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BFH - Entscheidung vom 27.02.2007

VII B 83/06

Normen:
EGV 800/1999 Art. 16 Art. 49 Abs. 2 Art. 50 Abs. 2

Fundstellen:
BFH/NV 2007, 1376

BFH, Beschluss vom 27.02.2007 - Aktenzeichen VII B 83/06

DRsp Nr. 2007/8867

Einfuhrnachweis

Wird innerhalb der für die Vorlage des Einfuhrnachweises vorgesehenen Fristen ein sog. Primärnachweis eingereicht, der nicht anerkannt werden kann, so entsteht kein Erstattungsanspruch. Das gilt auch, wenn nach Ablauf der Vorlagefristen die fehlenden Angaben ergänzt oder ordnungsgemäße Nachweise vorgelegt werden.

Normenkette:

EGV 800/1999 Art. 16 Art. 49 Abs. 2 Art. 50 Abs. 2 ;

Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) meldete im September 2000 zwei Warensendungen Käse zur Ausfuhr nach Russland an und beantragte beim Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) für die eine der Warensendungen die endgültige Gewährung von Ausfuhrerstattung, für die andere die Gewährung von Ausfuhrerstattung als Vorschuss, der antragsgemäß gezahlt wurde. Zum Nachweis der Einfuhr im Drittland reichte die Klägerin zunächst von einer internationalen Kontroll- und Überwachungsgesellschaft (KÜG) ausgestellte Bescheinigungen über die Entladung und Einfuhr gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 --VO Nr. 800/1999-- (sog. Primärnachweis) beim HZA ein, das diese Primärnachweise jedoch nicht anerkennen wollte und die Vorlage der russischen Verzollungsbescheinigungen forderte. Nachdem die Klägerin dem nachgekommen war, wurde sie im April 2001 vom HZA unterrichtet, dass aufgrund von Ermittlungen der Kommission unter Einschaltung russischer Zollbehörden Zweifel an der Echtheit der eingereichten Primärnachweise bestünden. Die Klägerin reichte daraufhin im März 2002 zwei von einer KÜG ausgestellte Entladungsbescheinigungen gemäß Art. 16 Abs. 2 Buchst. c VO Nr. 800/1999 (sog. Sekundärnachweis) ein.

Das HZA lehnte im August 2002 den Antrag auf endgültige Gewährung der Ausfuhrerstattung ab und forderte die vorschussweise gewährte Ausfuhrerstattung mit einem Zuschlag von 10 % zurück. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Klägerin mit den innerhalb der vorgeschriebenen Vorlagefristen eingereichten Primärnachweisen den Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten für die Einfuhr im Drittland nicht erbracht habe, da nach dem Ergebnis der Ermittlungen davon auszugehen sei, dass diese Primärnachweise in ihrem Feld 11 auf ein russisches Einfuhrzolldokument Bezug nähmen, das nicht die von der Klägerin eingeführten Erzeugnisse zum Gegenstand habe. Die Klägerin sei deshalb zwar gemäß Art. 16 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 berechtigt gewesen, den Einfuhrnachweis durch Vorlage von Sekundärnachweisen zu erbringen, sie habe allerdings Sekundärnachweise erst nach Ablauf der vorgeschriebenen Vorlagefristen beim HZA eingereicht.

Die innerhalb der Vorlagefristen eingereichten Primärnachweise erfüllten nicht zugleich die Voraussetzungen für Sekundärnachweise i.S. des Art. 16 Abs. 2 Buchst. c VO Nr. 800/1999, denn Primär- und Sekundärnachweis stünden nicht in einem Über-/Unterordnungsverhältnis, sondern als aliud selbständig nebeneinander. Jedenfalls hätten die von der Klägerin vorgelegten Primärnachweise nicht den für den Sekundärnachweis gemäß Art. 16 Abs. 2 Buchst. c VO Nr. 800/1999 geforderten Erklärungsinhalt gehabt. Nach Ablauf der Vorlagefristen hätten die Primärnachweise nicht mehr um diesen fehlenden Erklärungsinhalt wirksam ergänzt werden können.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die bezeichneten Rechtsfragen zum Teil nicht klärungsfähig und im Übrigen nicht grundsätzlich klärungsbedürftig sind.

Die von der Beschwerde formulierte Frage, ob der von einer KÜG ausgestellte Primärnachweis zugleich als eine unvollständige Entladungsbescheinigung gemäß Art. 16 Abs. 2 Buchst. c VO Nr. 800/1999 angesehen werden kann, ist nicht klärungsfähig, da es auf die Beantwortung dieser Frage im Streitfall nicht ankommt, denn eine unvollständige Entladungsbescheinigung, die also den nach Art. 16 Abs. 2 Buchst. c i.V.m. Anhang IX VO Nr. 800/1999 erforderlichen Erklärungsinhalt nicht vollständig aufweist, ist --was keiner weiteren Erörterung bedarf-- nicht geeignet, den nach Art. 16 VO Nr. 800/1999 vorgeschriebenen Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten zu erbringen. Der Streitfall wäre somit nicht anders zu entscheiden, wenn die vorstehend genannte Frage zu bejahen wäre. Das FG hat diese Frage auch nicht etwa verneint, sondern hat es vielmehr als möglich angesehen, dass ein Primärnachweis auch die für einen Sekundärnachweis erforderlichen Angaben enthalten kann bzw. dass er --falls solche Angaben fehlen-- um die fehlenden Sekundärnachweis-Angaben ergänzt werden kann; es hat allerdings eine solche Ergänzung nach Ablauf der Vorlagefristen für unzulässig erachtet.

