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BAG - Entscheidung vom 24.01.2007

4 AZR 19/06

Normen:
Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV Bau 2002 vom 4. Juli 2002) § 7 Nr. 4

Fundstellen:
AP Nr. 295 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau
ArbRB 2007, 266
BAGE 121, 80

BAG, Urteil vom 24.01.2007 - Aktenzeichen 4 AZR 19/06

DRsp Nr. 2007/2546

Tarifauslegung - Tarifauslegung BRTV Bau 2002; Arbeitsstelle ohne tägliche Heimfahrt; Auslösung und Fahrtkostenabgeltung für Wochenendheimfahrten; Zeitaufwand für Weg von Wohnung zur Arbeitsstelle; Wohnwagen als Wohnung im tariflichen Sinne?

»"Wohnung" iSv. § 7 Nr. 4 Abs. 1 BRTV Bau 2002 ist auch eine Zweitunterkunft, die sich der Arbeitnehmer neben seinem Hauptwohnsitz in der Nähe des Betriebs seines Arbeitgebers hält.«

Orientierungssätze: 1. "Wohnung" iSv. § 7 Nr. 4 Abs. 1 BRTV Bau 2002 ist nicht notwendig der Hauptwohnsitz. 2. Es kann auch eine Zweitunterkunft sein, die der Arbeitnehmer wegen der weiten Entfernung zwischen dem Betrieb seines Arbeitgebers und seinem Hauptwohnsitz regelmäßig für die Unterkunft und Verpflegung während der Arbeitstage unterhält.

Normenkette:

Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV Bau 2002 vom 4. Juli 2002) § 7 Nr. 4 ;

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger Auslösung und Fahrtkostenabgeltung bei Wochenendheimfahrten nach § 7 Nr. 4.1 und 4.2 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe vom 4. Juli 2002 (BRTV Bau 2002) zustehen.

Der Kläger, der in T (Mecklenburg-Vorpommern) wohnt, ist auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 6. September 1990 seit dem 3. September 1990 bei der Beklagten als Bauwerker beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gilt der für allgemeinverbindlich erklärte BRTV Bau 2002. Der Sitz der Hauptverwaltung der Beklagten liegt in O (Niedersachsen), etwa 300 km von T entfernt. Der Kläger wurde ab dem 8. Februar 2003 auf einer Baustelle in B eingesetzt, die etwa 54 km von dem Sitz der Beklagten in O entfernt ist. Daraufhin brachte der Kläger seinen Wohnwagen, in dem er unter der Woche wohnte, von dem Betriebsgelände der Niederlassung der Beklagten in Ba zu dem Betriebshof der Beklagten in H, der etwa 48 km von der Baustelle in B zwischen O und B liegt.

Mit Schreiben vom 29. April 2003 machte der Kläger ua. Auslösung für Februar 2003 iHv. 425,74 Euro und für März 2003 iHv. 414,00 Euro netto und Fahrtkostenabgeltung für die Wochenendheimfahrten nach T für Februar iHv. 279,90 Euro und für März iHv. 577,20 Euro erfolglos geltend.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger diese Ansprüche weiter. Er hat die Auffassung vertreten, die Baustelle in B, auf der er im Februar und März 2003 gearbeitet habe, sei eine auslösungspflichtige Baustelle iSv. § 7 Nr. 4 BRTV Bau 2002, weil der normale Zeitaufwand für seinen Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstelle mehr als 1 1/4 Stunden betrage. Als Wohnung im tariflichen Sinn komme nur seine Erstwohnung in T und nicht der Wohnwagen auf dem Betriebshof der Beklagten in H in Betracht.

