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BFH - Entscheidung vom 06.03.2007

III B 64/05

BFH, Beschluss vom 06.03.2007 - Aktenzeichen III B 64/05

DRsp Nr. 2007/7657

Gründe:

I. Streitig ist, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zu Recht durch Haftungsbescheid für die Rückforderung von Investitionszulagen in Anspruch genommen hat. Der Kläger war Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Firma X-GmbH & Co. KG. In dieser Eigenschaft stellte er beim FA Anträge auf Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz ( InvZulG ) 1991 für die Jahre 1991 und 1993.

Das FA bewilligte zunächst Investitionszulagen in Höhe von 165 248 DM und 28 259 DM. Aufgrund einer im Jahr 1997 durchgeführten Steuerfahndungsprüfung gelangte das FA zu der Erkenntnis, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage nicht vorlagen. Mit Änderungsbescheiden vom 16. Januar 1998 setzte es die Investitionszulagen auf 0 DM fest und forderte die ausgezahlten Zulagen zuzüglich Zinsen zurück.

Die Änderungsbescheide waren Gegenstand des finanzgerichtlichen Klageverfahrens .../99 I. In dem --inzwischen rechtskräftigen-- Urteil vom ... 2001 kam das Finanzgericht (FG) zu dem Ergebnis, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig waren, weil die Voraussetzungen des § 2 InvZulG 1991 nicht vorgelegen hätten.

Wegen der zu Unrecht gestellten Anträge auf Bewilligung der Investitionszulage wurde gegen den Kläger ein strafrechtliches Verfahren wegen Subventionsbetrug durchgeführt, welches gemäß § 153a der Strafprozessordnung ( StPO ) gegen Zahlung einer Geldbuße von 20 000 DM eingestellt wurde.

Das FA versuchte vergeblich, die gewährten Investitionszulagen von der KG zurückzuerlangen; am 13. Juni 2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet. Anschließend betrieb das FA ein Haftungsverfahren gegen den Kläger. Mit Haftungsbescheid vom 20. März 2002 wurde der Kläger für die Steuerschulden der KG wegen zu Unrecht gewährter Investitionszulage nebst Nebenleistungen zunächst in Höhe von insgesamt 103 075,76 EUR in Anspruch genommen. Der Einspruch blieb im Wesentlichen ohne Erfolg. Zusätzlich zur bis dahin angegebenen Begründung führte das FA aus, dass die Haftung nach § 71 der Abgabenordnung ( AO ) Schadensersatzcharakter habe, so dass darauf abzustellen sei, welcher Steuerschaden bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Die Haftungssumme wurde auf den Betrag von 81 621,29 EUR reduziert, weil eine Haftung für rückständige Zinsen der KG wegen Aussetzung der Vollziehung sowie für Säumniszuschläge nicht in Betracht kam.

Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begehe oder an einer solchen Tat teilnehme, hafte für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach §§ 235 , 71 AO . Da gemäß § 7 Abs. 1 InvZulG 1991 die für die Steuervergütung geltenden Vorschriften der AO auf die Investitionszulage entsprechend anwendbar seien, sei auch die Haftungsnorm des § 71 AO im Fall der deliktisch erlangten Investitionszulage, welche strafrechtlich nicht als Steuerhinterziehung, sondern als Subventionsbetrug (§ 264 des Strafgesetzbuches -- StGB --) zu bewerten sei, anwendbar. Der Fall des Subventionsbetruges sei im Rahmen der Haftung nach § 71 AO daher abgabenrechtlich wie ein Fall der Steuerhinterziehung zu behandeln.

Der Kläger habe in den Anträgen auf Investitionszulage erklärt, dass die angeschafften Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen eines Betriebes oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören und mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben würden. Diese Erklärungen seien objektiv insoweit falsch, als die Wirtschaftsgüter nicht zum Anlagevermögen eines Betriebes oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet zählten. Wie sich aus den Entscheidungsgründen des finanzgerichtlichen Urteils .../99 I ergebe, denen sich der erkennende Senat voll anschließe, hätten im Fördergebiet im Jahr 1991 weder ein Betrieb noch eine Betriebsstätte bestanden. Auch im Jahr 1993 habe keine betriebliche Nutzung stattgefunden. Im Unterschied zu 1991 hätten inzwischen aber Bauausführungen in A und B bestanden, welche die Anforderungen an eine Betriebsstätte i.S. des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO erfüllten. Jedoch hätten die Wirtschaftsgüter nicht zum Anlagevermögen dieser Bauausführungen gehört. Die gegenüber dem FA gemachten unrichtigen Angaben seien auch für die vom Kläger vertretene KG vorteilhaft. Ohne die falschen Tatsachen wäre es nicht zur Auszahlung der Investitionszulagen gekommen.

