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BVerwG - Entscheidung vom 26.09.2006

2 WD 2.06

Normen:
GG Art. 87a Abs. 1, 2, 3, 4 Art. 35 Abs. 2, 3 Art. 24 Abs. 1 Art. 65a
SG § 10 Abs. 4 § 11 Abs. 1 § 7
WDO § 38 Abs. 1
WStG § 2 Nr. 2

Fundstellen:
BVerwGE 127, 1
NVwZ-RR 2007, 257

BVerwG, Urteil vom 26.09.2006 - Aktenzeichen 2 WD 2.06

DRsp Nr. 2007/11953

Soldatendisziplinarrecht - Zulässige Aufgaben der Bundeswehrstreitkräfte; Grenzen der Befehlsbefugnis; zulässige Einsätze der Bundeswehrstreitkräfte; sonstige Verwendungen der Bundeswehrstreitkräfte; Öffentlichkeitsarbeit; dienstliche Zwecke; Ungehorsam; Befehl; Befehlscharakter ministerieller Erlasse; Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt; bedingter Vorsatz; mangelnde Dienstaufsicht

»1. Ein militärischer Befehl ist ausschließlich dann "nur zu dienstlichen Zwecken" (§ 10 Abs. 4 SG ) erteilt, wenn ihn der militärische Dienst erfordert, um die im Grundgesetz abschließend für "Einsätze" oder für sonstige zulässige Verwendungen normierten Aufgaben der Streitkräfte der Bundeswehr zu erfüllen. 2. Für den "Einsatz" der Bundeswehrstreitkräfte im In- und Ausland hat das Grundgesetz abschließende Regelungen in Art. 87a , Art. 35 Abs. 2 und 3 sowie Art. 24 Abs. 2 GG getroffen; dabei geht es nur um ihre Verwendung als Teil der vollziehenden Gewalt. 3. Zu den nach dem Grundgesetz zulässigen Befugnissen der Bundeswehrstreitkräfte gehört zwar auch die Öffentlichkeitsarbeit. Allerdings gilt dies nicht für jede Verwendung von Personal oder Material der Streitkräfte, die für diese eine positive Resonanz oder einen "Imagegewinn" in der Öffentlichkeit auslöst. Eine zulässige Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr liegt nur dann vor, wenn sie nach außen erkennbar auf die im Grundgesetz festgelegten und zugelassenen Aufgaben der Bundeswehr ausgerichtet ist. 4. Die im Rahmen eines von einem privatrechtlichen Verein veranstalteten Historienspektakels mit Szenen aus der Geschichte der Standortgemeinde erfolgende Verwendung von Soldaten während der Dienstzeit, die Gewährung von entsprechendem Dienstausgleich für freiwillige Arbeitseinsätze sowie der Einsatz von dienstlichem Material gehören nicht zur zulässigen Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr und erfüllen auch keinen anderen zulässigen dienstlichen Zweck. 5. Die Verwendung von Personal und/oder Material der Bundeswehr zugunsten eines solchen von einem privaten Verein veranstalteten Historienspektakels kann auch nicht auf die Regelung in Art. 35 Abs. 1 GG über die Gewährung von Amts- und Rechtshilfe gestützt werden, die die Handlungs- und Eingriffsbefugnisse der Bundeswehrstreitkräfte nicht erweitert. 6. Der Bundesminister der Verteidigung kann die allein ihm und - im Vertretungsfalle - seinem Vertreter im Amt zustehende Befehls- und Kommandogewalt nicht auf sonstige Angehörige seines Ministeriums oder Dritte delegieren. 7. Im Bundesministerium der Verteidigung tätige Beamte oder Soldaten haben in ihrer dienstlichen Eigenschaft keine Befugnis zum Erteilen von militärischen Befehlen; sie sind allerdings berechtigt, im Rahmen ihres vom Minister abgeleiteten innerbehördlichen Mandats ("im Auftrag") verbindliche Anordnungen (auch im Außenverhältnis) zu treffen. 8. Vom Bundesverteidigungsministerium herausgegebene Richtlinien und Erlasse, die nicht vom Bundesminister der Verteidigung oder im Verhinderungsfall von seinem Vertreter im Amt unterzeichnet sind, stellen keine eine militärische Gehorsamspflicht auslösende Befehle dar. 9. Zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit 10. Zur Maßnahmebemessung bei der fahrlässiger Überschreitung der militärischen Befehlsbefugnis sowie beim fahrlässigen Ungehorsam gegenüber dem in einer vom Bundesminister der Verteidigung erlassenen Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) enthaltenen Verbot des Einsatzes von Dienstfahrzeugen zu nicht-dienstlichen Zwecken.«

Normenkette:

GG Art. 87a Abs. 1 , 2 , 3 , 4 Art. 35 Abs. 2 , 3 Art. 24 Abs. 1 Art. 65a ; SG § 10 Abs. 4 § 11 Abs. 1 § 7 ; WDO § 38 Abs. 1 ; WStG § 2 Nr. 2 ;

Tatbestand:

Ein Bataillonskommandeur im Dienstgrad eines Oberstleutnants war zugleich Vorsitzender eines privatrechtlichen Vereins, der ein "Historienspektakel" mit von Laienschauspielern dargestellten Szenen aus der Geschichte der Standortgemeinde veranstaltete. Der Soldat erließ in seiner dienstlichen Eigenschaft einen an seine Untergebenen gerichteten Organisationsbefehl, mit dem er die Unterstützung des Historienspektakels in einem darin näher bezeichneten Umfang befahl. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, das auf eine vom Bundesministerium der Verteidigung wegen des Verdachts der Untreue eingereichte Strafanzeige eingeleitet worden war, stellte die Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Im gerichtlichen Disziplinarverfahren verurteilte die Truppendienstkammer den Bataillonskommandeur wegen eines Dienstvergehens zu einem Beförderungsverbot von zwölf Monaten. Auf die Berufung des Soldaten änderte der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts das erstinstanzliche Urteil ab und verhängte eine Kürzung der Dienstbezüge um ein Zehntel für die Dauer eines Jahres.

Entscheidungsgründe:

...

Der Senat hat den in der Berufungshauptverhandlung festgestellten Sachverhalt rechtlich wie folgt gewürdigt:

aa) Anschuldigungspunkt 1 (Erlassen des Organisationsbefehls vom 8. Mai 2001)

aaa) Verstoß gegen § 10 Abs. 4 SG

Mit dem Erlassen des Organisationsbefehls vom 8. Mai 2001 verstieß der Soldat gegen seine Dienstpflichten nach § 10 Abs. 4 SG .

Bei dem Organisationsbefehl vom 8. Mai 2001 handelte es sich, was auch schon in der Überschrift zum Ausdruck kommt, um einen "Befehl" i.S.d. § 10 Abs. 4 SG (vgl. zur stRspr des Senats zum Inhalt des Befehlsbegriffs u.a. Urteil vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - NJW 2006, 77 [80] = EuGRZ 2005, 636, m.w.N.; ebenso u.a. Scherer/Alff, SG , 7. Aufl., § 10 Rn. 47 m.w.N.; Vogelgesang, in: GKÖD Bd. I Yk, § 10 Rn. 18). Der Soldat erteilte mit dem von ihm verfassten und unterzeichneten schriftlichen "Organisationsbefehl" - wie dessen Kopfzeile ausweist - als militärischer Vorgesetzter in seiner Eigenschaft als "Standortältester P." und zugleich als Bataillonskommandeur seinen Untergebenen mit dem Anspruch auf Gehorsam den "Auftrag", das Historienspektakel 2001 "durch die Abstellung von Personal und Material gemäß Absprache StOÄ und Produzent" zu unterstützen (vgl. Nr. 2 des Organisationsbefehls). Zwar brachte er in Nr. 3a (Satz 1) dieses Organisationsbefehls ("Durchführung") zum Ausdruck, es sei "Absicht", dass diese Unterstützung sowohl der Proben als auch des Auf- und Abbaus sowie der Aufführungen "mit Soldaten des Standortes, die ... sich für die einzelnen Produktionsbereiche (Statisterie, Bühnenarbeiter, Back-Stage-Helfer) gemeldet haben", erfolge. Diese Formulierung legt nahe, dass offenbar nur "Freiwillige" zum Einsatz kommen sollten. Der Soldat ordnete jedoch in diesem Organisationsbefehl in Nr. 3a (Satz 2) zugleich - mit Gehorsamsanspruch - an, dass die in Rede stehenden Soldaten seines Bataillons für den "freiwilligen Einsatz" beim Historienspektakel 2001 "soweit dienstlich abkömmlich freizustellen" seien; der "Einsatz selbst" sei "Dienst im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und im Dienstplan der Einheit festzuhalten". Darüber hinaus gab er in Nr. 3d ("Aufträge") die Anweisung, dass die 1. Kompanie ("1./...") "notwendige Transporte zur/von Freilichtbühne" bei der Vorbereitung und Durchführung des Historienspektakels "regelt" und dass sie "durch Beschallung bei den Proben" dieses "unterstützt". Zugleich wies er die Zuständigen der 4. Kompanie ("4./...") an, dass diese Kompanie den "Einsatz der gemeldeten Soldaten" "regelt". Ferner erteilte er unter Nr. 4 ("Dienstzeitregelung") die Anweisung, den eingesetzten Soldaten "durch die Disziplinarvorgesetzten entsprechend der erworbenen Ansprüche Freistellung vom Dienst auf der Basis der gültigen Erlasslage zu gewähren". Dieser vom Soldaten erteilte Befehl erfolgte entgegen § 10 Abs. 4 SG nicht "nur zu dienstlichen Zwecken".

Ein Befehl ist dann "nur zu dienstlichen Zwecken" erteilt, wenn ihn der militärische Dienst erfordert, um die durch die Verfassung normierten Aufgaben der Bundeswehr zu erfüllen (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - NJW 2006, 77 [80] m.w.N. und vom 13. September 2005 - BVerwG 2 WD 31.04 -; Scherer/Alff, aaO. und § 11 Rn. 15 jeweils m.w.N.).

Die in der Fachliteratur teilweise (vgl. etwa Sohm in: Walz/Eichen/Sohm, SG , 2006, § 10 Rn. 69) gegen diese vom erkennenden Senat in ständiger Rechtsprechung vorgenommene Bestimmung der "dienstlichen Zwecke" im Sinne des § 10 Abs. 4 SG geäußerte Kritik, bei dieser Auslegung laufe "die Bindung des Befehls an Gesetze und Dienstvorschriften in Abs. 4 praktisch leer", überzeugt nicht. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 10 Abs. 4 SG , die die Befehlsbefugnis eines Vorgesetzten begrenzen, schließen einander nicht aus, sondern stehen ersichtlich in einem komplementären Verhältnis zueinander. Aus den - neben der finalen Zweckbegrenzung ("nur zu dienstlichen Zwecken") - weiteren normativen Vorgaben des § 10 Abs. 4 SG , wonach der befehlende Vorgesetzte auch die "Regeln des Völkerrechts", die "Gesetze" und die "Dienstvorschriften" zu beachten hat, ergeben sich zusätzliche Grenzen der Befehlsbefugnis. Diese stellen klar, dass ein Vorgesetzter einen Befehl, selbst wenn dieser "nur zu dienstlichen Zwecken" erfolgt, außerdem nur unter Beachtung der "Regeln des Völkerrechts" sowie aller "Gesetze und Dienstvorschriften" erteilen darf.

Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte des § 10 Abs. 4 SG und durch ihren erkennbaren legislatorischen Zweck bestätigt. Die Vorschrift geht auf § 8 Abs. 4 des Regierungsentwurfs des Soldatengesetzes vom 23. September 1955 (BTDrucks II/1700, S. 4 f.) zurück, der folgenden Wortlaut hatte:

"Befehle darf er (= der Vorgesetzte) nur zu dienstlichen Zwecken und nur unter Beachtung der Gesetze, der Regeln des Völkerrechts und der Dienstvorschriften erteilen. Er trägt für seine Befehle die Verantwortung."

Mit der durch das Tatbestandsmerkmal "nur zu dienstlichen Zwecken" erfolgten Beschränkung der Befehlsbefugnis jedes (militärischen) Vorgesetzten wich der Regierungsentwurf in restriktiver Hinsicht von früheren wehrrechtlichen Vorschriften deutlich ab. Soweit Rittau die Auffassung vertritt (vgl. Rittau, SG , 1957, § 10 Anm. 4. II), ein "Befehl zu dienstlichen Zwecken" i.S. dieser Regelung sei "nichts anderes als ein 'Befehl in Dienstsachen' i.S. der §§ 47 und 92 des früheren MStGB (= Militärstrafgesetzbuch)", kann dem nicht gefolgt werden. Rittau selbst hatte jenen Begriff ("Befehl in Dienstsachen") in seiner Kommentierung des Militärstrafgesetzbuches von 1941 in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Reichsgerichts sehr weit gefasst dahin ausgelegt, dass "Dienstsache ... der Inbegriff alles dessen" sei, "was der militärische Dienst nach seinem inneren Wesen erfordert (RGSt 58, 110), mit anderen Worten die Gesamtheit der Verrichtungen, denen sich die Wehrmachtangehörigen in ihrer Eigenschaft als Soldaten zu unterziehen haben, um die Erfüllung der zu den Angelegenheiten der Wehrmacht gehörenden Aufgaben zu ermöglichen." (Rittau, MStGB, 3. Aufl. 1941, § 47 Anm. 2 b); einen (damals) nach § 114 MStGB pönalisierten "Missbrauch der Dienstgewalt" hatte er nur dann angenommen, wenn der erteilte Befehl "weder mittelbar noch unmittelbar in irgendeiner Beziehung zum Dienste" stand (Rittau, aaO. § 114 Anm. 10). Ähnlich hatten auch Dörken/Scherer während des NS-Regimes vor 1945 eine Befehlserteilung zu "nichtdienstlichen Zwecken" dahingehend definiert, eine solche liege nur dann vor, wenn "die Pflicht zur Unterordnung" zu "nicht durch das Wesen des militärischen Dienstes gerechtfertigten Zwecken ausgebeutet" werde (Dörken/Scherer, Das MStGB, 5. Aufl. 1944, § 114 Anm. 1). Diese Definition wurde sachgleich damals auch von Schwinge zugrunde gelegt, der einen Missbrauch der "Dienstgewalt oder der dienstlichen Stellung" eines militärischen Vorgesetzten nur dann annahm, wenn das durch einen Befehl verlangte Verhalten "in keiner Beziehung zum Dienst" stehe; die Befehle dürften "auch nicht mittelbar durch Wesen und Aufgaben der Wehrmacht und des militärischen Dienstes gedeckt sein" (Schwinge, MStGB, 6. Aufl., 1944, § 114 Anm. IV 4).

Der Entwurf der Bundesregierung zum Soldatengesetz vom 23. September 1955 war ausweislich seiner Begründung (BTDrucks II/1700, S. 18) darauf ausgerichtet, in deutlicher Abgrenzung zur früheren Rechtslage eine "sichere Grundlage" dafür zu schaffen, "dass sich der Soldat gegen rechtswidrige Auferlegung von Pflichten und rechtswidriges Eingreifen in seine Rechte wehren kann". Demzufolge wurde "das überlieferte Gedankengut" an den "Vorstellungen überprüft, die sich die westeuropäische Welt vom Soldatentum macht". "Leitender Grundsatz der Regelung" sollte sein, "den Soldaten als einen Staatsbürger in Uniform zu begreifen, dessen Pflichten und Rechte rechtsstaatlich bestimmt und rechtsstaatlich gesichert sind" (ebd.). Bezogen auf § 8 des Regierungsentwurfs der Vorlage für den späteren § 10 SG , wurde in der Begründung ausgeführt, Absatz 4 solle den Vorgesetzten verpflichten, "die Grenzen seiner Befehlsbefugnis innezuhalten"; die "Wahrung des Rechts" sei ihm "ausschließlich zur Pflicht gemacht"; damit solle dem "Missbrauch der Befehlsbefugnis" vorgebeugt werden (ebd. S. 19). Die Verwendung des Wortes "nur" ("nur zu dienstlichen Zwecken") sollte ersichtlich ausdrücklich klarstellen, dass Befehle ausschließlich zu dienstlichen Zwecken erteilt werden dürfen. Jede Auslegung, wonach Befehle unter Umständen - wie vor 1945 - unter Rückgriff auf das "innere Wesen" des "militärischen Dienstes" auch zu sonstigen Zwecken erteilt werden dürften, sollte explizit ausgeschlossen werden. In den Beratungen des Ausschusses für Beamtenrecht (Sitzung vom 28. November 1955, Protokoll-Nr. 37, S. 7) und des Ausschusses für Verteidigung (BTDrucks II/2140) wurde die Fassung des Absatzes 4 insoweit nicht mehr in Frage gestellt. Das Plenum des Deutschen Bundestages beschloss dann die vom Verteidigungsausschuss vorgeschlagene Fassung als § 10 in zweiter und dritter Lesung ohne weitere Änderungen. Seit dem Inkrafttreten des Soldatengesetzes ist diese Erstfassung des § 10 Abs. 4 SG nicht mehr verändert worden.

Aus der Entstehungsgeschichte und aus dem Regelungszusammenhang lässt sich der Zweck der Regelung des § 10 Abs. 4 SG erkennen, die den militärischen Vorgesetzten eingeräumte Befehlsbefugnis und die damit korrespondierende Gehorsamspflicht der Untergebenen zu begrenzen und jedem Missbrauch der Befehlsbefugnis vorzubeugen. Sie ist darauf gerichtet, das militärische Führungsinstrument des Befehls streng auf den nicht zur Disposition des einzelnen Vorgesetzten stehenden verfassungsmäßigen Aufgabenbereich der Streitkräfte der Bundeswehr zu beschränken. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die "bewaffnete Macht" ausschließlich innerhalb des von der Verfassung gezogenen Rahmens eingesetzt werden darf. Die Regelungen sind Ausdruck der vom Verfassungsgeber aus der deutschen Geschichte gezogenen Schlussfolgerungen und darauf gerichtet, die Streitkräfte als Teil der "vollziehenden Gewalt" (vgl. u.a. Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG ) ohne jede Ausnahme in die demokratische Verfassungsordnung einzufügen (vgl. dazu u.a. Zweiter Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht des Deutschen Bundestages [BTDrucks II/2150, S. 1]: "Sämtliche Änderungen des Grundgesetzes, die hier vorgeschlagen werden, sollen der Einordnung der Bundeswehr in den verfassungsmäßigen Aufbau des Staates dienen"; Lepper, Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte im gewaltenteilenden Staat, 1962, S. 126 ff. m.w.N.; Helmut Schmidt, in: Festschrift für Adolf Arndt, 1969, 437 ff.) und so zu vermeiden, dass die "bewaffnete Macht" z.B. unter Berufung auf das "militärische Wesen" oder "militärische Erfordernisse" gegenüber den gewählten demokratischen Entscheidungsinstanzen oder den Staatsbürgerinnen und -bürgern Freiräume in Anspruch nimmt und - wie etwa in der "Weimarer Republik" - gleichsam zum "Staat im Staate" wird. Die Vorschrift des § 10 Abs. 4 SG entspricht dieser verfassungsrechtlichen Zielsetzung und dient zugleich auch dem Schutz militärischer Untergebener (BTDrucks II/1700, S. 19; BTDrucks II/2140, S. 6). Denn diese haben aufgrund ihrer in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG normierten Gehorsamspflicht verbindliche Befehle "nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich" auszuführen (zu den Grenzen der Gehorsamspflicht vgl. zuletzt Urteil vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - NJW 2006, 77 [79 ff.] m.w.N.); anderenfalls begehen sie eine Wehrstraftat (§§ 19 ff. WStG ) und können zudem auch disziplinar zur Rechenschaft gezogen werden. Die Begrenzung der Befehlsbefugnis (§ 10 Abs. 4 SG ) und zugleich auch der Gehorsamspflicht (§ 11 Abs. 1 Satz 3 SG ) ausschließlich auf "nur zu dienstlichen Zwecken" erteilte Befehle soll unter Androhung von Strafe und disziplinarer Ahndung militärische Untergebene davor bewahren, an militärischen Einsätzen oder sonstigen Verwendungen außerhalb der von der Verfassung gezogenen Grenzen mit all den damit verbundenen Risiken mitwirken zu müssen. Dem trägt die dargelegte ständige Rechtsprechung zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals ("nur zu dienstlichen Zwecken") in § 10 Abs. 4 SG uneingeschränkt Rechnung, an der der erkennende Senat - auch aus Gründen der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 1 GG ) und der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG ) - deshalb festhält.

Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "nur zu dienstlichen Zwecken" muss mithin im Ergebnis positiv feststehen, dass der militärische Dienst den Befehl erfordert, um die durch die Verfassung festgelegten Aufgaben der Bundeswehr zu erfüllen.

