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BVerwG - Entscheidung vom 20.11.2006

4 B 56.06

Normen:
BauNVO § 7
BauNVO § 9

Fundstellen:
BRS 70 Nr. 51
Buchholz 406.12 § 4a BauNVO Nr. 5
IBR 2007, 338
ZfBR 2007, 270

BVerwG, Beschluss vom 20.11.2006 - Aktenzeichen 4 B 56.06

DRsp Nr. 2006/29994

Nutzungsänderung einer Lagerhalle in eine Festhalle; Einstufung als Vergnügungsstätte

1. a) Der Verordnungsgeber hat die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten mit der Vierten Verordnung zur Änderung der BauNVO neu geregelt, um die städtebaulich nachteiligen Auswirkungen, die von Vergnügungsstätten ausgehen, zu erfassen (vgl. BRDrucks 354/89, S. 32). Zu diesen Auswirkungen gehört insbesondere der Lärm, der von der Nutzung der betroffenen Gebäude selbst ausgeht - wie Musikdarbietungen oder die Geräusche von feiernden Teilnehmern - sowie derjenige, der im zeitlichen Zusammenhang mit Anfahrt und Abfahrt der Besucher oder Teilnehmer entsteht - wie Motorengeräusch, Türenschlagen, Gespräche bei der Verabschiedung etc. -. b) Sind die Auswirkungen einer Festhalle, die der Betreiber nur für geschlossene Veranstaltungen zur Verfügung stellt, denen einer Vergnügungsstätte, die der Allgemeinheit offen steht, vergleichbar, ist es für die Erreichung des städtebaulichen Ziels, die Wohnbevölkerung und andere sensible Nutzungen vor den von Vergnügungsstätten ausgehenden nachteiligen Wirkungen zu schützen, ohne Belang, ob die einzelnen Besucher oder Teilnehmer einer Veranstaltung einem geschlossenen Kreis angehören und einer persönlichen Einladung Folge leisten oder ob es sich um einen offenen Personenkreis handelt. 2. Der Einstufung einer Halle als Vergnügungsstätte steht es deshalb nicht entgegen, dass in ihr nur geschlossene Veranstaltungen stattfinden, wenn diese von bis zu 500 Personen (z.B. zur Abhaltung türkisch-kurdischer Hochzeiten) besucht werden.

Normenkette:

BauNVO § 7 ; BauNVO § 9 ;

Gründe:

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).

Die Beschwerde wirft die Frage auf, ob eine "Festhalle", in der ausschließlich geschlossene Veranstaltungen wie z.B. türkisch-kurdische Hochzeiten durchgeführt werden, eine Vergnügungsstätte im Sinne der BauNVO darstellt.

Dieser Fragestellung liegt eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Nutzungsänderung einer Lagerhalle in eine Festhalle zugrunde, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts überörtlichen Großveranstaltungen für bis zu 500 Personen dienen soll, wobei die Bauvorlagen auch eine Tanzfläche und eine Bühne für die Musikkapelle vorsehen. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Festhalle als kerngebietstypische Vergnügungsstätte angesehen und daher einer Nachbarklage stattgegeben.

Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt. So liegt es hier.

Der Einstufung einer Halle in der beschriebenen Größenordnung als Vergnügungsstätte steht nicht entgegen, dass in ihr nur geschlossene Veranstaltungen stattfinden. Der Verordnungsgeber hat die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten mit der Vierten Verordnung zur Änderung der BauNVO neu geregelt, um die städtebaulich nachteiligen Auswirkungen, die von Vergnügungsstätten ausgehen, zu erfassen (vgl. BRDrucks 354/89, S. 32 sowie Senatsbeschluss vom 9. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 120.90 - Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 4 = BRS 50 Nr. 60). Zu diesen Auswirkungen gehört insbesondere der Lärm, der von der Nutzung der betroffenen Gebäude selbst ausgeht - wie Musikdarbietungen oder die Geräusche von feiernden Teilnehmern - sowie derjenige, der im zeitlichen Zusammenhang mit Anfahrt und Abfahrt der Besucher oder Teilnehmer entsteht - wie Motorengeräusch, Türenschlagen, Gespräche bei der Verabschiedung etc. -. Wenn die Auswirkungen einer Festhalle, die der Betreiber nur für geschlossene Veranstaltungen zur Verfügung stellt, denen einer Vergnügungsstätte, die der Allgemeinheit offen steht, - wie hier vom Oberverwaltungsgericht festgestellt - vergleichbar sind (UA S. 18), ist es für die Erreichung des städtebaulichen Ziels, die Wohnbevölkerung und andere sensible Nutzungen vor den von Vergnügungsstätten ausgehenden nachteiligen Wirkungen zu schützen, ohne Belang, ob die einzelnen Besucher oder Teilnehmer einer Veranstaltung einem geschlossenen Kreis angehören und einer persönlichen Einladung Folge leisten oder ob es sich um einen offenen Personenkreis handelt.

Soweit in der Beschwerdebegründung darauf hingewiesen wird, bei den vorgesehenen Hochzeitsfeiern werde keine Musik, insbesondere keine Tanzmusik, gespielt, entspricht dies nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht dem im Bauantrag umschriebenen Nutzungszweck, der für die rechtliche Einordnung jedoch maßgeblich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Hinweise:

Anmerkung: Gallois, IBR 2007, 338

Vorinstanz: VG Minden, vom 17.03.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 9 K 1894/04
Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 27.04.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 7 A 1620/05
Fundstellen
BRS 70 Nr. 51
Buchholz 406.12 § 4a BauNVO Nr. 5
IBR 2007, 338
ZfBR 2007, 270