Der Kläger hat, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, beantragt

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.696,84 Euro netto nebst Zinsen iHv. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 14. Mai 2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Voraussetzungen des § 7 Nr. 4 BRTV Bau 2002 für den Anspruch des Klägers auf Auslösung und Fahrtkostenabgeltung seien nicht gegeben, weil der Wohnwagen des Klägers als Wohnung im tariflichen Sinn anzusehen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage wegen der im Revisionsverfahren noch anhängigen Ansprüche abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche im Umfang der Zulassung, dh. iHv. 1.696,84 Euro netto für Auslösung und Fahrtkostenabgeltung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf Zahlung von Auslösung und Fahrtkostenabgeltung zu Recht abgewiesen.

I. Die Voraussetzungen für den Anspruch des Klägers nach § 7 Nr. 4 BRTV Bau 2002 sind nicht gegeben.

1. Der BRTV Bau 2002 enthält ua. folgende für die Entscheidung einschlägigen Regelungen:

"§ 7 Fahrtkostenabgeltung, Verpflegungszuschuss und Auslösung

1. Allgemeines

Der Arbeitnehmer kann auf allen Bau- oder sonstigen Arbeitsstellen (Arbeitsstelle) des Betriebes eingesetzt werden, auch wenn er diese von seiner Wohnung aus nicht an jedem Arbeitstag erreichen kann.

2. Begriffsbestimmungen

2.1 Entfernungen

Entfernungen sind nach Maßgabe des kürzesten mit Personenkraftwagen befahrbaren öffentlichen Weges zwischen der Arbeitsstelle und der Wohnung (Unterkunft) des Arbeitnehmers zu bestimmen.

...

4. Arbeitsstellen ohne tägliche Heimfahrt

Arbeitet der Arbeitnehmer auf einer mindestens 50 km vom Betrieb entfernten Arbeitsstelle und beträgt der normale Zeitaufwand für seinen Weg von der Wohnung zur Arbeitsstelle mehr als 1 1/4 Stunden, so hat er nach folgender Maßgabe Anspruch auf eine Auslösung.

Die Auslösung ist Ersatz für den Mehraufwand für Verpflegung und Übernachtung im Sinne der steuerlichen Vorschriften.

4.1 Auslösung

Die Auslösung beträgt für jeden Kalendertag 34,50 EUR.

4.2 Unterkunftsgeld

Übernachtet der Arbeitnehmer in einer von dem Arbeitgeber gestellten ordnungsgemäßen Unterkunft (Baustellenunterkunft/Pension/Hotel), so kann der Arbeitgeber für jede Übernachtung einen Betrag von 6,50 EUR von der tariflichen Auslösung einbehalten.

...

4.4 Wochenendheimfahrten

Bei Wochenendheimfahrten erhält der Arbeitnehmer eine Fahrtkostenabgeltung nach Maßgabe der Nr. 3.1, wobei das Kilometergeld 0,30 EUR je Entfernungskilometer ohne Begrenzung beträgt.

..."

Die entsprechenden Regelungen in dem durch den BRTV Bau 2002 abgelösten Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981 (BRTV Bau 1981) lauten:

"§ 7 Fahrtkostenabgeltung, Verpflegungszuschuß und Auslösung

...

2. Begriffsbestimmungen

2.1 Entfernung und Wohnung Entfernungen sind nach Maßgabe des kürzesten (im Falle der Nr. 4.7 des günstigsten) mit Personenkraftwagen befahrbaren öffentlichen Weges zwischen der Bau- oder Arbeitsstelle und der Wohnung (Unterkunft) des Arbeitnehmers im räumlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages zu bestimmen.

...

4. Bau- oder Arbeitsstellen ohne tägliche Heimfahrt

4.1 Auslösung

Der Arbeitnehmer, der auf einer Bau- oder Arbeitsstelle tätig ist, die mehr als 25 km vom Betrieb entfernt ist, und dem die tägliche Rückkehr zur Wohnung (Erstwohnung) nicht zuzumuten ist, hat für jeden Kalendertag, an dem die getrennte Haushaltsführung hierdurch verursacht ist, Anspruch auf eine Auslösung.

