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BVerwG - Entscheidung vom 20.09.2006

1 WB 54.05

Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 2
SG § 10 Abs. 3
WBO § 13 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
DVBl 2007, 132

BVerwG, Beschluss vom 20.09.2006 - Aktenzeichen 1 WB 54.05

DRsp Nr. 2007/11965

Wehrbeschwerdeverfahrensrecht - Folgenbeseitigungsanspruch; Fürsorgepflicht; Widerruf unwahrer Tatsachenbehauptungen

»Die Zulässigkeit eines Folgenbeseitigungsantrages setzt im Wehrbeschwerdeverfahren voraus, dass er zusammen mit der angefochtenen Maßnahme geltend gemacht wird.«

Normenkette:

VwGO § 113 Abs. 1 S. 2 ; SG § 10 Abs. 3 ; WBO § 13 Abs. 1 S. 1 ;

Tatbestand:

Der Antragsteller ist Berufssoldat; er wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrages, einen ehemaligen Vorgesetzten zum Widerruf bestimmter, aus seiner Sicht unwahrer Tatsachenbehauptungen zu veranlassen. Die entsprechenden Äußerungen waren bereits Gegenstand eines vorangegangenen Wehrbeschwerdeverfahrens, in welchem der Beschwerde des Antragstellers stattgegeben worden war.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe:

...

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.

Der Verpflichtungsantrag "auf Rehabilitation durch Widerruf unwahrer Tatsachenbehauptungen, vorzunehmen von Generalleutnant (GenLt) X vor dem Personenkreis, gegenüber dem er die ehrkränkenden Behauptungen am ... aufstellte", bedarf der Auslegung, denn er lässt nicht hinreichend klar erkennen, gegen welchen Verpflichtungsadressaten er gerichtet ist. Sofern der Antragsteller die unmittelbare Verpflichtung des GenLt X (zu dem gewünschten Widerruf) durch den Senat anstrebt, stünde diesem Rechtsschutzbegehren entgegen, dass es jedenfalls nicht im Rahmen eines Wehrbeschwerdeverfahrens geltend gemacht werden könnte. Unabhängig von der Frage, ob einem Soldaten überhaupt ein Anspruch gegen seinen Vorgesetzten persönlich auf Widerruf einer unwahren oder ehrenrührigen dienstlichen Äußerung zustehen kann (für Beamte abgelehnt im Urteil vom 29. Januar 1987 - BVerwG 2 C 34.85 - BVerwGE 75, 354 [355 f.]; vgl. auch Urteil vom 29. Juni 1995 - BVerwG 2 C 10.93 - BVerwGE 99, 56 [62]), könnte dieser Vorgesetzte persönlich nicht als Antragsadressat im Wehrbeschwerdeverfahren beteiligt sein. Vielmehr ist Antragsadressat eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 17 , 21 , 22 WBO immer der zuletzt zur Abhilfe befugte Vorgesetzte, hier also der Bundesminister der Verteidigung (vgl. Beschluss vom 5. Dezember 1968 - BVerwG 1 WB 81.68 - BVerwGE 33, 228 [230]).

Allerdings hat der Antragsteller frühzeitig seinen Antrag auch konkret als Folgenbeseitigungsantrag bezeichnet, mit dem er die "Bitte um Abhilfe" verbunden habe.

Der Antrag ist deshalb sach- und interessengerecht dahin auszulegen, dass er auf die Aufhebung der Bescheide ... sowie auf die Verpflichtung des - zur Abhilfe berechtigten - BMVg gerichtet ist, GenLt X zu dem gewünschten Widerruf anzuweisen.

Auch dieser Antrag ist jedoch unzulässig.

Einer Sachprüfung des Antrags durch den Senat steht das Prozesshindernis des bestandskräftigen Abschlusses des Wehrbeschwerdeverfahrens entgegen, das aufgrund der Beschwerde des Antragstellers vom 10. Oktober 2003 durchgeführt worden ist.