Bei der Beurteilung dessen, was der militärische Dienst insoweit "erfordert", steht den militärischen Vorgesetzten allerdings innerhalb des dargelegten rechtlichen Rahmens ein Beurteilungsspielraum zu. Dies ergibt sich daraus, dass die sachgerechte Erteilung eines militärischen Befehls besondere Fachkenntnisse und in aller Regel spezifische militärische Erfahrungen erfordert und dass damit notwendigerweise Wertungs- und Zweckmäßigkeitsentscheidungen verbunden sind, die sich mangels rechtlicher Vorgaben einer verbindlichen rechtlichen Beurteilung und Entscheidung entziehen. Der mit der militärischen Befehlsbefugnis insoweit gegebene Beurteilungsspielraum wird jedoch dann überschritten, wenn dessen rechtliche Grenzen nicht eingehalten werden. So darf bei der Befehlserteilung der militärische Vorgesetzte insbesondere keinesfalls verkennen oder außer Acht lassen, dass die Erteilung des Befehls - final - ausschließlich ("nur") zur Erfüllung der nach der Verfassung zulässigen Aufgaben der Bundeswehr erfolgen darf. Auf die Erreichung dieses Zweckes muss ein militärischer Befehl subjektiv angelegt sowie zudem hierfür auch objektiv geeignet und erforderlich sein. Es reicht nicht aus, dass der militärische Vorgesetzte sich lediglich subjektiv vorstellt und meint, der militärische Dienst erfordere den in Rede stehenden Befehl, um die nach der Verfassung zulässigen Aufgaben der Bundeswehr zu erfüllen. Vielmehr muss der Befehl auch in objektiver Hinsicht dieser Zielsetzung entsprechen.

Angesichts des insoweit klaren Wortlauts der Regelung des § 10 Abs. 4 SG ("nur" zu dienstlichen Zwecken) reicht es auch nicht aus, wenn der Befehl subjektiv darauf angelegt und objektiv dazu geeignet ist, (unter anderem) auch den nach der Verfassung zulässigen Aufgaben der Bundeswehr zu dienen. Eine "Vermischung" dienstlicher und nicht-dienstlicher Zwecksetzungen bei der Erteilung eines Befehls ist nach § 10 Abs. 4 SG ebenso unzulässig wie die bloße Vortäuschung eines dienstlichen Zweckes. Ob diese rechtlichen Anforderungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, bedarf näherer Prüfung für den jeweils in Rede stehenden Befehl.

Streitfragen darüber, ob die in § 10 Abs. 4 SG gezogene Grenze bei der Befehlsgebung im konkreten Einzelfall eingehalten oder überschritten worden ist, sind von den dafür zuständigen unabhängigen Gerichten zu entscheiden, deren Richterinnen und Richtern durch das Grundgesetz (Art. 92 GG ) "die Rechtsprechung" und damit die letztverbindliche Klärung strittiger Rechtsfragen "anvertraut" ist (vgl. dazu auch Urteil vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - NJW 2006, 77 [81]).

Die Abgrenzung, ob ein Befehl "nur zu dienstlichen Zwecken" im dargelegten Sinne erteilt worden ist oder nicht, kann im Einzelfall schwierig sein (so zu Recht Walz, in: Walz u.a., SG , aaO. § 11 Rn. 32). Daraus darf jedoch nicht abgeleitet werden, zur Vermeidung solcher Schwierigkeiten müsse der Regelungsgehalt des § 10 Abs. 4 SG in der Weise begrenzt werden, dass lediglich ein "zu privaten Zwecken" (z.B. der Einsatz von Personal und/oder Material zum privaten Hausbau eines Vorgesetzten) erteilter Befehl "nicht-dienstlicher" Natur und damit unzulässig sei. Ebenso wenig darf wegen der sich aus der Normtextfassung im Einzelfall unter Umständen ergebenden Auslegungs- und Abgrenzungschwierigkeiten unterstellt oder postuliert werden, durch die politische oder militärische Führung der Bundeswehr "allgemein (z.B. in den Verteidigungspolitischen Richtlinien, der Konzeption der Bundeswehr oder in einem Weißbuch) oder im Einzelfall" festgelegte "Aufträge der Streitkräfte" dienten "grundsätzlich dienstlichen Zwecken", und zwar auch "unabhängig von verfassungsrechtlichen Zweifeln, sofern sie nicht offenkundig gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstoßen" (so aber Sohm, in: Walz u.a., aaO. § 10 Rn. 70). Damit würde verkannt, dass nach dem insoweit eindeutigen Normtext des § 10 Abs. 4 SG Befehle ausnahmslos "nur zu dienstlichen Zwecken" erteilt werden dürfen. Diese in § 10 Abs. 4 SG verankerte Grenze der Befehlsbefugnis ist für jeden Vorgesetzten verbindlich. Jede, also nicht nur eine "offenkundige" Überschreitung dieser gesetzlichen Grenze ist dem einen (militärischen) Befehl erteilenden Vorgesetzten verboten.

Mithin ist davon auszugehen, dass ein militärischer Befehl ausschließlich dann "nur zu dienstlichen Zwecken" erteilt worden ist, wenn ihn der militärische Dienst erfordert, um die im Grundgesetz (für "Einsätze" oder für sonstige zulässige Verwendungen) normierten Aufgaben der Streitkräfte der Bundeswehr zu erfüllen.

Für die "Aufstellung" und den "Einsatz" der Bundeswehr enthält das Grundgesetz abschließende Regelungen. Die primäre Aufgabe der Bundeswehr ergibt sich aus Art. 87a GG , wonach der Bund Streitkräfte "zur Verteidigung" aufstellt (Abs. 1), die "außer zur Verteidigung ... nur eingesetzt werden dürfen, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt" (Abs. 2). Was nach dem Grundgesetz unter einem Fall der "Verteidigung" zu verstehen ist, lässt sich zum einen der Regelung über den "Verteidigungsfall" in Art. 115a GG , insbesondere aus ihrem Wortlaut ("Bundesgebiet [wird] mit Waffengewalt angegriffen" oder "ein solcher Angriff [droht] unmittelbar") und zum anderen aus ihrer Entstehungsgeschichte entnehmen (vgl. dazu u.a. Claus Arndt, DÖV 1992, 618 [619]; Bähr, Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Vereinten Nationen, in ZPR 1994, 91 m.w.N.). Da der Normtext des Art. 87a Abs. 1 und 2 GG von "Verteidigung", jedoch - anders als die im Gesetzgebungsverfahren zunächst vorgeschlagene Fassung (Antrag des Abgeordneten Matthöfer in der 79. Sitzung des Rechtsausschusses vom 4. April 1968 [5. Wahlperiode] S. 6 i.V.m. Anlage 1, S. 4, vgl. dazu auch Bähr, aaO., S. 91) - nicht von "Landesverteidigung" spricht und da zudem der verfassungsändernde Gesetzgeber bei Verabschiedung der Regelung im Jahr 1968 auch einen Einsatz im Rahmen eines NATO-Bündnisfalles unbestritten als verfassungsrechtlich zulässig ansah (vgl. dazu Claus Arndt aaO. S. 620 f.; Rieder, Die Entscheidung über Krieg und Frieden nach deutschem Verfassungsrecht, 1984, S. 348 ff.), ist davon auszugehen, dass "Verteidigung" alles das (abschließend) umfasst, was nach dem geltenden Völkerrecht zum Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen (UN-Charta), der die Bundesrepublik Deutschland wirksam beigetreten ist, zu rechnen ist (vgl. Urteil vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - NJW 2006, 77 [93] m.w.N.). Im Rahmen eines solchen "Einsatzes" wurde der im vorliegenden Verfahren in Rede stehende Befehl des Soldaten nicht erteilt.

Außer "zur Verteidigung" im dargelegten Sinne dürfen die Streitkräfte der Bundeswehr, wie die Verfassungsnorm des Art. 87a Abs. 2 GG zwingend bestimmt, nach "innen" und nach "außen", also im In- und im Ausland, des Weiteren nur "eingesetzt" werden, soweit dies das Grundgesetz "ausdrücklich" zulässt. Diese Regelung, die im Zuge der Einfügung der so genannten Notstandsverfassung in das Grundgesetz durch das Siebzehnte Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968 (BGBl I S. 709) geschaffen wurde, soll verhindern, dass für die Verwendung der Streitkräfte als Mittel der vollziehenden Gewalt "ungeschriebene Zuständigkeiten aus der Natur der Sache" abgeleitet werden (so ausdrücklich der Rechtsausschuss in seinem schriftlichen Bericht zum Entwurf einer Notstandsverfassung, BTDrucks IV/2873, S. 13; BVerfG, Urteil vom 15. Februar 2006 - 1 BvR 357/05 - [Rn. 93] NJW 2006, 751 ). Maßgeblich für die Auslegung und Anwendung des Art. 87a Abs. 2 GG ist daher nach dem Regelungszusammenhang und der Entstehungsgeschichte der genannten Verfassungsnorm(en) das Ziel, die Möglichkeiten für einen "Einsatz" der Bundeswehr durch das Gebot strikter Texttreue zu begrenzen. Dieses Ziel muss die Auslegung und Anwendung der Regelungen bestimmen, durch welche im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG der "Einsatz" der Streitkräfte (im In- und Ausland) im Grundgesetz außer zur Verteidigung "ausdrücklich" zugelassen wird (vgl. auch BVerfG, Urteil vom 15. Februar 2006 aaO. Rn. 94). Eine solche "ausdrücklich(e)" Zulassung durch den Verfassungsgeber ist für "Einsätze" (1.) in Art. 87a Abs. 3 GG für den "Verteidigungs- und Spannungsfall" zum "Schutz ziviler Objekte" und zur "Verkehrsregelung", (2.) in Art. 87a Abs. 4 GG für die Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim "Schutz von zivilen Objekten" und bei der "Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer" im Bundesgebiet bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 91 Abs. 2 GG sowie (3.) in Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG zur Hilfe bei einer "Naturkatastrophe" oder bei einem "besonders schweren Unglücksfall" im Bereich eines Bundeslandes (so genannter regionaler Katastrophennotstand) und (4.) in Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG zur Unterstützung der Polizeikräfte bei einer "Naturkatastrophe" oder bei einem "besonders schweren Unglücksfall" mit Auswirkungen für das Gebiet mehrer Bundesländer (so genannter überregionaler Katastrophennotstand) erfolgt. Der Organisationsbefehl des Soldaten kann solchen "Einsätzen" nicht zugerechnet werden.

Darüber hinaus dürfen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 - 2 BvE 3/92 u.a. - (BVerfGE 90, 286 , 346 ff., 349, 355 f. = NJW 1994, 2207 ) Streitkräfte der Bundeswehr auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 2 GG "eingesetzt" werden, soweit der Einsatz "im Rahmen" eines "Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit" und "nach den Regeln" dieses Systems erfolgt (krit. dazu im Hinblick auf das Gebot "strikter Texttreue": u.a. Lutz, Neue Justiz (NJ) 1994, 505; Zöckler, European Journal of International Law (EJIL) 1995, 274 [278 ff.]; Claus Arndt, NJW 1994, 2197; W. Schroeder, JuS 1995, 398 [402]), also insbesondere mit der UN-Charta vereinbar ist (vgl. Urteil vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - NJW 2006, 77 [81]). Ein Befehl, der diesen Anforderungen nicht genügt und diesen Rahmen nicht einhält, wird damit nicht "nur zu dienstlichen Zwecken" i.S.d. § 10 Abs. 4 SG erteilt. Auch einem solchen Einsatz kann der Organisationsbefehl des Soldaten vorliegend nicht zugeordnet werden.