Bei dem Arbeitnehmer, der vor einem Einsatz nach Nr. 1 bereits einen getrennten Haushalt führte, gilt der Einsatz nach Nr. 1 als ursächlich für die getrennte Haushaltsführung, wenn er auf einer mehr als 25 km vom Betrieb entfernten Bau- oder Arbeitsstelle tätig ist, und wenn ihm die tägliche Rückkehr weder zu seiner Erstwohnung noch zu seiner beibehaltenen oder aufgegebenen Zweitwohnung zuzumuten ist.

Das Merkmal der getrennten Haushaltsführung gilt als erfüllt, wenn der Arbeitnehmer die Unterhaltungskosten mindestens einer Wohnung (Erstwohnung oder Zweitwohnung) überwiegend trägt und außerhalb seiner Erstwohnung übernachtet.

Die tägliche Rückkehr ist nicht zumutbar, wenn der normale Zeitaufwand für den einzelnen Weg von der Wohnung zur Bau- oder Arbeitsstelle bei Benutzung des zeitlich günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels oder eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten ordnungsgemäßen Fahrzeugs mehr als 1 1/4 Stunden beträgt.

...

4.3 Höhe der Auslösung

Die Höhe der Auslösung, die sich danach richtet, ob die Beschäftigung auf einer Bau- oder Arbeitsstelle gemäß Nr. 4.1 bis zu sieben Kalendertagen oder länger dauert, ist in einem besonderen Tarifvertrag festzulegen.

4.4 Unterkunftsgeld

Übernachtet der auslösungsberechtigte Arbeitnehmer in einer von dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten ordnungsgemäßen Unterkunft, so kann der Arbeitgeber für jede Übernachtung einen Betrag bis zur Höhe des halben Gesamttarifstundenlohnes der Berufsgruppe III von der tariflichen Auslösung einbehalten.

...

4.7 Tarifliche Wochenendheimfahrten

Der Arbeitnehmer, dem eine Auslösung zu zahlen ist, hat nach Ablauf von vier Wochen und jeweils nach Ablauf weiterer vier Wochen einer ununterbrochenen Tätigkeit auf einer oder mehreren Bau- oder Arbeitsstellen des Betriebes gemäß Nr. 4.1 Anspruch auf Wochenendheimfahrten zu seiner Wohnung (Erstwohnung) und zurück zur Bau- oder Arbeitsstelle."

2. Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass Betrieb im Sinne der ersten Anspruchsvoraussetzung in § 7 Nr. 4 BRTV Bau 2002 hier der etwa 54 km von der Baustelle in B entfernte Sitz der Beklagten in O ist, dass also der Kläger auf einer mindestens 50 km vom Betrieb entfernten Arbeitsstelle arbeitet. Der normale Zeitaufwand des Klägers für seinen Weg von der Wohnung zur Arbeitsstelle beträgt aber nicht mehr als 1 1/4 Stunden. Denn als Wohnung iSv. § 7 Nr. 4 BRTV Bau 2002 ist vorliegend der Wohnwagen des Klägers auf dem Betriebshof der Beklagten in H anzusehen. Das ergibt die Auslegung der tariflichen Bestimmungen.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen (zB Senat 30. Mai 2001 - 4 AZR 269/00 - BAGE 98, 35 mwN; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - BAGE 111, 204 ).

b) In Anwendung dieser Auslegungskriterien ist Wohnung iSv. § 7 Nr. 4 Abs. 1 BRTV Bau 2002 nicht notwendig der Hauptwohnsitz, an dem der Arbeitnehmer zB mit seiner Familie den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse hat. Wohnung in diesem Sinn kann auch eine Zweitunterkunft sein, die der Arbeitnehmer wegen der weiten Entfernung zwischen dem Betrieb seines Arbeitgebers und seinem Hauptwohnsitz regelmäßig für die Unterkunft und Verpflegung während der Arbeitstage - ohne unmittelbare Abhängigkeit von einer einzelnen Bau- oder Arbeitsstelle - unterhält. Diesem Begriffsinhalt der "Wohnung" entspricht der Wohnwagen des Klägers.