Zwar kann nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich auch im Wehrbeschwerdeverfahren in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO ein Folgenbeseitigungsanspruch geltend gemacht werden. Dieser Anspruch dient - als Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Vorgesetzten gemäß § 10 Abs. 3 SG - der Beseitigung von fortdauernden Schäden, die durch rechtswidriges Handeln eines militärischen Vorgesetzten herbeigeführt werden (grundlegend: Beschluss vom 17. Juli 1974 - BVerwG 1 WB 124.70 - BVerwGE 46, 283 [286] = NZWehrr 1975, 25; vgl. ferner Beschlüsse vom 19. Juni 1985 - BVerwG 1 WB 28.84 - und vom 7. Juni 1988 - BVerwG 1 WB 5.87 -; Böttcher/Dau, WBO , 4. Aufl. § 19 Rn. 9). Die analoge Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Antragsverfahren nach § 17 WBO (gegebenenfalls i.V.m. §§ 21 Abs. 2 Satz 1, § 22 WBO ) korrespondiert mit der für das vorgerichtliche Wehrbeschwerdeverfahren ausdrücklich in § 13 Abs. 1 Satz 1 WBO vorgesehenen Möglichkeit der Folgenbeseitigung; diese Norm bestimmt, dass einer begründeten Beschwerde nicht nur stattzugeben, sondern zusätzlich "für Abhilfe zu sorgen" ist, dass also eine Folgenbeseitigung über die Aufhebung der belastenden Maßnahme hinaus stattfinden soll (Beschluss vom 17. Juli 1974, aaO.; Böttcher/Dau, aaO. § 13 Rn. 8).

Nach der systematischen Stellung und nach dem Schutzzweck des § 13 Abs. 1 Satz 1 WBO muss über die Abhilfe in Gestalt einer Folgenbeseitigung im Beschwerdebescheid entschieden werden (ebenso: Böttcher/Dau, aaO. § 13 Rn. 10). Denn die von der zuständigen Beschwerdestelle vorzunehmende Prüfung, ob und wie bei der (Teil-)Stattgabe der Beschwerde gegebenenfalls außerdem eine Folgenbeseitigung zu leisten ist, lässt sich von der inhaltlichen Prüfung der angefochtenen Maßnahme selbst nicht trennen. Dies dokumentiert auch der Wortlaut der Norm ("und für Abhilfe zu sorgen"). Die Zulässigkeit eines Folgenbeseitigungsantrages setzt deshalb voraus, dass er zusammen mit der Anfechtung der beanstandeten Maßnahme - spätestens im gerichtlichen Antragsverfahren gegen diese Maßnahme - geltend gemacht wird (Beschlüsse vom 17. Juli 1974, aaO., vom 19. Juni 1985 - BVerwG 1 WB 28.84 - und vom 7. Juni 1988 - BVerwG 1 WB 5.87 -; Böttcher/Dau, aaO. § 19 Rn. 9). Für einen Folgenbeseitigungsanspruch, der sich darauf stützt, der zuständige Vorgesetzte habe es rechtswidrig unterlassen, von sich aus die Folgen der Maßnahme zu beseitigen, gilt das gleiche (Beschluss vom 19. Juni 1985 - BVerwG 1 WB 28.84 -).

Gegenstand der Beschwerde des Antragstellers vom 10. Oktober 2003 waren die Äußerungen des GenLt X am ... zu möglichen Dienstpflichtverletzungen des Antragstellers und zu dessen geplanter Ablösung. Schon in diesem Beschwerdeschriftsatz hat der Antragsteller die inhaltliche Richtigkeit der in dem Versetzungsantrag bezeichneten Tatsachen bezweifelt und das Verhalten des Divisionskommandeurs insgesamt als "ehrenrührig" qualifiziert.

Im teilweise stattgebenden Beschwerdebescheid des Befehlshabers Luftwaffenführungskommando vom 28. November 2003 wurden u.a. die Äußerungen des GenLt X zu den Punkten 4. bis 8. als pflichtwidrig gewertet.

In seiner weiteren Beschwerde hat der Antragsteller sodann ausdrücklich die Äußerungen des GenLt X aufgegriffen, die nunmehr Gegenstand seines Folgenbeseitigungsanspruches sind. ... An dieser Stelle hat er nicht nur die Pflichtwidrigkeit der Äußerungen des GenLt X behauptet, sondern zusätzlich ihre inhaltliche Richtigkeit bestritten. Da der stattgebende Beschwerdebescheid des Inspekteurs der Luftwaffe vom 6. April 2004 auf die inhaltliche Richtigkeit dieser Äußerungen nicht einging, hätte der Antragsteller seinen Folgenbeseitigungsanspruch, materiell gestützt auf die mögliche Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch unwahre Tatsachenbehauptungen, nunmehr spätestens mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen Bescheid geltend machen müssen. Er hat indessen auf einen Rechtsbehelf gegen diesen Bescheid verzichtet, indem er am (...) ausdrücklich "klargestellt" hat, "dass es nicht meine Absicht war und ist, den Beschwerdebescheid des Inspekteurs der Luftwaffe vom 06.04.2004 anzugreifen". Der Antrag auf Widerruf unwahrer Tatsachenbehauptungen sei "losgelöst von dem Beschwerdeverfahren".

Die Weiterverfolgung dieses Folgenbeseitigungsanspruches in einem isolierten Wehrbeschwerdeverfahren ist unzulässig. ...

Fundstellen
DVBl 2007, 132