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BFH - Entscheidung vom 27.03.2007

VII R 13/05

Normen:
ZK Art. 202 Art. 233 S. 1 lit. d
TabakStG § 21

Fundstellen:
BFH/NV 2007, 1383

BFH, Urteil vom 27.03.2007 - Aktenzeichen VII R 13/05

DRsp Nr. 2007/9220

Eingeschmuggelte Zigaretten; vorschriftswidriges Verbringen

Am vorschriftwidrigen Verbringen eingeschmuggelter Zigaretten ist beteiligt, wer sein Betriebsgelände für die Umladung der Zigaretten zur Verfügung stellt sowie Papiere für den Weitertransport beschafft. Die vor Einfuhr erteilte Zusage, den Transport in dieser Weise zu unterstützen, reicht aus.

Normenkette:

ZK Art. 202 Art. 233 S. 1 lit. d ; TabakStG § 21 ;

Gründe:

I. Der Kläger, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (Kläger) ist Inhaber eines Holz verarbeitenden Betriebs in Deutschland. Am 29. Oktober 2001 erhielt er einen Auftrag zur Lagerung, Verzollung und zum Weitertransport von Einwegpaletten aus Litauen, in denen eine größere Anzahl unverzollter und unversteuerter Zigaretten versteckt war. Am 30. Oktober 2001 wurden die Paletten mit einem litauischen LKW auf das Firmengelände des Klägers verbracht und dort auf einen deutschen LKW umgeladen, um anschließend nach Großbritannien weiterbefördert zu werden. Die Frachtbriefe leitete der Kläger zur Verzollung der Paletten an eine Spedition weiter. Für seine Tätigkeit erhielt der Kläger 1 000 DM. Nachdem der mit den Paletten beladene LKW das Betriebsgelände des Klägers wieder verlassen hatte, wurde er noch am gleichen Tag von Beamten einer Mobilen Kontrollgruppe des Zolls kontrolliert. Dabei wurden die Zigaretten auf der Ladefläche festgestellt, beschlagnahmt und später eingezogen.

Das seinerzeit zuständige Hauptzollamt, dessen Zuständigkeit zwischenzeitlich auf den Beklagten, Revisionsbeklagten und Anschlussrevisionskläger (Hauptzollamt --HZA--) übergegangen ist, setzte daraufhin die Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer, Einfuhrumsatzsteuer) gegen den Kläger und dessen Auftraggeber als Gesamtschuldner fest.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren hiergegen erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Einfuhrabgaben für die streitgegenständlichen Zigaretten entstanden seien, weil diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden seien. Der Kläger sei Abgabenschuldner geworden, weil er an dem Verbringen beteiligt gewesen sei, obwohl er vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er durch sein Verhalten den Transport unverzollter und unversteuerter Zigaretten unterstützte und damit vorschriftswidrig handelte. Bereits der ungewöhnlich hohe Betrag von 1 000 DM je Lieferung, den er für einen reinen Umladevorgang auf seinem Betriebsgelände und das Bereitstellen der Frachtpapiere erhalten habe, hätte ihn misstrauisch machen müssen. Außerdem habe er gegenüber Beamten des Zollfahndungsamtes (ZFA) am 31. Oktober 2001 ausgesagt, dass ihm die Sache schon von Beginn an klar gewesen sei, er "nicht doof" sei und auch aus der Zeitung wisse, dass unter Holz aus Litauen Zigaretten geschmuggelt würden. Seinen Einwand, er habe damit nur auf "abstraktes Zeitungswissen" hinweisen wollen und bei dem konkreten Vorkommnis einen solchen Verdacht gerade nicht gehabt, wies das FG als bloße Schutzbehauptung zurück. Das Gleiche gelte für seine weitere, erstmals im Klageverfahren aufgestellte Behauptung, auf ihn sei bei der Vernehmung durch die Beamten des ZFA unzulässiger Druck ausgeübt worden, denn dies könne nicht erklären, weshalb er sich auch in der mündlichen Verhandlung im Strafverfahren vor dem Amtsgericht (AG) geständig gezeigt habe. Allerdings sei die Klage hinsichtlich des festgesetzten Zolls und der Einfuhrumsatzsteuer begründet und der Steuerbescheid insoweit aufzuheben gewesen, weil diese Abgaben nach Art. 233 Buchst. d des Zollkodex (ZK) i.V.m. § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes ( UStG ) erloschen seien. Die Zigaretten seien nämlich noch bei dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und später eingezogen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des finanzgerichtlichen Urteils wird auf dessen Veröffentlichung in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (ZfZ) 2005, 421 Bezug genommen.