aa) Bei der Auslegung des Tarifwortlauts sind vorrangig die tariflichen Begriffsbestimmungen in § 7 Nr. 2 BRTV Bau 2002 heranzuziehen. In § 7 Nr. 2.1 BRTV Bau 2002 ist bei der Begriffsbestimmung von "Entfernungen" auf die Entfernung zwischen Arbeitsstelle und Wohnung abgestellt, wobei der Begriff Wohnung den Klammerzusatz "Unterkunft" aufweist. Das spricht dafür, dass Wohnung im Sinne der Regelung in § 7 BRTV Bau 2002 in dem weiteren Sinne einer Unterkunft gemeint ist; Klammerzusätze nach tariflichen Begriffen dienen idR der Erläuterung oder Begriffsbestimmung. Auch im BRTV Bau 1981, der, wie die Überschrift in § 7 Nr. 2.1 ausweist, eine Begriffsbestimmung für "Wohnung" gibt, ist insoweit lediglich der Klammerzusatz "Unterkunft" gewählt worden. In der Überschrift des § 7 Nr. 2.1 BRTV Bau 2002 ist zwar der ausdrückliche Hinweis darauf, dass es im Folgenden auch um eine Bestimmung des Begriffes "Wohnung" gehen soll, weggefallen; der Klammerzusatz "Unterkunft" ist aber erhalten geblieben. Nur wegen der Änderung der Überschrift kann dem Klammerzusatz zum Begriff der Wohnung in § 7 Nr. 2.1 BRTV Bau 2002 nicht dessen allgemein gebräuchliche Bedeutung für das von den Tarifvertragsparteien gewollte Verständnis dieses Begriffes in den nachfolgenden Regelungen des § 7, also auch für § 7 Nr. 4 BRTV Bau 2002 abgesprochen werden.

Durch den Klammerzusatz "Unterkunft" in § 7 Nr. 2.1 BRTV Bau 2002 wird die Bedeutung des Begriffes "Wohnung" deutlich erweitert. Eine Unterkunft ist nach allgemeinem Verständnis auch eine einfache Art der Unterbringung, zB in einem möblierten Zimmer, einem Wohnwagen, einem Wohnheim, einer Pension oder einem Hotel (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch 2006 Unterkunft: Obdach, (vorübergehende) Wohnung, Quartier). Schon der Wortlaut spricht deshalb dafür, dass Wohnung im tariflichen Sinn nicht nur der (Haupt-)Wohnsitz im zivilrechtlichen Sinn (§§ 7 ff. BGB ) und erst recht nicht die Hauptwohnung im melderechtlichen Sinn ist, sondern auch eine andere Art der Unterkunft, die der Übernachtung und Verpflegung dient.

bb) Der aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen erkennbare Sinn und Zweck der Regelung unterstützt diese Auslegung. Daraus ergibt sich, dass der Aufwendungsersatz in Form von Fahrtkostenabgeltung, Verpflegungszuschuss und Auslösung dazu dienen soll, einen Teil der Aufwendungen zu kompensieren, die durch den Einsatz auf Arbeitsstellen außerhalb des Betriebes bedingt sind, nicht aber diejenigen, die durch die Entfernung zwischen dem Hauptwohnsitz des Arbeitnehmers und dem Betrieb des Arbeitgebers verursacht sind. Demgemäß ist Wohnung im tariflichen Sinn nicht der Hauptwohnsitz, wenn sich der Arbeitnehmer eine weitere Unterkunft in der Nähe des Betriebes des Arbeitgebers hält, um die vereinbarten Arbeitsleistungen erbringen zu können.