Der Kläger habe auch vorsätzlich gehandelt. Er habe bewusst unrichtige Angaben über die Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen eines Betriebes bzw. einer Betriebsstätte im Fördergebiet gemacht. Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes sei es entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass der Täter die genauen rechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines bestimmten rechtlichen Tatbestandsmerkmals (hier Betrieb, Betriebsstätte oder Anlagevermögen im Sinne der AO ) kenne. Ausreichend sei vielmehr, dass dem Täter nach der sog. "Parallelwertung in der Laiensphäre" die Tatumstände und deren Bedeutung bekannt seien. Das FA habe den Kläger auch ohne Ermessensfehler als Haftenden herangezogen; das gelte für die Haftung dem Grunde, der Höhe und der Auswahl nach. Der Kläger sei auch zu Recht für die Hinterziehungszinsen in Anspruch genommen worden. Gemäß § 71 AO beziehe sich die Haftung im Fall der Steuerhinterziehung ausdrücklich auch auf die Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO . Bezüglich des Auswahlermessens habe das FA zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger die einzige Person sei, die für eine Haftung in Frage komme.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit der er die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und wegen des Verfahrensmangels der unzureichenden Sachaufklärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 FGO ) begehrt. Er lässt durch seinen Prozessbevollmächtigten vortragen:

Das Urteil gehe von der rechtlichen Annahme aus, dass in der Erklärung des Klägers eine Täuschung über subventionserhebliche Tatsachen i.S. des § 264 StGB liege. Der Kläger habe sich im Rahmen der Beantragung aber nur über das Vorliegen des abstrakten Rechtsbegriffs der "Betriebsstätte", nicht aber über das Vorliegen der diesen Begriff ausfüllenden Tatsachen erklärt. Ob der Hinweis des FG auf einer "Parallelwertung in der Laiensphäre" in diesem Zusammenhang angesichts der Komplexität des Betriebsstättenbegriffs des § 12 AO ausreiche, um den objektiven Tatbestand des Subventionsbetruges auszufüllen, sei eine Rechtsfrage, die in einer Vielzahl von ähnlichen Fallgestaltungen Bedeutung erlangen könne und höchstrichterlicher Klärung bedürfe. Es stelle sich weiterhin die Frage, ob der sachkundige Rat eines Wirtschaftsprüfers den Vorsatz des Täters als steuerlichen Laien entfallen lassen könne. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung setze die Feststellung bedingten Vorsatzes voraus, dass der Steuerpflichtige "Zweifel" an der Richtigkeit der von ihm abgegebenen Erklärung gehabt habe. Sachkundiger Rat könne diese Zweifel und damit den Vorsatz entfallen lassen. Im vorliegenden Fall sei nach Auffassung des Klägers insbesondere im Hinblick auf die rechtliche Komplexität des Betriebsstättenbegriffs davon auszugehen, dass der Kläger dem fachkundigen Rat des von ihm beauftragten Wirtschaftsprüfers vorbehaltlos vertraut habe. Das Urteil gebe damit Anlass zur Klärung der Rechtsfrage, ob die Einholung fachkundigen Rates im Zusammenhang mit der Beurteilung komplexer steuerlicher Rechtsfragen und Tatsachenwürdigungen die strafrechtliche Verantwortlichkeit entfallen lassen könne.

Als Verfahrensfehler, auf dem das Urteil i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beruhen könne, werde die unzureichende Sachverhaltsaufklärung zum Vorliegen einer Betriebsstätte i.S. des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO (Bauausführungen) und im Hinblick auf die Umstände der Beratung durch den Wirtschaftsprüfer C im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Anträge auf Bewilligung der Investitionszulage gerügt. Nach der vorliegenden Begutachtung des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters D habe aufgrund der dargestellten Einsätze der geförderten Maschine in jedem Jahr des relevanten Dreijahreszeitraums eine Betriebsstätte der X-GmbH & Co. KG im Fördergebiet bestanden. Hätte das FG hier entsprechend dem schriftsätzlichen Vortrag des Klägers aufgeklärt, wäre es im Hinblick auf das Vorliegen einer Betriebsstätte i.S. des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gekommen.