Mit seiner Revision wendet sich der Kläger gegen seine Inanspruchnahme als Abgabenschuldner. Er bringt im Wesentlichen vor, das FG habe verkannt, dass nicht er, der Kläger, sondern das HZA für die innere Tatsache der Kenntnis oder des Kennenmüssens beweispflichtig sei. Infolgedessen sei es zu Unrecht davon ausgegangen, dass er vernünftigerweise habe wissen müssen, dass er mit seinem Verhalten das vorschriftswidrige Verbringen der Zigaretten unterstützt habe. Der bloße Indizienbeweis, den das FG aufgrund seiner Aussagen vor der Polizei bzw. dem AG geführt habe, reiche zum Beweis einer inneren Tatsache nicht aus, da er substantiiert vorgetragen habe, weshalb es zu diesen Aussagen gekommen sei.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil sowie die zugrunde liegenden Verwaltungsentscheidungen aufzuheben.

Das HZA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Es bringt vor, das FG habe die Aussagen des Klägers ausführlich und zutreffend gewürdigt. Ein substantiiertes Bestreiten sei nicht erkennbar. Entgegen dem Urteil des FG seien der Zoll und die Einfuhrumsatzsteuer nicht erloschen, da das vorschriftswidrige Verbringen der Zigaretten im Zeitpunkt ihrer Beschlagnahme durch die Mobile Kontrollgruppe bereits beendet gewesen sei.

Mit Beschluss vom 15. September 2006 VII S 16/05 (PKH) --BFH/NV 2007, 455 -- hat der Senat den Antrag des Klägers, ihm für die Durchführung des Revisionsverfahrens Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren, mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt. In diesem Beschluss hat der Senat den Kläger auch ausdrücklich auf die Gefahr der Verböserung bei einem Erfolg der Anschlussrevision des HZA hingewiesen; der Kläger hat sich hierauf jedoch nicht mehr geäußert.

II. A. Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zutreffend geurteilt, dass der Kläger Abgabenschuldner hinsichtlich der Tabaksteuer geworden ist.

1. Das FG hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass für die vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Zigaretten die Tabaksteuerschuld gemäß § 21 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes ( TabStG ) i.V.m. Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK entstanden ist. Der Kläger ist gemäß § 21 Satz 1 TabStG i.V.m. Art. 202 Abs. 3 2. Anstrich ZK Schuldner dieser Tabaksteuerschuld, weil er an diesem Verbringen beteiligt war und vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er damit vorschriftswidrig handelte. Unstreitig ist, dass der Kläger durch das Zurverfügungstellen seines Betriebsgeländes sowie die Beschaffung von Papieren für den Weitertransport objektiv an dem vorschriftswidrigen Verbringen beteiligt war. Maßgeblich für die Beteiligung ist dabei, wie der Senat in seinem Urteil vom 7. März 2006 VII R 24/04 (BFHE 213, 473 ) in einem vergleichbaren Fall entschieden hat, im Grunde bereits die im Vorfeld erteilte Zusage des Klägers, den vorgesehenen Transport der Zigaretten logistisch durch diese Tatbeiträge zu unterstützen.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das FG auch die subjektiven Voraussetzungen des Art. 202 Abs. 3 2. Anstrich ZK in der Person des Klägers als erfüllt angesehen hat, also davon ausgegangen ist, dass der Kläger zumindest vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er mit seinem Verhalten das vorschriftswidrige Verbringen der Zigaretten unterstützte. Der Senat verweist hierzu vollinhaltlich auf seine ausführliche Auseinandersetzung mit den Einwendungen des Klägers (unter 2.) in seinem die Bewilligung von PKH ablehnenden Beschluss in BFH/NV 2007, 455 . Da sich der Kläger hierzu nicht mehr geäußert hat, sieht der Senat keine Veranlassung, diese Ausführungen zu wiederholen bzw. zu ergänzen.

3. Die Tabaksteuerschuld in der Person des Klägers ist durch die nachfolgende Einziehung der Zigaretten auch nicht erloschen, da § 21 Satz 2 TabStG eine sinngemäße Anwendung der für den Zoll geltenden Erlöschensvorschrift des Art. 233 Satz 1 Buchst. d ZK auf die Tabaksteuer für den Fall der Einziehung gerade ausschließt (vgl. dazu das Senatsurteil vom 20. Juli 2004 VII R 38/01, BFHE 207, 81).

B. Die Anschlussrevision des HZA führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage insgesamt.

1. Die Anschlussrevision des HZA ist zulässig.

Die FGO sieht eine Anschlussrevision zwar nicht ausdrücklich vor; gleichwohl ist sie auch im finanzgerichtlichen Verfahren statthaft (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Februar 1990 III R 173/86, BFHE 159, 505 , BStBl II 1990, 497 ; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung , 6. Aufl., § 120 Rz 80). Der Revisionsbeklagte, der keine selbständige Revision eingelegt hat, kann innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung Anschlussrevision einlegen; innerhalb dieser Frist hat er sie auch zu begründen (§ 155 FGO i.V.m. § 554 der Zivilprozessordnung ).