(1) Nach § 7 Nr. 1 BRTV Bau 2002 kann der Arbeitnehmer auf Arbeitsstellen des Betriebes eingesetzt werden, auch wenn er diese von seiner Wohnung aus nicht an jedem Arbeitstag erreichen kann. Für diese Fälle des Arbeitseinsatzes außerhalb des Betriebes sind die nachfolgenden Regelungen in § 7 Nr. 4 BRTV Bau 2002 konzipiert. Dagegen gibt es keinen Aufwendungsersatz für einen Arbeitnehmer, der eine weitere Unterkunft in der Nähe des Betriebes nimmt, weil sein Erstwohnsitz so weit von dem Betrieb entfernt ist, dass er keine tägliche Hin- und Rückfahrt zur Erstwohnung durchführen kann oder will, wenn und solange der Arbeitseinsatz in dem Betrieb erfolgt. Diese Mehrkosten liegen in der Sphäre des Arbeitnehmers und werden durch die tariflichen Regelungen nicht kompensiert.

(2) Die tariflichen Regelungen über den Aufwendungsersatz setzen in jedem Fall voraus, dass der Arbeitnehmer iSv. § 7 Nr. 1 BRTV Bau 2002 außerhalb des Betriebes eingesetzt wird. Das gilt für den Aufwendungsersatz bei Arbeitsstellen mit täglicher Heimfahrt iSv. § 7 Nr. 3 BRTV Bau 2002 ebenso wie bei Arbeitsstellen ohne tägliche Heimfahrt nach § 7 Nr. 4 BRTV Bau 2002. Nur bei der Abgrenzung dieser Fallgruppen, die nach § 7 Nr. 3 Abs. 1 BRTV Bau 2002 in einem Alternativverhältnis zueinander stehen, wird außer auf die Entfernung zwischen Betrieb und Arbeitsstelle auch auf die Entfernung zwischen Arbeitsstelle und Wohnung abgestellt. Bei Arbeitsstellen mit täglicher Heimfahrt, bei der für die Entfernung zwischen Betrieb und Arbeitsstelle keine Mindestentfernung definiert ist, muss die Entfernung zwischen Arbeitsstelle und Wohnung mindestens 10 km betragen, wobei allerdings die arbeitstägliche Fahrtkostenabgeltung von 0,30 Euro pro Entfernungskilometer auf eine Entfernung von 50 km begrenzt ist. Erst bei einer Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstelle, für deren Überbrückung ein Zeitraum von 1 1/4 Stunden überschritten werden muss, ist, wenn die Arbeitsstelle mindestens 50 km vom Betrieb entfernt ist, der Fall der Arbeitsstelle ohne tägliche Heimfahrt iSv. § 7 Nr. 4 BRTV Bau 2002 gegeben, der die Ansprüche ua. auf Auslösung und Fahrtkostenabgeltung für Wochenendheimfahrten eröffnet.

(3) Der hieraus deutlich werdende Zusammenhang zwischen den tariflichen Leistungen und den Mehraufwendungen durch den Einsatz auf einer Arbeitsstelle außerhalb des Betriebes wird nur gewahrt, wenn man hinsichtlich des tariflichen Begriffes der Wohnung auf die Wohnung abstellt, von der aus der Arbeitnehmer regelmäßig zur Arbeit fährt. Das ist nicht der Erstwohnsitz, wenn sich der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Entfernung zwischen dem Erstwohnsitz und dem Beschäftigungsbetrieb eine Zweitunterkunft nimmt.