Die Regelungen in Art. 87a Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 und 4, Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 sowie Art. 24 Abs. 2 GG beziehen sich allerdings lediglich auf den "Einsatz" der Streitkräfte der Bundeswehr. Zwar lässt sich dem Wortlaut der Vorschriften nicht unmittelbar entnehmen, ob mit "Einsatz" jede Art der Verwendung der Streitkräfte erfasst wird (so wohl Kersting, NZWehrr 1983, 64 [69]; zum Streit um den "Einsatz"-Begriff vgl. die Nachweise u.a. bei Lutze, NZWehrr 2001, 117 [118] und Wiefelspütz, Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte und der konstitutive Parlamentsvorbehalt, 2003, 32 ff. jeweils m.w.N.). Aus dem Regelungszusammenhang und insbesondere der Entstehungsgeschichte des Art. 87a GG ergibt sich jedoch, dass der Verfassungsvorbehalt des Absatz 2 lediglich "Einsätze" der Bundeswehr im Rahmen ihrer "Verwendung als Mittel der vollziehenden Gewalt" erfasst. Im Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses (BTDrucks V/2873 S. 13) heißt es insoweit zu der dann unverändert in das Grundgesetz aufgenommenen Regelung des Art. 87a Abs. 2 GG :

"Mit 'Verteidigung' ist hier nur die militärische Verteidigung (einschließlich der Ausbildung dafür) gemeint. Die Bestimmung beschränkt nur den 'Einsatz' der Streitkräfte, d.h. ihre Verwendung als Mittel der vollziehenden Gewalt. Verwendungen, die keinen Einsatz in diesem Sinne darstellen, z.B. zur freiwilligen Erntehilfe oder bei repräsentativen Anlässen, werden von dieser Bestimmung nicht berührt."

Bei "Einsätzen" nach Art. 87a Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 und 4, Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 sowie Art. 24 Abs. 2 GG geht es um die Inanspruchnahme der Streitkräfte der Bundeswehr als Teil der "vollziehenden Gewalt" im Sinne der Art. 20 Abs. 3 und Art. 1 Abs. 3 GG zum Zwecke der Gefahrenabwehr unter Androhung oder Inanspruchnahme hoheitlichen Zwangs. Die Regelungen des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG wurden nicht wegen der in Notsituationen erforderlichen technischen Hilfeleistungen der Bundeswehr in das Grundgesetz aufgenommen, sondern um Soldaten der Bundeswehr während dieser Zustände auch prinzipiell genuin polizeiliche Eingriffsmöglichkeiten und Zwangsbefugnisse gegenüber Störern einzuräumen (vgl. Claus Arndt, DVBl 1968, 729; Lenz, Notstandsverfassung des Grundgesetzes, 1971, Art. 35 Rn. 4; Lutze, aaO. S. 119) Der Verfassungsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG erfasst mithin (nur) solche Verwendungen, bei denen die Streitkräfte der Bundeswehr hoheitlichen Zwang einsetzen dürfen, wozu die Anwendung von Waffengewalt, Eingriffe in Rechte Dritter und die (bewaffnete) Bewachung von Objekten gehören.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats gehört zu den nach der Verfassung zulässigen Befugnissen der Streitkräfte der Bundeswehr auch die auf die Wahrnehmung zulässiger Aufgaben bezogene "Öffentlichkeitsarbeit" (vgl. u.a. Beschlüsse vom 16. November 1961 - BDH WB 1.61 und WB 27.61 - BDHE 6, 160 = NJW 1962, 1319 und vom 16. Februar 1967 - 1 (2) WB 73.64 - DVBl 1967, 738 = NZWehrr 1967, 128; Scherer/Alff, aaO. § 10 Rn. 47; Böttcher/Dau, WBO , 4. Aufl. 1997, § 1 Rn. 128; Sohm, in: Walz u.a. aaO., § 10 Rn. 66), die ihrerseits allerdings keinen "Einsatz" i.S.v. Art. 87a Abs. 2, i.V.m. Abs. 3 und 4, Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 sowie Art. 24 Abs. 2 GG darstellt.

Was unter dem Begriff der Öffentlichkeitsarbeit zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher definiert. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen, die sich mit den verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung befassten (u.a. BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 - 2 BvE 1/76 - BVerfGE 44, 125 ), keine nähere Bestimmung des Begriffs vorgenommen, sondern ihn implizit vorausgesetzt. Entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch und der Rechtsprechung der Wehrdienstsenate geht es bei der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr um eine Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Diese muss nach außen erkennbar auf die im Grundgesetz festgelegten und zugelassenen Aufgaben der Bundeswehr ausgerichtet sein. Dabei geht es vor allem um die Information über ihre verfassungsmäßigen Aufgaben und ihre Tätigkeit, die Beteiligung am öffentlichen Diskurs in einer pluralistischen Gesellschaft über bundeswehrrelevante Probleme und Themen, die Werbung um Zustimmung für die Art und Weise der Aufgabenerfüllung sowie um die Nachwuchsgewinnung. Die Öffentlichkeitsarbeit ist nach der Rechtsprechung der Wehrdienstsenate darauf gerichtet, der Öffentlichkeit einen "Einblick in das Leben der Truppe" zu vermitteln, die "Verbundenheit der Bundeswehr mit der Bevölkerung" zu pflegen sowie das "Verständnis und das Gefühl für die Mitverantwortung der Bevölkerung für die Aufgaben der Streitkräfte" zu wecken und zu festigen (vgl. Beschlüsse vom 16. November 1961 aaO., vom 16. Februar 1967 aaO., vom 10. Juni 1969 - BVerwG 1 WB 18.69 -, vom 20. September 1978 - BVerwG 2 WDB 26.76 - NZWehrr 1978, 224 und vom 24. August 1983 - BVerwG 1 WB 35.81 - BVerwGE 76, 110 = NZWehrr 1984, 76).

Diese Zweckbestimmung wird auch in den Richtlinien für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr vom 22. Dezember 1992 (VMBl. 1993 S. 54 i.d.F. vom 29. Oktober 1998 VMBl. S. 391) vorgenommen, die innerhalb des vom Grundgesetz gezogenen Rahmens die Grenzen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit konkretisieren. Darin ist festgelegt, dass es deren "Aufgabe" sei, "die Bevölkerung mit Bundeswehr und Bündnis vertraut zu machen" und "das Verständnis für Grundlagen und Ziele deutscher Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu fördern und zu festigen". Die "Zielpersonen und -gruppen" der "Öffentlichkeitsarbeit" der Bundeswehr sind in Nr. 4 dieser Richtlinien bestimmt: "insbesondere Lehrer, Bildungsinstitutionen, Jugendliche, Mandatsträger und in politischer Informations- und Bildungsarbeit tätige Verbände, Organisationen und Gruppen". In Nr. 5 der Richtlinien sind die "Inhalte" der "Presse- und Öffentlichkeitsarbeit" der Bundeswehr und in Nr. 7.2 die zulässigen "Maßnahmen" festgelegt.

Das im vorliegenden Verfahren von Anschuldigungspunkt 1 erfasste Verhalten des Soldaten, nämlich der Erlass des Organisationsbefehls vom 8. Mai 2001, diente nach den vorstehend dargelegten Maßgaben nicht der Öffentlichkeitsarbeit und war deshalb mit § 10 Abs. 4 SG nicht vereinbar. Der Organisationsbefehl wurde nicht "nur zu dienstlichen Zwecken" im dargelegten Sinne erteilt. Davon ist auch die Truppendienstkammer im angefochtenen Urteil (ohne Begründung) ausgegangen.

Im vorliegenden Fall kann dem Soldaten zwar nicht widerlegt werden, dass er subjektiv davon ausging, der von ihm mit seinem Organisationsbefehl vom 8. Mai 2001 angeordnete Einsatz von Soldaten und Material des Bataillons während des Historienspektakels 2001 am Standort P. sei "Dienst im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit" (vgl. Nr. 3a des Organisationsbefehls), weil es sich bei dem Historienspektakel 2001 "um eine Veranstaltung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit am Standort P." handele (Nr. 5 Satz 1 des Organisationsbefehls).

...

Außer Betracht gelassen hat der Soldat dabei jedoch, dass nicht jede Verwendung von Personal und Material der Bundeswehr, die eine positive Resonanz oder einen "Imagegewinn" in der Öffentlichkeit auslöst, damit zugleich den nach der Verfassung zulässigen Aufgaben der Bundeswehr dient und zudem geeignet und erforderlich ist, um diese Aufgaben erfüllen zu können. Würden etwa Einheiten der Bundeswehr außerhalb der in Art. 87a Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 und 4, Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 sowie Art. 24 Abs. 2 GG festgelegten Aufgaben auf Anordnung eines Bataillonskommandeurs oder anderer Vorgesetzter z.B. im Inland für Obdachlose Unterkünfte bauen, Bedürftige aus Bundeswehr-Suppenküchen versorgen oder würden Bundeswehrkrankenhäuser der Bevölkerung Sanitätsdienstleistungen in Gestalt einer unentgeltlichen Gesundheitsversorgung zur Verfügung stellen, könnte dies zwar möglicherweise eine positive Resonanz bei den Begünstigten oder auch in (Teilen) der allgemeinen Öffentlichkeit auslösen. Solche Aktivitäten der Bundeswehr und dem zugrunde liegende Befehle von Vorgesetzten würden jedoch im dargelegten Sinne nicht vom militärischen Dienst erfordert, um die im Grundgesetz festgelegten und zulässigen Aufgaben der Bundeswehr zu erfüllen. Denn es ist - außerhalb einer Zuständigkeit nach Art. 87a Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 und 4, Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 sowie Art. 24 Abs. 2 GG - objektiv nicht Aufgabe der Streitkräfte der Bundeswehr, aus den ihnen aufgrund der erfolgten spezifischen Mittelzuweisung im Bundeshaushalt zur Verfügung stehenden personellen und sachlichen Mitteln Bürgerinnen und Bürgern im Inland Unterkünfte, Verpflegung, Sanitäts- oder sonstige Dienstleistungen kostenfrei oder vergünstigt anzubieten und zu erbringen, sofern ihnen solche Aufgaben nicht durch Gesetz aufgetragen sind.