Weiterhin hätte das FG zur Feststellung des Vorsatzes und der Schuld des Klägers weitere Sachaufklärungen im Hinblick auf die Umstände der Antragstellung vornehmen müssen, ggf. den Wirtschaftsprüfer C wie vom Kläger schriftsätzlich angeboten, als Zeugen hören müssen. Es hätte den Zeugen insbesondere zu den zwischen ihm und dem Kläger im Vorfeld der Beantragung geführten Gesprächen und ausgetauschten Informationen befragen müssen. Das Gericht hätte auf diesem Weg feststellen können, dass dem Wirtschaftsprüfer C alle relevanten Tatsachen bekannt gewesen seien und die rechtliche Beurteilung, ob eine Betriebsstätte vorgelegen habe, nicht vom Kläger vorgenommen worden sei, sondern dieser sich auf die Beurteilung des Wirtschaftsprüfers verlassen habe.

II. Die Beschwerde ist unzulässig; sie genügt nicht den Anforderungen an die Begründung eines Zulassungsgrundes. Weder die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch der behauptete Verfahrensfehler der unzureichenden Sachaufklärung durch das Gericht sind in einer für die Zulassung ausreichenden Weise dargelegt worden (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ).

1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein. Diese Voraussetzungen sind in der Beschwerdeschrift darzulegen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ). Erforderlich sind u.a. Ausführungen darüber, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. September 2006 I B 11/06, BFH/NV 2007, 248 ).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Schon die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen, ob eine "Parallelwertung in der Laiensphäre" angesichts der Komplexität des Betriebsstättenbegriffs des § 12 AO ausreiche, um den objektiven Tatbestand des Subventionsbetruges auszufüllen sowie die weitere angesprochene Rechtsfrage, ob die Einholung fachkundigen Rates im Zusammenhang mit der Beurteilung komplexer steuerlicher Rechtsfragen und Tatsachenwürdigung die strafrechtliche Verantwortlichkeit entfallen lassen könne, lassen nicht erkennen, inwieweit ihre Beantwortung über die im Einzelfall hinausgehende Rechtsanwendung das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Im Kern wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde gegen die inhaltliche Richtigkeit des Urteils. Mit den in der Darstellung der eigenen Wertung und Rechtsansicht liegenden Einwendungen gegen die sachliche Richtigkeit des FG-Urteils und damit der Rüge der fehlerhaften Tatsachenwürdigung und unzutreffenden Rechtsanwendung durch das FG kann die Zulassung der Revision aber nicht erreicht werden (BFH-Beschluss vom 28. August 2006 IX B 184/05, BFH/NV 2007, 70 ).

2. Auch die Rüge der unterlassenen Sachverhaltsaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO ) genügt nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO .

Mit der Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht durch das Übergehen von Beweisanträgen verletzt, kann der vor dem FG rechtskundig vertretene Kläger nicht (mehr) gehört werden. Da es sich um einen verzichtbaren Verfahrensmangel handelt, hat er das Rügerecht durch das --aus der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung ersichtliche-- rügelose Verhandeln zur Sache und damit durch bloßes Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung -- ZPO --; z.B. BFH-Beschluss vom 11. Oktober 2006 IX B 68/06, BFH/NV 2007, 91 ).

Soweit der Kläger mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend macht, das FG habe auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so sind nach ständiger Rechtsprechung Ausführungen dazu erforderlich, welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären oder welche Beweise zu welchen Beweisthemen es von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit der weiteren Aufklärung hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwieweit die weitere Aufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen müssen (BFH-Beschluss vom 6. September 2006 VIII B 187/05, BFH/NV 2007, 74 ). Diesen Anforderungen genügt das pauschale Klägervorbringen, nach der Begutachtung des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters D habe aufgrund der dargestellten Einsätze der geförderten Maschine in jedem Jahr des relevanten Dreijahreszeitraums eine Betriebsstätte der X-GmbH & Co. KG im Fördergebiet bestanden, nicht.

Vorinstanz: FG Münster, vom 23.02.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 7 K 3557/03