Nur bei dieser Auslegung wird der Arbeitnehmer, der sich wegen des Arbeitsverhältnisses eine Zweitunterkunft hält, ebenso gestellt wie ein Arbeitnehmer, der den Beschäftigungsbetrieb von seinem Erstwohnsitz aus täglich erreichen kann. Eine Arbeitsstelle ohne tägliche Heimfahrt iSv. § 7 Nr. 4 BRTV Bau 2002 ist danach - abgesehen von der Voraussetzung einer Entfernung zwischen Betrieb und Arbeitsstelle von mindestens 50 km - nur gegeben, wenn der normale Zeitaufwand für den Weg zwischen Zweitunterkunft und Arbeitsstelle über 1 1/4 Stunden beträgt. Das entspricht der Zielsetzung der tariflichen Regelung, weil dem Arbeitnehmer dadurch unabhängig von den fortlaufenden Belastungen für die Zweitunterkunft zusätzliche Kosten dadurch entstehen, dass er zusätzlich für Unterkunft und Verpflegung in der Nähe der Arbeitsstelle sorgen muss. Würde man der abweichenden Auslegung des Klägers folgen und nur die Erstwohnung als Wohnung im tariflichen Sinn anerkennen, würde ein Arbeitnehmer mit einer Zweitunterkunft Auslösung auch dann bekommen, wenn er die Arbeitsstelle täglich von seiner Zweitunterkunft erreichen kann und der tatsächliche Zeitaufwand für den Weg zur Arbeitsstelle sich deshalb nicht auf über 1 1/4 Stunden erhöht. Mit der Auslösung würden nicht die durch den Einsatz auf der außerbetrieblichen Arbeitsstelle bedingten Mehrkosten kompensiert, sondern die Kosten der unabhängig davon - wegen des Arbeitsverhältnisses insgesamt und des Sitzes des Arbeitgeberbetriebes - vom Arbeitnehmer gehaltenen Zweitunterkunft. Dies sieht der Tarifvertrag nicht vor.

Entsprechendes gilt für den Fall des Einsatzes auf einer Arbeitsstelle mit täglicher Heimfahrt iSv. § 7 Nr. 3 BRTV Bau 2002. Auch hier entspricht es dem erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung, die tatsächlichen Mehraufwendungen - teilweise - auszugleichen, die dem Arbeitnehmer durch den Einsatz auf einer mindestens 10 km von der Wohnung entfernten Arbeitsstelle durch höhere Fahrt- und Verpflegungskosten entstehen. Höhere Fahrtkosten entstehen tatsächlich aber nur dann, wenn durch den Einsatz auf der außerbetrieblichen Arbeitsstelle ein längerer Weg zwischen der Zweitunterkunft und der Arbeitsstelle verursacht wird. Auch der Verpflegungszuschuss gem. § 7 Nr. 3.2 BRTV Bau 2002, der auf die Abwesenheit von der Wohnung für eine Zeit von über 10 Stunden abstellt, würde seinem Zweck nicht entsprechen, wenn man trotz Vorhandenseins einer Zweitunterkunft auf den Erstwohnsitz abstellt. Die tatsächlichen Mehrkosten für Verpflegung sind davon abhängig, wie lange der Arbeitnehmer von der Unterkunft abwesend ist, wo er sich regelmäßig verpflegt. Das ist aber die Zweitunterkunft und nicht der während der Arbeitswoche nicht benutzte Erstwohnsitz.

cc) Entgegen der Auffassung des Klägers steht die Regelung in § 7 Nr. 4.2 BRTV Bau 2002 dieser Auslegung nicht entgegen. Danach kann der Arbeitgeber von der Auslösung einen Betrag von 6,50 Euro für jede Übernachtung einbehalten, wenn der Arbeitnehmer in einer von dem Arbeitgeber gestellten ordnungsgemäßen Unterkunft (Baustellenunterkunft/Pension/Hotel) übernachtet. Der Kläger meint, dass diese Regelung praktisch leer liefe, wenn man auch eine Unterkunft als Wohnung im tariflichen Sinn anerkenne. Denn dann müsse auch im Fall des § 7 Nr. 4.2 BRTV Bau 2002 die von dem Arbeitgeber gestellte Unterkunft mindestens 1 1/4 Stunden von der Arbeitsstelle entfernt sein. Dabei verkennt der Kläger den Unterschied zwischen der Wohnung bzw. Unterkunft des Arbeitnehmers, von dessen Entfernung zur Arbeitsstelle der Auslösungsanspruch bei Arbeitsstellen ohne tägliche Heimfahrt abhängt, und der auf die jeweilige Arbeitsstelle bezogenen - im Fall des § 7 Nr. 4.2 BRTV Bau 2002 von dem Arbeitgeber gestellten - Unterkunft in deren Nähe, die sich andernfalls der Arbeitnehmer besorgen müsste, weil eine tägliche Rückkehr zu seiner Wohnung, sei es Erstwohnsitz oder Zweitunterkunft, wegen des Zeitaufwandes nicht zumutbar ist. Unterkunft iSv. § 7 Nr. 4.2 BRTV Bau 2002 ist also die Unterkunft für die Übernachtung in der Nähe der jeweiligen Arbeitsstelle, für deren Kosten wegen der Entfernung zwischen Arbeitsstelle und Wohnung (Erstwohnsitz oder Zweitunterkunft) die Auslösung vorgesehen ist. In diesem Sinn wird der Begriff Unterkunft auch in § 7 Nr. 4.5 BRTV Bau 2002 verwendet, wonach die Erstattung der Kosten für die Beibehaltung der Unterkunft zB bei Wochenendheimfahrten und bei Krankenhausaufenthalten begrenzt weitergewährt wird.