Die vom Soldaten befohlene "Unterstützung" des Historienspektakels, namentlich die unter den Nr. 3a und 4 angeordnete "Freistellung" der für den "freiwilligen Einsatz beim Historienspektakel" vorgesehenen Soldaten vom Dienst sowie die unter Nr. 3d angeordnete Verwendung von Dienstkraftfahrzeugen ("notwendige Transporte zur/von Freilichtbühne") dienten weder der Information der Öffentlichkeit über die Aufgaben und die Tätigkeit der Bundeswehr noch der Werbung um Zustimmung für die Art und Weise der Erfüllung der nach dem Grundgesetz zulässigen Aufgaben noch der Nachwuchsgewinnung. Mit diesem vom Soldaten angeordneten Einsatz von Soldaten und Material der Bundeswehr erfolgte auch keine Beteiligung am öffentlichen Diskurs in einer pluralistischen Gesellschaft über bundeswehrrelevante Probleme und Themen. Damit wurde auch keine den Streitkräften sonst im Rahmen der Verfassung durch Gesetz übertragene Aufgabe erfüllt.

Nach den vom Senat in der Berufungshauptverhandlung getroffenen Feststellungen erfolgte die am 8. November 2000 vorgenommene Gründung des dann vom Soldaten geführten privatrechtlichen Vereins "Historienspektakel P. e.V." bei der gebotenen objektiven Betrachtung deshalb, weil das im Jahre 2000 erstmals veranstaltete Historienspektakel mit ungedeckten Kosten von ca. 370 000 DM die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt P. überschritten hatte. Die Stadt P. war deshalb ihrerseits bestrebt, die organisatorische und finanzielle Verantwortung sowie damit auch die finanziellen Risiken an einen anderen Träger abzugeben. Es ging also darum, dass das Historienspektakel 2001 aus der Sicht der Stadt P. zwar stattfinden sollte, die dazu erforderlichen finanziellen Mittel jedoch von anderen Kostenträgern aufgebracht werden sollten. Da der privatrechtliche Verein "Historienspektakel P. e.V." seinerseits trotz des von der Stadt P. gewährten Darlehens möglicherweise nicht in der Lage sein würde, die Kosten des Historienspektakels P. 2001 aus eigenen Mitteln und mit Sponsorengeldern vollständig zu tragen, diente der durch den Organisationsbefehl des Soldaten vom 8. Mai 2001 angeordnete Einsatz von Material und Personal der Bundeswehr objektiv dazu, die personellen, organisatorischen und sachlichen Ressourcen der Bundeswehr dafür heranzuziehen und damit letztlich den vom Soldaten ehrenamtlich geführten privatrechtlichen Verein und die Stadt P. finanziell zu entlasten.

Es war jedoch bei der gebotenen objektiven Betrachtung unter keinem Gesichtspunkt erkennbar, dass der angeordnete Einsatz von Soldaten und Material des Bataillons geeignet und erforderlich war, um eine der durch das Grundgesetz festgelegten Aufgaben der Bundeswehr nach Art. 87a Abs. 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 und 4, Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 sowie Art. 24 Abs. 2 GG oder eine sonst nach dem Grundgesetz zulässige Aufgabe zu erfüllen. Ersichtlich war, dass der Soldat als Standortältester und Bataillonskommandeur dafür sorgte, dass Soldaten und Material des Bataillons dem Verein "Historienspektakel P. e.V." hilfreich zur Verfügung gestellt wurden, um die Durchführung des Historienspektakels 2001 finanziell und organisatorisch zu ermöglichen. Öffentlichkeitsarbeit war die vom Soldaten angeordnete Inanspruchnahme von Personal und Material der Bundeswehr nicht allein deshalb, weil mit dem Organisationsbefehl nach Angaben des Soldaten von ihm (und möglicherweise auch anderen) beabsichtigt war, die Verbundenheit des von ihm kommandierten Bataillons mit der Bevölkerung am Standort P. zu pflegen und weil sein Vorgehen in (Teilen) der Öffentlichkeit auf positive Resonanz stieß. Diese Verbundenheit konnten er in eigener Person und auch Soldaten des Bataillons außerhalb ihres Dienstes und außerhalb ihrer Dienstzeit durch Beteiligung am Historienspektakel 2001 in P. in der ihnen angemessen erscheinenden Weise zum Ausdruck bringen. Der Soldat hatte jedoch kraft seiner Stellung als Standortältester und Bataillonskommandeur kein Recht und keine Befugnis, darüber hinaus auch den Einsatz von Personal und Material der Bundeswehr oder die Gewährung von Dienstzeitausgleich für Einsätze während der Dienstzeit anzuordnen. Es fehlte insoweit an einer hinreichenden Ausrichtung auf die im Grundgesetz festgelegten und danach zulässigen Aufgaben der Bundeswehr.

Der Soldat verstieß mit dem Erlass des in Rede stehenden Organisationsbefehls auch insoweit gegen § 10 Abs. 4 SG , als er die für sein Handeln einschlägigen Dienstvorschriften nicht beachtete.

Für die Heranziehung und Verwendung von Personal und Material der Bundeswehr im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit hat das Bundesministerium der Verteidigung die näheren Voraussetzungen in folgenden Erlassen geregelt und festgelegt:

- "Richtlinien für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr" vom 22. Dezember 1992 (VMBl. 1993 S. 54) i.d.F. vom 29. Oktober 1998 (VMBl. S. 391)

- "Richtlinien für den dienstlichen Einsatz von Soldaten während öffentlicher oder privater Veranstaltungen Dritter im Interesse der Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen" vom 31. Mai 1977 (VMBl. S. 226)

- Erlass "Patenschaften von Einheiten und Verbänden mit Städten und Gemeinden" vom 24. September 1981 (VMBl. S. 329)

- "Richtlinien für die unentgeltliche Veräußerung und unentgeltliche Überlassung zur Nutzung von Bundeswehrmaterial an Stellen außerhalb der Bundeswehrverwaltung" vom 20. April 1972 (VMBl. S. 252) i.d.F. vom 15. Januar 1979 (VMBl. S. 31).

Der vom Soldaten mit seinem Organisationsbefehl vom 8. Mai 2001 im vom Senat festgestellten Umfang befohlene Einsatz von Material und Personal der Bundeswehr für das von dem von ihm geführten privatrechtlichen Verein veranstalte Historienspektakel 2001 in P. war bereits mit der in Nr. 1 der "Richtlinien für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr" festgelegten Zweckbestimmung der "Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr" nicht vereinbar. In dieser Regelung ist als deren Aufgabe festgelegt, "die Bevölkerung mit Bundeswehr und Bündnis vertraut zu machen und das Verständnis für Grundlagen und Ziele deutscher Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu fördern und zu festigen". Es ist nicht ersichtlich, inwiefern durch den vom Soldaten befohlenen Einsatz von Personal und Material der Bundeswehr "das Verständnis für Grundlagen und Ziele deutscher Sicherheits- und Verteidigungspolitik" gefördert oder gefestigt werden konnte. Die "Grundlagen und Ziele deutscher Sicherheits- und Verteidigungspolitik" waren weder Gegenstand noch Inhalt des Historienspektakels 2001 in P.. Bei diesem ging es allein um die Darstellung von Schlüsselszenen der Stadtgeschichte von P. in einzelnen Bildern.

Nicht vereinbar war der vom Soldaten im Organisationsbefehl angeordnete Einsatz von Personal und Material der Bundeswehr auch mit Nr. 7.2 21. Spiegelstrich dieser Richtlinien. Darin ist festgelegt, dass im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit "dienstliche Einsätze von Soldaten während öffentlicher oder privater Veranstaltungen Dritter" nur "gemäß den hierzu erlassenen Richtlinien (VMBl. 1977 S. 226) in der jeweils gültigen Fassung" zulässig sind. Die Vorgaben jener in Bezug genommenen Richtlinien wurden nicht eingehalten. ...

Der mit dem Organisationsbefehl vom Soldaten angeordnete dienstliche Einsatz von Soldaten verstieß auch gegen Nr. 3 Satz 1 und 2 dieser "Richtlinien für den dienstlichen Einsatz von Soldaten während öffentlicher oder privater Veranstaltungen Dritter im Interesse der Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen". Danach ist der dienstliche Einsatz nicht zulässig, "wenn sich die Truppe nicht in ihren Funktionen und Aufgaben darstellt." (Satz 1). Insbesondere ist dies - wie hier - dann der Fall (Satz 2), wenn "der Einsatz in der Leistung einfacher Hilfs-/Arbeits-/Handlangerdienste besteht" (1. Spiegelstrich) bzw. wenn er "dem Herrichten und Aufräumen von Festplätzen ... sowie vergleichbaren Tätigkeiten gilt" (2. Spiegelstrich).

Die vom Soldaten befohlene Inanspruchnahme von Personal und Material der Bundeswehr war ferner - zusätzlich - mit Nr. 3 Satz 3 dieser "Richtlinien für den dienstlichen Einsatz von Soldaten während öffentlicher oder privater Veranstaltungen Dritter im Interesse der Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen" unvereinbar. Nach dieser Regelung ist der dienstliche Einsatz nicht zulässig, wenn (1. Spiegelstrich) "während des Einsatzes keine Zuschauer zugegen sind oder nur eine kleine Gruppe der Bevölkerung die Tätigkeiten der Soldaten beobachten kann" oder (2. Spiegelstrich) "der Einsatz in der Übernahme von Material- oder Personentransporten für Dritte besteht" (ausgenommen sind die im Rahmen eines dienstlichen Einsatzes erforderlichen Transporte von Soldaten und Bundeswehrmaterial).

Der Soldat hielt auch nicht die Vorgaben ein, die im "Erlass über Patenschaften von Einheiten und Verbänden mit Städten und Gemeinden" festgelegt sind. ...

Der Soldat handelte beim Erlassen seines Organisationsbefehls bewusst fahrlässig.

Ihm kann nicht nachgewiesen werden, dass er vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung, gegen § 10 Abs. 4 SG verstieß. Ein direkter Vorsatz ("dolus directus") scheidet mangels konkreter Anhaltspunkte ersichtlich aus. Davon ist auch der Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts aufgrund des Ergebnisses der Berufungshauptverhandlung ausgegangen. Aber auch ein bedingter Vorsatz ("dolus eventualis") lässt sich hinsichtlich des vom Anschuldigungspunkt 1 erfassten Sachverhaltes dem Soldaten nicht mit der erforderlichen Sicherheit und Gewissheit nachweisen.