Die zeitlichen Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Revisionsbegründung des Klägers vom 7. April 2005 ist dem HZA am 18. April 2005 zugestellt worden; das HZA hat mit Schriftsatz vom 9. Mai 2005, der beim BFH am 10. Mai 2005 eingegangen ist, die Revision des Klägers erwidert und zugleich die Anschlussrevision eingelegt und begründet. Dabei ist unschädlich, dass das HZA seine Anschlussrevision nicht ausdrücklich als solche bezeichnet hat. Denn es hat mit seinem Antrag, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen, mehr als die Zurückweisung der Revision des Klägers als unbegründet beantragt und damit mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass es eine weitergehende Abänderung des Urteils als der Kläger erreichen will (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 2005 VIII R 37/03, BFH/NV 2005, 2161 , und BFH-Beschluss vom 15. März 1994 IX R 6/91, BFHE 174, 4, BStBl II 1994, 599 ).

Auch inhaltlich genügt die Anschlussrevisionsbegründung des HZA den Mindestanforderungen, die an die Begründung einer Revision zu stellen sind (§ 120 Abs. 3 FGO ). Das HZA hat dezidiert vorgetragen, dass Zoll und Einfuhrumsatzsteuer entgegen der Auffassung des FG nicht erloschen seien, weil das vorschriftswidrige Verbringen im Zeitpunkt der Beschlagnahme der Zigaretten durch die Mobile Kontrollgruppe des Zolls bereits beendet gewesen sei, mithin kein Fall des Art. 233 Satz 1 Buchst. d ZK vorliege.

2. Die Anschlussrevision ist auch begründet. Das FG hat zu Unrecht ein Erlöschen der in der Person des Klägers zusammen mit der Tabaksteuerschuld entstandenen Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuld (Art. 202 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 2. Anstrich ZK bzw. § 21 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 UStG i.V.m. diesen Vorschriften) angenommen.

a) Nach Art. 233 Satz 1 Buchst. d ZK erlischt eine Zollschuld, wenn Waren, für die eine Zollschuld gemäß Art. 202 ZK entstanden ist, bei dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und daraufhin eingezogen werden. Die Beschlagnahme erfolgt mithin nur dann "bei" dem vorschriftswidrigen Verbringen, wenn das Verbringen im Zeitpunkt der Beschlagnahme noch angedauert hat. Ist das Verbringen zu diesem Zeitpunkt bereits beendet, kann die Zollschuld wegen der Beschlagnahme und Einziehung der vorschriftswidrig verbrachten Waren nicht mehr erlöschen.

Der Senat hat bereits unter ausführlicher Auseinandersetzung mit den verschiedenen hierzu in der Rechtsprechung und im Schrifttum vertretenen Meinungen entschieden, dass das vorschriftswidrige Verbringen grundsätzlich bereits zu dem Zeitpunkt beendet ist, zu dem Waren den Ort, an dem sie hätten ordnungsgemäß gestellt werden müssen, wieder verlassen haben, spätestens aber zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihren (ersten) Bestimmungsort im Zollgebiet erreicht haben (Senatsurteil vom 7. März 2006 VII R 23/04, BFHE 212, 321 ).

b) Auch im Streitfall kommt es nicht darauf an, wann das vorschriftswidrige Verbringen beendet ist. Denn selbst wenn man entgegen der Auffassung des Senats von dem für den Kläger günstigeren Zeitpunkt ausginge und das Verbringen erst zu dem Zeitpunkt als beendet ansähe, zu dem der Transport mit der Ware an seinem ersten Bestimmungsort eingetroffen ist, wäre das Verbringen im Streitfall spätestens mit dem Beginn der Umladung der Zigaretten auf dem Firmengelände des Klägers von dem litauischen in den deutschen LKW beendet. Da die Beschlagnahme aber erst nach dem Verlassen des Firmengeländes des Klägers auf der Autobahn erfolgt ist, wäre auch nach dieser weitergehenden Auffassung das Verbringen bereits beendet gewesen, als die Beschlagnahme erfolgte. Folglich konnte durch die Beschlagnahme die Zollschuld nicht mehr erlöschen. Entsprechendes gilt gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz UStG i.V.m. Art. 233 Satz 1 Buchst. d ZK auch für die Einfuhrumsatzsteuerschuld. Da der Kläger gegen die Höhe der festgesetzten Einfuhrabgaben keine Einwände erhoben hat, erweist sich somit der angefochtene Steuerbescheid des HZA in vollem Umfang als rechtmäßig.

Vorinstanz: FG Düsseldorf, vom 09.02.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 4 K 5532/03
Fundstellen
BFH/NV 2007, 1383