dd) Somit muss nicht nur unterschieden werden zwischen dem Erstwohnsitz und der möglichen durch das Arbeitsverhältnis bedingten Zweitunterkunft (Arbeitsunterkunft), sondern zusätzlich auch der Unterkunft in der Nähe einer weit entfernten Arbeitsstelle (Arbeitsstellenunterkunft). Soweit es für die tariflichen Leistungen auf die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstelle ankommt, ist auf die Arbeitsunterkunft abzustellen, soweit und solange diese zusätzlich zu dem Erstwohnsitz unterhalten wird. Die von dem Arbeitnehmer zusätzlich benötigte Baustellenunterkunft bei einer von Hauptwohnsitz oder Arbeitsunterkunft weit entfernten Baustelle ist Anlass für die Auslösung nach § 7 Nr. 4.1 BRTV Bau 2002, die nach § 7 Nr. 4.2 BRTV Bau 2002 gekürzt werden kann, wenn der Arbeitgeber die Baustellenunterkunft auf seine Kosten stellt.

ee) Auch der Vergleich mit dem vom BRTV Bau 2002 abgelösten BRTV Bau 1981 stützt diese Auslegung. Zum einen war in § 7 Nr. 4.1 BRTV Bau 1981 hinter dem Begriff Wohnung der erläuternde Klammerzusatz "Erstwohnung" hinzugefügt. Der Umstand, dass dieser Klammerzusatz entfallen ist, zeigt deutlich, dass mit dem Begriff Wohnung nicht nur die Erstwohnung erfasst werden sollte. Es ist fernliegend, dass die Tarifvertragsparteien bei der Neufassung des BRTV Bau 2002 die im Vorgängertarifvertrag durch einen Klammerzusatz enthaltene Klarstellung gestrichen haben, wenn sie in Wirklichkeit an der Auslegung, die durch den Klammerzusatz klargestellt würde, festhalten wollten.