Ein bedingt vorsätzlich Handelnder hält die in Rede stehende Tatbestandsverwirklichung für möglich und ist mit dem Eintreten des Erfolges in dem Sinne einverstanden, dass er ihn billigt oder zumindest billigend in Kauf nimmt (Urteil vom 17. Februar 2004 - BVerwG 2 WD 15.03 - NVwZ-RR 2006, 553 = DokBer 2004, 278 mit weiteren Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit, vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 23. Juni 1983 - 4 StR 293/83 - NStZ 1984, 19 und Urteil vom 25. November 1987 - 3 StR 449/87 - NStZ 1988, 175 sowie die Nachweise u.a. bei Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB , 26. Aufl. 2001, § 15 Rn. 81a und 83; Tröndle/Fischer, StGB , 53. Aufl. 2006 § 15 Rn. 10 a). Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Täter mit dem von ihm für möglich gehaltenen Erfolg ausdrücklich oder konkludent einverstanden ist, sondern auch dann, wenn er sich mit einem an sich unerwünschten, aber notwendigerweise eintretenden Erfolg um seines erstrebten Zieles willen abfindet (vgl. dazu u.a. Urteil vom 17. Februar 2004 aaO.; BGH, Urteile vom 22. April 1955 g.K. u.a. - 5 StR 35/55 - BGHSt 7, 363 [369], vom 4. November 1988 g.B. - 1 StR 262/88 - BGHSt 36, 1 [9] und vom 14. Juli 1994 - 4 StR 335/94 - NStZ 1994, 584 ; Tröndle/Fischer, aaO. m.w.N.). Ausreichend ist, wenn dem Täter der als möglich erkannte Handlungserfolg gleichgültig ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1994 g.M. - 2 StR 449/94 - BGHSt 40, 304 [306]; Tröndle/Fischer, aaO.; Cramer/Sternberg-Lieben, aaO. Rn. 84, 86 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 - BVerwGE 119, 76 = NZWehrr 2005, 122). Zur Feststellung dieser Voraussetzungen ist eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Tatumstände geboten (vgl. Urteil vom 17. Februar 2004 aaO.; BGH, Urteil vom 4. November 1988 aaO. S. 10). Ist der Täter mit der als möglich erkannten Folge seines Handelns nicht einverstanden und vertraut er deshalb auf ihren Nichteintritt, liegt lediglich (bewusste) Fahrlässigkeit vor (vgl. die Nachweise zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Tröndle/Fischer, aaO. Rn. 9).

Nach diesen Maßgaben hat sich vorliegend nicht feststellen lassen, dass der Soldat mit dem Taterfolg (Befehlserteilung nicht "nur zu dienstlichen Zwecken" und unter Nichtbeachtung der Dienstvorschriften entgegen seiner Dienstpflicht nach § 10 Abs. 4 SG ) einverstanden oder diesen als mögliche Folge seines Verhaltens hinzunehmen bereit war oder dass ihm eine als möglich erkannte Verletzung des genannten Tatbestandes gleichgültig war. ...

Da mithin davon auszugehen ist, dass der Soldat zum Tatzeitpunkt der - irrtümlichen - Auffassung war, zum Erlassen dieses Organisationsbefehls im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr unter Beachtung der einschlägigen Erlasse berechtigt zu sein, fehlte ihm bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun (§ 17 StGB analog). Er befand sich damit in einem Verbotsirrtum, der für ihn allerdings vermeidbar war. ...

bbb) Verstoß gegen die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG )

Der Soldat hat mit dem Erlassen des Organisationsbefehls vom 8. Mai 2001 auch gegen seine Pflicht zum treuen Dienen verstoßen. Davon ist auch die Truppendienstkammer (ohne nähere Begründung) zu Recht ausgegangen.

Die in § 7 SG normierte allgemeine Pflicht zum "treuen Dienen", die durch die in den §§ 8 ff. SG aufgestellten Dienstpflichten ihre speziellere gesetzliche Ausformung erhalten hat und durch diese in deren Anwendungsbereich konkretisiert wird, gebietet jedem Soldaten, seine Dienstpflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal gegenüber dem Dienstherrn zu erfüllen sowie innerhalb und außerhalb des Dienstes mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften dazu beizutragen, dass die Streitkräfte der Bundeswehr ihre durch die Verfassung festgelegten Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen können, sowie alles zu unterlassen, was diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in unzulässiger Weise schwächen könnte. Sie kommt freilich bei der Prüfung von Dienstpflichtverletzungen nur insoweit zur Anwendung, als die ihr in den §§ 8 ff. SG normierten Dienstpflichten für ihren jeweiligen Anwendungsbereich nicht als speziellere Vorschrift vorgehen. Zu der in § 7 SG für jeden/jede Soldaten/in normierten Pflicht zum treuen Dienen gehört namentlich, in loyaler Weise alles Erforderliche zu veranlassen und zu unternehmen, damit Personal und Material der Bundeswehr nur zu dienstlichen Zwecken in Anspruch genommen werden. Denn die Bundeswehr kann den ihr erteilten Aufgabenzuweisungen nur dann entsprechen, wenn einerseits ihre Angehörigen, ihr Gerät und ihre Mittel jederzeit präsent und voll einsatzfähig sind und andererseits das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen sind. Dazu gehören neben den Pflichten zur Anwesenheit u.a. auch der sorgsame Umgang mit dienstlich anvertrauten Sachgütern, eine gewissenhafte Dienstleistung sowie die Verpflichtung zur Loyalität zur geltenden Rechtsordnung (Urteile vom 28. September 1990 - BVerwG 2 WD 27.89 - BVerwGE 86, 321 [326], vom 28. Januar 2004 - BVerwG 2 WD 13.03 - BVerwGE 120, 105 [107], vom 22. März 2006 - BVerwG 2 WD 7.05 - DokBer 2006, 274 jeweils m.w.N.). Das Erlassen eines Befehls, der den Einsatz von Personal und Material der Bundeswehr zu nicht-dienstlichen Zwecken bewirkt oder fördert, ist damit nicht vereinbar. Insoweit geht der Anwendungsbereich des § 7 SG über denjenigen des § 10 Abs. 4 SG , der spezifische rechtliche Grenzen der Befehlsgebung normiert, hinaus.

Diese Dienstpflicht hat der Soldat mit dem Erlassen seines Organisationsbefehls dadurch verletzt, als er einerseits zwar verbal von einem "freiwilligen Einsatz" von Soldaten des Bataillons ausging, andererseits jedoch in seiner dienstlichen Eigenschaft als Standortältester und Bataillonskommandeur seinen Untergebenen pauschalisierend den "Auftrag" (Nr. 2) erteilte, das Historienspektakel 2001 "durch die Abstellung von Personal und Material gemäß Absprache StOÄ und Produzent" zu unterstützen. Dies trug entscheidend dazu bei, dass bei den Angehörigen des Bataillons der Eindruck entstehen konnte und entstand, bei der Mitwirkung von Soldaten am Historienspektakel 2001 handele es sich um "Dienst". ...

Aus den oben in anderem Zusammenhang dargelegten Gründen handelte der Soldat dabei zwar nicht vorsätzlich, jedoch fällt ihm bewusste Fahrlässigkeit zur Last.

ccc) Verstoß gegen § 11 Abs. 1 SG

Entgegen der Auffassung des Vertreters des Bundeswehrdisziplinaranwaltes verstieß der Soldat mit der dargelegten Nichtbeachtung der "Richtlinien für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr", der "Richtlinien für den dienstlichen Einsatz von Soldaten während öffentlicher oder privater Veranstaltungen Dritter im Interesse der Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen" sowie des Erlasses "Patenschaften von Einheiten und Verbänden mit Städten und Gemeinden" nicht gegen seine Gehorsamspflicht nach § 11 Abs. 1 SG . Denn bei diesen Erlassen bzw. Richtlinien handelte es sich nicht um "Befehle" im Rahmen eines militärischen Vorgesetzten/Untergebenen-Verhältnisses. Vorgesetzter ist gemäß § 1 Abs. 5 SG nur derjenige, der befugt ist, einem Soldaten Befehle zu erteilen. Für militärische Vorgesetzte ist diese Befugnis aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in der Vorgesetztenverordnung (VorgV) näher geregelt. Der Bundesminister der Verteidigung ist - unabhängig von den Regelungen der VorgV - in seiner Eigenschaft als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt nach Art. 65a GG oberster Vorgesetzter aller Soldaten. Diese Befehls- und Kommandogewalt, bei deren Ausübung er im Verhinderungsfall durch den zuständigen Staatssekretär vertreten wird (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 10. Januar 1973 - BVerwG 1 WB 1.72 - BVerwGE 46, 55 ), kann der Bundesminister der Verteidigung nicht auf sonstige Angehörige seines Ministeriums oder Dritte delegieren (vgl. dazu u.a. Quaritsch, VVDStRL 26 (1968), 207 [241]; Hernekamp, in: von Münch/Kunig, GG , Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 65a, Rn. 25 m.w.N.). Im Bundesministerium der Verteidigung tätige Beamte und Soldaten haben keine Befugnis zum Erteilen von "Befehlen" i.S.v. § 2 Nr. 2 WStG . Sie sind lediglich berechtigt, im Rahmen ihres vom Minister abgeleiteten "innerbehördlichen Mandats", das durch die Zeichnung "im Auftrag" kundgetan wird, verbindliche Anordnungen (auch im Außenverhältnis) zu treffen; ihre Befugnis reicht jedoch nicht aus, jene unmittelbare Vorgesetzten/Untergebenen-Beziehung herzustellen, die § 2 Nr. 2 WStG voraussetzt. Art. 65a GG bestimmt, dass (allein) der Bundesminister der Verteidigung die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte "hat". Ausnahmen davon - sieht man von der Regelung für den Verteidigungsfall nach Art. 115b GG ab - lässt die verfassungsrechtliche Regelung nicht zu. Darin unterscheidet sich Art. 65a GG von der Vorschrift des Art. 65 Satz 2 GG , die es dem jeweiligen Ressortminister - und damit außerhalb der Befehls- und Kommandogewalt auch dem BMVg - erlaubt, eigene Befugnisse "nach unten abzugeben" (vgl. dazu u.a. Hernekamp, in: von Münch/Kunig, aaO. Rn. 25 m.w.N.). Die vorgenannten Erlasse bzw. Richtlinien sind nicht vom Bundesminister der Verteidigung oder seinem Vertreter im Amt erlassen worden. Sie sind weder vom Minister persönlich noch von dem zuständigen Staatssekretär, sondern unter der Bezeichnung "Bundesministerium der Verteidigung" von Bediensteten des Ministeriums ("IPStab-ÖA - Az 01-54-15", "Fü S I 5 - Az 35-30-01", "InfoStab/ÖA - Az 01-54-00") unterzeichnet worden, die jedoch in dieser dienstlichen Stellung Soldaten keine Befehle erteilen können und dürfen, weil sie weder militärische Vorgesetzte i.S.d. VorgV (auch nicht nach § 2 oder § 3 VorgV) sind noch die Befehls- und Kommandogewalt nach Art. 65a GG direkt gegenüber Soldaten ausüben können.

