. 2 ;

Gründe:

I. Mit seiner Klage beim Finanzgericht (FG) wandte sich der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gegen seine Heranziehung als Geschäftsführer der GmbH zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wegen steuerlicher Rückstände der GmbH. Das FG lud den Kläger daraufhin zur mündlichen Verhandlung am 22. März 2006, 9.30 Uhr. Auf die Mitteilung des Klägers, dass diese Ladung bei der Post nicht auffindbar gewesen sei, wurde sie dem Kläger erneut zugestellt. Dem Antrag auf Terminsverlegung gab das FG nicht statt. Am 15. März 2006 übermittelte der Kläger per Fax eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des ihn behandelnden Facharztes für die Zeit vom 10. bis 30. März 2006 und erläuterte, wieder verstärkt an seiner psychischen Erkrankung zu leiden und zu mehr als der Abfassung dieses Schreibens mit Unterstützung aus der Familie nicht in der Lage zu sein. Mit Schreiben vom 17. März 2006 wies das FG darauf hin, dass eine Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung nur dann in Betracht komme, wenn ein substantiiertes ärztliches Attest vorgelegt werde, aus dem sich eine Verhandlungsunfähigkeit nachvollziehbar ergebe. Zur mündlichen Verhandlung am 22. März 2006 erschien der Kläger nicht. Das FG stellte in der Sitzungsniederschrift fest, dass ein ärztliches Attest nicht vorgelegt worden sei und verkündete sodann das Urteil, mit dem die Klage abgewiesen wurde. Um 10.52 Uhr ging beim FG per Fax eine ärztliche Bescheinigung ein, wonach der Kläger aus neurologisch-psychiatrischer Sicht derzeit nicht in der Lage sei, einer Gerichtsverhandlung beizuwohnen.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Sache und schwerwiegende Verfahrensfehler geltend.

II. Die Beschwerde ist --bei Zweifeln an der gebotenen Darlegung eines Zulassungsgrundes gemäß § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ( FGO )-- jedenfalls unbegründet.

1. Das FG hat das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) nicht dadurch verletzt, dass es den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht aufgehoben und trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin die Klage abgewiesen hat. Der Kläger hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gegenüber dem FG keine erheblichen, zur Terminsaufhebung zwingenden Gründe i.S. des § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung dargelegt und glaubhaft gemacht. Aufgrund der vorgelegten Arbeitunfähigkeitsbescheinigung, die keine Angaben zu Art und Schwere der Erkrankung enthielt, konnte das FG nicht selbst beurteilen, ob der Kläger reise- und verhandlungsunfähig war. Sie genügte daher nicht den gesetzlichen Anforderungen (Beschluss vom 5. Juli 2004 VII B 7/04, BFH/NV 2005, 64 , m.w.N.). Das deshalb vom FG zu Recht angeforderte Attest hat der Kläger nicht rechtzeitig vorgelegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dem Kläger die rechtzeitige Vorlage einer solchen Bescheinigung unmöglich war. Abgesehen davon, dass der Kläger nur behauptet hat, die Verfügung vom 17. März 2006 erst am Verhandlungstag erhalten zu haben, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass er das FG vor Beginn der mündlichen Verhandlung über diesen Umstand und seine Bemühungen, das ärztliche Attest umgehend beizubringen, informiert hat oder weshalb ihm auch diese Information des Gerichts nicht möglich gewesen sei. Der Zeitpunkt des Eingangs des ärztlichen Attestes per Fax (10.52 Uhr) deutet vielmehr darauf hin, dass dem Kläger die Notwendigkeit unverzüglichen Handelns klar und er dazu auch in der Lage war. Ob die nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangene Bescheinigung den Anforderungen genügt, kann nach alledem offenbleiben.

2. Mit seinem weiteren Beschwerdevorbringen wendet sich der Kläger dagegen, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) im Rahmen der Zwangsvollstreckung keine Prüfung der Buchhaltung und Bankbelege vorgenommen hat, die --wie er meint-- zur Änderung der vermeintlich unzutreffenden Schätzungsbescheide geführt haben würde, und gegen die "wirtschaftliche Hinrichtung" des Klägers durch die Kontenpfändung. Damit wird weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch ein Verfahrensfehler des FG, der nach § 115 Abs. 2 FGO die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, dargelegt.

Im Übrigen betrifft dieses Vorbringen nicht die im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Es ist auch in der Sache nicht berechtigt. Die Vollziehungsbeamten führen die Vollstreckung aufgrund eines vollstreckbaren Verwaltungsaktes --hier der Schätzungsbescheide-- durch (§ 251 der Abgabenordnung -- AO --). Es ist nicht ihre Aufgabe, im Rahmen ihrer Vollstreckungshandlungen Ermittlungen anzustellen, die die Rechtmäßigkeit dieser Bescheide betreffen. Korrekturen dieser Bescheide sind gemäß § 256 AO außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den dafür zugelassenen Rechtsmitteln zu verfolgen. Die wirtschaftlichen Folgen der berechtigten Vollstreckung, also auch der Kontenpfändung, muss der Vollstreckungsschuldner grundsätzlich hinnehmen. Im Falle einer drohenden Existenzvernichtung besteht allerdings die Möglichkeit, im Rechtsmittelverfahren gegen die Kontenpfändung --auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (hier: Aussetzung der Vollziehung)-- vorzugehen.

Vorinstanz: FG Münster - 7 K 4264/05 AO - 22.3.2006,
Fundstellen
BFH/NV 2007, 1145