Auch die übrigen Änderungen der Regelungen über Arbeitsstellen ohne tägliche Heimfahrt im Vergleich vom BRTV Bau 1981 mit BRTV Bau 2002 sprechen für diese Auslegung. Trotz erheblicher Unterschiede in der Regelungstechnik war es auch der Regelungszweck des BRTV Bau 1981, nur die tatsächlichen Mehraufwendungen auf Grund des Einsatzes auf einer Arbeitsstelle außerhalb des Betriebes zu kompensieren und demgemäß die Kosten für eine getrennte Haushaltsführung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie durch den Einsatz auf einer Arbeitsstelle außerhalb des Betriebes und nicht durch die Entfernung des Betriebes von der Erstwohnung bedingt waren. Der BRTV Bau 1981 stellte zwar zunächst darauf ab, ob dem Arbeitnehmer die tägliche Rückkehr von der - 25 km vom Betrieb entfernten - Arbeitsstelle zur Wohnung im Sinne der Erstwohnung nicht zuzumuten war, was einen normalen Zeitaufwand von mehr als 1 1/4 Stunden voraussetzte (§ 7 Nr. 4.1 Abs. 4 BRTV Bau 1981). Die Auslösung wurde aber nur für jeden Kalendertag gewährt, an dem die "getrennte Haushaltsführung hierdurch verursacht ist". In § 7 Nr. 4.1 Abs. 2 BRTV Bau 1981 war dazu klargestellt, dass diese Voraussetzung bei einem Arbeitnehmer, der vor einem Einsatz auf einer Arbeitsstelle außerhalb des Betriebes bereits einen getrennten Haushalt führte, nur erfüllt ist, wenn die Rückkehr von der Arbeitsstelle weder zur Erstwohnung noch zur Zweitwohnung zumutbar war. Danach bekam ein Arbeitnehmer, der wegen der Entfernung zwischen seiner Erstwohnung und dem Beschäftigungsbetrieb eine Zweitwohnung genommen hatte, keine Auslösung, wenn der normale Zeitaufwand für den Weg von der Arbeitsstelle zur Zweitunterkunft nicht mehr als 1 1/4 Stunden betrug. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien, die im Sinne einer Vereinfachung im BRTV Bau 2002 die Regelungstechnik für Arbeitsstellen ohne tägliche Heimfahrt geändert haben, bei der Gewährung der Auslösung in der Sache von der Voraussetzung der Kausalität zwischen dem Einsatz auf einer weit von dem Betrieb entfernten Arbeitsstelle und den Mehrkosten für die getrennte Haushaltsführung absehen wollten.

c) Ausgehend von dieser Auslegung ist der Wohnwagen des Klägers auf dem Betriebshof der Beklagten in H die Wohnung des Klägers im Sinne von § 7 Nr. 4 BRTV Bau 2002. Der Kläger hält sich den Wohnwagen in der Nähe des Betriebes der Beklagten als Zweitunterkunft (Arbeitsunterkunft) wegen des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten, deren Betrieb über 300 km von seinem Hauptwohnsitz (Familienwohnsitz) in T entfernt ist. Er nutzt ihn regelmäßig für die Unterkunft und Verpflegung während der Arbeitstage, offensichtlich schon lange während des seit 1990 bestehenden Arbeitsverhältnisses. Dem steht nicht entgegen, dass er den Wohnwagen nicht immer auf dem Betriebshof der Beklagten in H, sondern vorher auf dem Betriebsgelände der Niederlassung der Beklagten in Ba aufgestellt hat. Die örtliche Lage der Zweitunterkunft in einem Wohnwagen kann durch dessen Verlegung auf einen anderen Stellplatz ebenso verändert werden wie die der Zweitunterkunft in einer gemieteten Wohnung, einem gemieteten Zimmer oder einer Pension durch einen entsprechenden Wechsel. Dadurch ist die Funktion einer Zweitunterkunft nicht entfallen, insbesondere ist der Wohnwagen dadurch nicht zur Baustellenunterkunft geworden. Dagegen spricht schon, dass der Wohnwagen während des hier relevanten Zeitraums nicht in der Nähe der Baustelle in B aufgestellt war, sondern in dem etwa 50 km entfernten Betriebshof der Beklagten in H, der zwischen der Baustelle in B und dem Betrieb der Beklagten in O deutlich näher zu Letzterem lag.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO .

Hinweise:

Verhältnis zu bisheriger Rechtsprechung:

zur Auslegung des § 7 BRTV Bau 2002 auch Urteil vom selben Tag - 4 AZR 50/06 -

Branchenspezifische Problematik: Baugewerbe

Vorinstanz: LAG Niedersachsen, vom 19.04.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 12 Sa 2158/03
Vorinstanz: ArbG Oldenburg, vom 17.10.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 6 Ca 281/03
Fundstellen
AP Nr. 295 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau
ArbRB 2007, 266
BAGE 121, 80