Der Soldat verstieß jedoch mit dem Erlassen seines Organisationsbefehls gegen Nr. 301 ZDv 43/2 und verletzte dadurch seine Gehorsamspflicht nach § 11 Abs. 1 SG . Die vom Bundesminister der Verteidigung bzw. seinem Vertreter im Amt in seiner Eigenschaft als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte (Art. 65a GG ) erlassene Regelung der Nr. 301 Abs. 1 ZDv 43/2, wonach Dienstfahrzeuge "grundsätzlich nur zu dienstlichen Zwecken einzusetzen" sind, soweit keine der Ausnahmen nach den Nr. 401 bis 437 ZDv 43/2 vorliegt, erfüllt die begrifflichen Voraussetzungen eines "Befehls" (stRspr, vgl. zuletzt u.a. Urteile vom 2. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 42.02 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 7 = NZWehrr 2004, 34, vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 2 WD 15.04 - m.w.N. und vom 13. September 2005 - BVerwG 2 WD 31.04 - DÖV 2006, 913 ).

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SG muss jeder Soldat der Bundeswehr seinen Vorgesetzten gehorchen. Er hat ihre Befehle gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 SG nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen. Die Pflicht zum Gehorsam gehört zu den zentralen Dienstpflichten eines jeden Soldaten (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 14. November 1991 - BVerwG 2 WD 12.91 - BVerwGE 93, 196 [199], vom 3. August 1994 - BVerwG 2 WD 18.94 - NZWehrr 1995, 211, vom 4. Juli 2001 - BVerwG 2 WD 52.00 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 46 = NZWehrr 2002, 76, vom 2. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 47.02 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 8 = NZWehrr 2004, 80 und vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - NJW 2006, 77 [80]).

Ob eine vom BMVg (oder im Vertretungsfall von seinem Vertreter im Amt) als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt nach Art. 65a GG und damit als Vorgesetzter erlassene Dienstvorschrift einen Befehl i.S.d. § 11 Abs. 1 SG darstellt, muss jeweils konkret festgestellt werden. Dabei kommt es darauf an, ob die jeweilige Regelung für den in Rede stehenden Anwendungsbereich eine verbindliche Weisung an Untergebene mit Gehorsamsanspruch enthält (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 17. April 1975 - BVerwG 2 WD 36.74 -, vom 23. November 1989 - BVerwG 2 WD 50.86 - BVerwGE 86, 218 = NZWehrr 1990, 119 [insoweit nicht veröffentlicht], vom 2. April 2003 - BVerwG 2 WD 21.02 - Buchholz 236.1 § 29 SG Nr. 5 = ZBR 2004, 359 = NVwZ 2004, 497 [insoweit nicht veröffentlicht] und vom 13. September 2005 aaO.). Voraussetzung ist stets, dass die betreffende Einzelregelung der Dienstvorschrift von Soldaten ein bestimmtes Verhalten in Gestalt eines zu vollziehenden konkreten Gebotes oder eines zu beachtenden konkreten Verbotes fordert. Der Untergebene muss der in der Dienstvorschrift getroffenen Regelung an Hand ihres objektiven Erklärungsgehalts ohne einen vernünftigen Zweifel entnehmen können, wie er sich in dem von der Regelung erfassten Fall konkret zu verhalten hat. Wird in der Dienstvorschrift allerdings ein Verhalten für eine Situation oder Lage in der Weise gefordert, dass deren Feststellung dem Untergebenen selbst überlassen wird, handelt es sich nicht um einen Befehl, sondern um eine Richtlinie (vgl. dazu auch Scherer/Alff, aaO. § 10 Rn. 42). Jedoch liegt eine Weisung zu einem bestimmten Verhalten mit Anspruch auf Gehorsam und damit ein Befehl dann vor, wenn das geforderte Verhalten zwar hinsichtlich der Art der Ausführung dem Untergebenen Dispositionsfreiheit lässt, jedoch den Rahmen so eindeutig bestimmt, dass der durch den mit dem erteilten Auftrag zu erreichende Zweck konkret festgelegt ist. Der Anspruch auf Gehorsam des Untergebenen hinsichtlich des von ihm geforderten Verhaltens muss dabei eindeutig erkennbar sein. Der Untergebene darf - gerade auch im Hinblick auf die möglichen strafrechtlichen Folgen des Ungehorsams eines Soldaten (§§ 19 ff. WStG ) - nicht im Unklaren darüber gelassen werden, welches konkrete Tun oder konkrete Unterlassen von ihm verlangt wird.

Nr. 301 ZDv 43/2 bestimmt im dargelegten Sinne ausdrücklich, dass Dienstfahrzeuge nur zu dienstlichen Zwecken einzusetzen sind, - abgesehen von Ausnahmen (Nr. 401 bis 437), die hier nicht einschlägig sind. Das von dem jeweiligen Soldaten geforderte Verhalten hinsichtlich des Einsatzes eines Dienstfahrzeuges wird durch den Rahmen, der durch den zu erreichenden dienstlichen Zweck festgelegt ist, hinreichend bestimmt. Erfolgt ein Befehl zum Einsatz des Dienstfahrzeuges nicht zu einem dienstlichen Zweck, so ist dies für den betreffenden Soldaten unmittelbar verboten. Dies war aus den oben in anderem Zusammenhang dargelegten Gründen hier der Fall. Indem der Soldat mit seinem in Rede stehenden Organisationsbefehl vom 8. Mai 2001 u.a. den Einsatz von Dienstfahrzeugen ("notwendige Transporte zur/von Freilichtbühne", vgl. Nr. 3d) zur Unterstützung des von dem von ihm geleiteten privatrechtlichen Verein geplanten Historienspektakels 2001 anordnete, missachtete er die Dienstvorschrift der Nr. 301 ZDv 43/2 und verletzte damit seine Gehorsamspflicht nach § 11 Abs. 1 SG .

Da ihm jedoch auch insoweit ein vorsätzliches Handeln nicht nachzuweisen ist und da er sich in einem vermeidbaren Verbotsirrtum befand, handelte er fahrlässig.

ddd) Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG

Dagegen hat der Senat einen Verstoß des Soldaten gegen die Pflicht zur innerdienstlichen Achtungs- und Vertrauenswahrung (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG ) nicht feststellen können. ...

bb) Anschuldigungspunkt 2 (Befehl zum Einsatz des FKM 20 to-Krans)

...

cc) Anschuldigungspunkt 3 (Befehl zum Abstellen eines Arbeitskommandos der 2./ABCAbwBtl 805 für den Aufbau des historischen Dorfs

aaa) Verstoß gegen § 10 Abs. 4 SG

Mit seinem von Anschuldigungspunkt 3 erfassten Verhalten hat der Soldat ebenfalls gegen seine dienstliche Pflicht verstoßen, Befehle "nur zu dienstlichen Zwecken" und "nur unter Beachtung ... der Dienstvorschriften" zu erteilen. Denn der Einsatz personeller und sachlicher Mittel der Bundeswehr zugunsten des von dem Soldaten ehrenamtlich geführten Vereins im Zusammenhang mit dem Historienspektakel 2001 in P. erfolgte aus den oben zu Anschuldigungspunkt 1 dargelegten Gründen nicht zu dienstlichen Zwecken und nicht unter Beachtung der oben zitierten einschlägigen Erlasse bzw. Richtlinien des Bundesministeriums der Verteidigung. Dies gilt auch für den am 13./14. September 2001 vom Soldaten angeordneten Einsatz eines Arbeitskommandos für den Transport der Hütten für das "historische Dorf" sowie von "Bierzeltgarnituren".

Der Soldat konnte sich bei seinem Handeln nicht auf die Ermächtigungsgrundlage des Art. 35 Abs. 1 GG stützen, wonach alle Behörden des Bundes und der Länder sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe leisten. Amtshilfe (und Rechtshilfe) sind der ergänzende Beistand einer Behörde auf Ersuchen einer anderen, um die Durchführung öffentlicher Aufgaben der ersuchenden Behörde zu ermöglichen oder zu erleichtern. Ein solcher Fall liegt hier schon deshalb nicht vor, weil die vom Soldaten am 13./14. September 2001 befohlenen und veranlassten Unterstützungsleistungen allein der technischen und organisatorischen Vorbereitung des Historienspektakels 2001 dienten, das nicht von einer Behörde, sondern von dem vom Soldaten als Vorsitzenden geführten privatrechtlichen Verein "Historienspektakel P. e.V." in eigener Verantwortung veranstaltet und durchgeführt wurde. Im Übrigen ist Art. 35 Abs. 1 GG - unabhängig davon - keine Ermächtigungsgrundlage, die die Handlungs- und Eingriffsbefugnisse der beteiligten Behörden (einschließlich der Streitkräfte der Bundeswehr) erweitert (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 15. Januar 1970 - 1 BvR 13/68 - BVerfGE 27, 344 [352]; Gubelt, in: von Münch/Kunig, aaO. Art. 35 Rn. 1; Magen, in: Umbach/Clemens, GG , Bd. 1, Art. 35 Rn. 22 und 28 m.w.N.). Dies bedeutet, dass sich die ersuchte Behörde hinsichtlich des von ihr erbetenen Handelns nach dem für sie geltenden Recht auf eine Ermächtigungsgrundlage stützen können muss, die die Amtshilfehandlung - unterstellt, sie diente der Erfüllung einer eigenen Aufgabe - rechtfertigen würde. Dies ist aber, wie dargelegt, hier gerade nicht der Fall.