Für den Streitfall von Bedeutung ist mithin nur die zweite von der Beschwerde formulierte Frage, ob ein innerhalb der Vorlagefristen eingereichter, jedoch nicht anerkannter Primärnachweis, der nicht zugleich alle für einen Sekundärnachweis i.S. des Art. 16 Abs. 2 Buchst. c VO Nr. 800/1999 erforderlichen Angaben enthält, um diese fehlenden Angaben ergänzt werden kann, wenn die Vorlagefristen bereits verstrichen sind. Diese Frage ist indes nicht klärungsbedürftig, weil sie sich nur so beantworten lässt, wie es das FG getan hat.

Nach den Feststellungen des FG fehlte in den von der Klägerin fristgerecht vorgelegten Primärnachweisen jeweils die für einen Sekundärnachweis i.S. des Art. 16 Abs. 2 Buchst. c VO Nr. 800/1999 erforderliche Angabe, dass das Erzeugnis den Entladeort verlassen hat oder nach Wissen der KÜG zumindest nicht Gegenstand einer späteren Verladung im Hinblick auf eine Wiederausfuhr war. Dieser Mangel konnte nicht --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- durch die nach Ablauf der Vorlagefristen von der Klägerin eingereichten Sekundärnachweise geheilt werden.

Ist innerhalb der vorgeschriebenen Vorlagefrist ein Primärnachweis eingereicht worden, der --aus welchen Gründen auch immer-- nicht als Einfuhrnachweis anerkannt werden kann, und weist er auch nicht die erforderlichen Angaben auf, um ihn als einen Sekundärnachweis i.S. des Art. 16 Abs. 2 Buchst. c VO Nr. 800/1999 ansehen zu können, so ist der Fall nicht anders zu beurteilen, als wenn innerhalb der Vorlagefrist überhaupt kein Einfuhrnachweis eingereicht wurde. Dass in einem solchen Fall der Erstattungsanspruch gleichwohl erhalten bleiben kann, wenn nach Ablauf der Vorlagefrist ein vollständiger Sekundärnachweis eingereicht wird, ergibt sich aus den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen nicht. Vielmehr machen die Vorschriften der Art. 49 Abs. 2 und Art. 50 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 über die zwölfmonatige Frist für die Einreichung der Erstattungsunterlagen und die nach Ablauf dieser Frist laufende sechsmonatige Nachfrist, bei deren Wahrung der Erstattungsanspruch jedenfalls noch zu 85 % erhalten bleibt, deutlich, dass nach dem Verstreichen dieser Fristen der Erstattungsanspruch nicht mehr besteht.

Den genannten Vorschriften lässt sich auch nicht --wie offenbar die Beschwerde meint-- entnehmen, dass solche Fälle anders zu beurteilen sind, in denen innerhalb der Vorlagefrist eine erforderliche Erstattungsunterlage eingereicht worden ist, die sich aber in bestimmten Punkten als unvollständig erweist und deshalb ergänzungsbedürftig ist. Art. 49 Abs. 2 und Art. 50 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 verlangen den fristgerechten vollständigen Nachweis durch Vorlage der vorgeschriebenen Unterlagen, dass alle gemeinschaftsrechtlich geregelten Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch erfüllt sind. Differenzierungen danach, ob ein bestimmtes vorgeschriebenes Dokument gänzlich fehlt oder ob es zwar vorhanden, jedoch unvollständig ist, erlauben die genannten Vorschriften nicht. Nach Fristablauf kommt daher auch eine Nachbesserung vorgelegter, jedoch mangelhafter Unterlagen nicht in Betracht. Zu Recht hat das FG darauf hingewiesen, dass sich ansonsten durch Einreichung unvollständig ausgefüllter Erstattungsunterlagen die Vorlagefrist beliebig hinausschieben ließe.

Anders als die Beschwerde meint, lassen sich die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auch nicht dahin verstehen, dass der Erstattungsanspruch erhalten bleibt, wenn die Vorlagefristen nur geringfügig überschritten wurden oder wenn die nicht fristgerechte Vorlage der Unterlagen nicht zu einer Verzögerung des Erstattungsverfahrens geführt hat. Die Erwägungen in dem Senatsbeschluss vom 23. August 2000 VII B 145, 146/00 (BFH/NV 2001, 75 , Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2001, 19), auf die die Beschwerde sich stützt, betrafen einen Fall der Rückforderung bereits endgültig gewährter Ausfuhrerstattung, mithin die Frage, ob die Vorlagefristen auch im Rückforderungsverfahren zu beachten sind (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 14. Juni 2006 VII B 317/05, BFH/NV 2006, 1894 , ZfZ 2006, 375). Darum geht es im Streitfall jedoch nicht.

Die Frage, wie der von der Beschwerde angesprochene Fall zu beurteilen ist, in dem Zweifel an der Echtheit der eingereichten Einfuhrnachweise erst nach Ablauf der Vorlagefristen aufkommen, ist nicht klärungsfähig, da nach den Feststellungen des FG von solchen Voraussetzungen im Streitfall nicht auszugehen ist.

Vorinstanz: FG Hamburg, vom 24.02.2006 - Vorinstanzaktenzeichen IV 219/03
Fundstellen
BFH/NV 2007, 1376