Der Soldat kann sich zur Rechtfertigung des von ihm am 13./14. September 2001 befohlenen und dann auch stattgefundenen Einsatzes von Personal und Material der Streitkräfte der Bundeswehr zum Transport und Aufbau der "Hütten" für das historische Dorf sowie von "Bierzeltgarnituren" nicht darauf stützen, dass im Zuständigkeitsbereich der Einleitungsbehörde(n) ... Soldaten der Bundeswehr "bei der Kuttersegel-Europameisterschaft eine Woche die sanitäre Betreuung (hier: Duschen der Teilnehmer) zu gewährleisten" gehabt hätten und "laut Information des Nachrichtenmagazins 'Stern' in Nummer 41 aus dem Jahre 2003 ... im Oktober 2002 in S. Mannschaften der dort stationierten Bundeswehreinheit zum Rasentrocknen eingesetzt wurden, wobei ein Hubschrauber vom Typ CH 53 das regennasse Spielfeld immer wieder in knapper Höhe überflog, um durch die Luftverwirbelungen den Platz vom Wasser zu befreien". Gleiches gilt hinsichtlich der von ihm behaupteten "dienstlichen" Teilnahme von Soldaten der Bundeswehr bei der Versorgung von Teilnehmern eines Marathonlaufes in B. mit Getränken. Sollte es im Dienstbetrieb der Bundeswehr in den vom Soldaten angeführten Beispielsfällen oder anderweitig tatsächlich zu Verstößen gegen gesetzlich normierte Dienstpflichten, Dienstvorschriften oder Erlasse des Bundesministeriums der Verteidigung gekommen sein, bedürften diese Vorfälle jeweils einer eigenständigen konkreten dienstrechtlichen Betrachtung und Würdigung. ... Unabhängig davon könnte der Soldat aus anderweitigen dienstrechtlichen Verstößen im Zusammenhang mit den von ihm angeführten Fällen im vorliegenden Verfahren für sich nicht ein Recht herleiten, wonach er deshalb von den oben im Einzelnen dargelegten rechtlichen Begrenzungen seiner Befehlsbefugnisse in § 10 Abs. 4 SG entbunden wäre ("keine Gleichbehandlung im Unrecht"). ...

c) Maßnahmebemessung

Auch unter Berücksichtigung dessen, dass das festgestellte zweifache Fehlverhalten des Soldaten sich bereits im Jahre 2001 ereignete und damit nunmehr schon fünf Jahre zurückliegt und dass der Soldat zwischenzeitlich nicht unerhebliche persönliche Nachteile für seine soldatische Laufbahn hinnehmen musste, ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass auf eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme in Gestalt einer Gehaltskürzung von einem Zehntel für die Dauer von einem Jahr nicht verzichtet werden kann. ...

Die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens des Soldaten bemessen sich nach dem Unrechtsgehalt der Dienstpflichtverletzung. Danach wiegt das Fehlverhalten des Soldaten schwer.

Die Erteilung eines Befehls zu nicht-dienstlichen Zwecken ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats regelmäßig ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen eine zentrale Dienstpflicht eines Vorgesetzten. Denn die Einhaltung der durch § 10 Abs. 4 SG gezogenen Grenzen seiner Befehlsbefugnis gehört zu seinen wesentlichen soldatischen Pflichten. Dies gilt unabhängig davon, ob mit der Erteilung des Befehls, für den der Vorgesetzte in jedem Fall nach § 10 Abs. 5 SG die Verantwortung trägt, im Einzelfall zugleich ein Straftatbestand, etwa nach § 32 WStG ("Missbrauch der Befehlsbefugnis zu unzulässigen Zwecken"), verwirklicht wurde oder nicht. Die strikte Beachtung dieser Begrenzung der Befehlsbefugnis eines militärischen Vorgesetzten ist im demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes von fundamentaler Bedeutung, und zwar sowohl im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Stellung der bewaffneten Streitkräfte, die als Teil der vollziehenden Gewalt gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in jeder Hinsicht an Recht und Gesetz gebunden sind, als auch im Hinblick auf die durch Art. 1 Abs. 3 GG gebotene Beachtung der Grundrechte der (als Untergebene) betroffenen Soldaten. Denn der besondere Unrechtsgehalt einer Überschreitung der Grenzen der Befehlsbefugnis kommt auch darin zum Ausdruck, dass der militärische Vorgesetzte mit einem solchen Befehl Untergebene in eine äußerst schwierige Situation bringt. Diese sind nach § 11 Abs. 1 SG grundsätzlich verpflichtet, ihrem Vorgesetzten zu gehorchen (Satz 1) und ihnen erteilte Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen (Satz 2). Sie sind zwar berechtigt, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 SG einen ihnen - nicht zu dienstlichen Zwecken - erteilten Befehl oder aus vergleichbar schwerwiegenden anderen Gründen nicht zu befolgen (vgl. dazu Urteil vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - NJW 2006, 77 [80 f.]). Dabei besteht für untergebene Soldaten in der Praxis aber meist die Schwierigkeit, bei Entgegennahme eines Befehls nicht immer hinreichend sicher entscheiden zu können, ob die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 SG oder ein anderer Grund, der sie von der Gehorsamspflicht entbindet, im konkreten Fall wirklich vorliegen oder nicht. Damit ist ein Untergebener in einem solchen Fall angesichts der Strafandrohung im Falle des Nichtbefolgens eines (verbindlichen) militärischen Befehls (Gehorsamsverweigerung nach § 20 WStG , Ungehorsam nach § 19 WStG ) erheblichen Risiken ausgesetzt. Ein Irrtum über das Vorliegen der Voraussetzungen der genannten Vorschrift befreit ihn lediglich unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. etwa § 11 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 SG ) von seiner strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Verantwortlichkeit. Ein militärischer Vorgesetzter, der Untergebene in eine solche Situation bringt, handelt damit in grobem Maße pflichtwidrig (vgl. dazu u.a. Urteil vom 19. September 2001 - BVerwG 2 WD 9.01 - Buchholz 236.1 § 10 Nr. 48 = NVwZ-RR 2002, 514).

Erschwerend fällt ins Gewicht, dass die zu den Anschuldigungspunkten 1 und 3 zusätzlich festgestellten Verstöße gegen § 7 und § 11 Abs. 1 SG i.V.m. Nr. 301 ZDv 43/2 Kernpflichten betreffen und dass der Soldat als Bataillonskommandeur eine besonders herausgehobene Vorgesetztenstellung innehatte. Vor diesem Hintergrund hat er in schwerwiegender Weise versagt. ...

Im vorliegenden Falle ist bei der Beurteilung des Maßes der Schuld des Soldaten allerdings zu berücksichtigen, dass ihm lediglich ein fahrlässiges Handeln zur Last gelegt werden kann.

Das Maß der Schuld des Soldaten wird im Hinblick auf die Umstände der Tat zudem dadurch gemindert, dass im Tatzeitraum Defizite bei der Wahrnehmung der Dienstaufsicht durch seine Vorgesetzten ihm gegenüber bestanden (vgl. zu diesem Tatmilderungsgrund u.a. Urteile vom 19. September 2001 aaO. [insoweit nicht veröffentlicht], vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 19 = NZWehrr 2003, 127 und vom 27. November 2003 - BVerwG 2 WD 6.03 - jeweils m.w.N.). Mangelnde Dienstaufsicht kann als Ursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme dann mildernd berücksichtigt werden, wenn Kontrollmaßnahmen durch Vorgesetzte aufgrund besonderer Umstände unerlässlich waren und pflichtwidrig unterlassen wurden (vgl. Urteile vom 19. September 1985 - BVerwG 2 WD 63.84 - BVerwGE 83, 52 [57], vom 21. Mai 1996 - BVerwG 2 WD 22.95 - BVerwGE 103, 321 [327] = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 14 = NZWehrr 1997, 205 und vom 27. Januar 2004 - BVerwG 2 WD 2.04 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 52 = NZWehrr 2005, 79). Die Dienstaufsicht ist dabei nicht nur Kontrolle, sondern "vor allem Hilfe in Form von Erklärung, Anleitung und Unterstützung" (Nr. 355 ZDv 10/1). ...

Bei der danach gebotenen Gesamtwürdigung des festgestellten Fehlverhaltens des Soldaten hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 1 und 3 ist davon auszugehen, dass der Senat bei Inanspruchnahme des Personals und des dienstlichen Materials der Bundeswehr zu privaten Zwecken in ständiger Rechtsprechung als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen je nach Gewicht des Dienstvergehens eine Gehaltskürzung und/oder ein Beförderungsverbot, in schweren Fällen eine Herabsetzung um einen oder mehrere Dienstgrade in Ansatz gebracht hat (vgl. Urteile vom 21. Januar 1986 - BVerwG 2 WD 31.85 - BVerwGE 83, 105 f., vom 16. Dezember 1987 - BVerwG 2 WD 22.87 - m.w.N., vom 29. November 1990 - BVerwG 2 WD 28.90 -, vom 1. April 1993 - BVerwG 2 WD 10.92 -, vom 20. April 1993 - BVerwG 2 WD 28.92 -, vom 21. Oktober 1999 - BVerwG 2 WD 6.99 - und vom 10. Juli 2002 - BVerwG 2 WD 4.02 -). Daran hält der Senat aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG ) und der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 1 GG ) uneingeschränkt fest. ...

Da sich das Fehlverhalten des Soldaten jedoch bereits vor teilweise mehr als fünf Jahren ereignete und da sich zwischenzeitlich - nicht zuletzt, freilich nicht nur aufgrund des von der Truppendienstkammer in ihrem Beschluss vom 29. Juni 2004 festgestellten Verfahrensfehlers - eine außergewöhnliche Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ergeben hat, die der Soldat nicht zu vertreten hat, und da schließlich der Soldat über mehrere Jahre deshalb keine weiteren förderlichen Verwendungen erhalten konnte und auch nicht befördert wurde, hält der Senat in diesem speziellen Sonderfall statt eines an sich gebotenen Beförderungsverbotes (§ 58 Abs. 1 Nr. 2, § 60 WDO) vorliegend eine Kürzung der Dienstbezüge (§ 58 Abs. 1 Nr. 1, § 59 WDO) für angemessen und ausreichend. Hierauf hat allerdings nicht verzichtet werden können. Einer Einstellung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens bei Feststellung eines Dienstvergehens standen einerseits im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens und die bis zuletzt wenig ausgeprägte Unrechtseinsicht des Soldaten spezialpräventive Gesichtspunkte sowie das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG ) mit vergleichbaren vom Senat in ständiger Rechtsprechung entschiedenen Fällen entgegen, worauf der Soldat bereits von der Truppendienstkammer hingewiesen worden ist. Ferner mussten auch generalpräventive Gesichtspunkte Berücksichtigung finden. Diesen hat der Senat deshalb besonderes Gewicht beigemessen, weil die Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den Soldaten nicht nur bei diesem, sondern sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Bereich der Bundeswehr teilweise auf großes Unverständnis und auf Kritik gestoßen ist. Dies macht eine unmissverständliche Pflichtenmahnung notwendig und unverzichtbar. Darauf hat der Bundeswehrdisziplinaranwalt zu Recht bereits in seinem Schreiben an die Einleitungsbehörde vom 6. Januar 2005 hingewiesen. Nach der Auffassung des Senats erfordern deshalb die dargelegten Umstände, dass unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden muss, dass das hier in Rede stehende Fehlverhalten auch dann ein schweres und besonders ernstzunehmendes Dienstvergehen bleibt, wenn es in der Öffentlichkeit und in der Presse, bei maßgeblichen Repräsentanten der Stadt P. sowie auch bei einem Landesminister ein positives Echo erfahren hat.

...

Vorinstanz: TDG Süd - TDG S 6 VL 14/05 - 23.6.2005,
Fundstellen
BVerwGE 127, 1
NVwZ-RR 2007, 257