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BVerwG - Entscheidung vom 15.06.2006

8 B 32.06

Normen:
VermG § 30a Abs. 1 Satz 1

BVerwG, Beschluss vom 15.06.2006 - Aktenzeichen 8 B 32.06

DRsp Nr. 2006/19430

Nachsichtgewährung wegen Versäumung der Anmeldefrist nach Vermögensgesetz

»Soweit eine ausnahmsweise Nachsichtgewährung wegen Versäumung der Anmeldefrist des § 30a VermG unter anderem davon abhängt, dass die Fristversäumung auf staatliches Fehlverhalten zurückzuführen ist, ist damit allein ein Fehlverhalten des Staates gemeint, der die Ausschlussfrist gesetzt hat, also der Bundesrepublik Deutschland. Fehlverhalten staatlicher Stellen der DDR kann materielle Ansprüche nach dem Vermögensgesetz begründen, aber nicht dazu führen, dass die Ausschlussfrist des § 30a VermG unbeachtlich ist (wie Beschlüsse vom 9. Februar 2006 - BVerwG 7 B 106.05 - juris Rn. 8 und vom 14. Oktober 2005 - BVerwG 7 PKH 5.05).«

Normenkette:

VermG § 30a Abs. 1 Satz 1 ;

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) nicht zu.

1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache folgt nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 26. Oktober 1989 - IV R 82/88 - BFHE 159, 103 = NJW 1990, 2407 ) abgewichen wäre. Abgesehen davon, dass sich die von der Beschwerde angeführte Entscheidung des Bundesfinanzhofs auf die Frage der Wiedereinsetzung wegen Versäumung einer gesetzlichen Rechtsbehelfsfrist und nicht auf die Versäumung einer materiellen Ausschlussfrist bezieht, wie sie § 30a VermG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darstellt (vgl. Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39 >42 ff.< = Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 2 S. 2 >4 ff.<), lässt sich dem Urteil des Bundesfinanzhofs der von der Beschwerde angeführte Rechtssatz auch nicht entnehmen. Vielmehr hat der Bundesfinanzhof gerade ausgeführt, dass über die Gewährung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einspruchsfrist erst in der Einspruchsentscheidung befunden wird und das Finanzamt dabei an frühere Äußerungen zu dieser Frage im Einspruchsverfahren nicht gebunden ist. Die Entscheidung des Finanzamts sei im Übrigen vom Finanzgericht uneingeschränkt überprüfbar.

2. Auch die weiter von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,

"Ist das Gericht bei Versäumung der materiellen Ausschlussfrist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG an eine bestandskräftige Wiedereinsetzungsentscheidung der Ausgangsbehörde gebunden?",

rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Zum einen hat das damalige Amt zur Regelung offener Vermögensfragen mit seinem Schreiben vom 7. Oktober 1993 offenbar nur über die Frage einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich einer vermeintlichen Verfahrensfrist entscheiden wollen. Eine solche Entscheidung kommt aber bei der Versäumung einer materiellen Ausschlussfrist nicht in Betracht. Die Frage einer hier ggf. zu prüfenden ausnahmsweisen Nachsichtgewährung ist ersichtlich nicht Gegenstand der Entscheidung des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen gewesen. Im Übrigen ist die Entscheidung, wenn es sich dabei überhaupt um einen selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt handeln sollte, jedenfalls nicht "bestandskräftig" geworden, denn sie ist dem Beigeladenen, der als Verfügungsberechtigter über das Grundstück durch die Entscheidung belastet wurde, nicht bekannt gegeben worden. Ihm gegenüber sind daher Rechtsmittelfristen - eine Rechtsmittelbelehrung enthielt das Schreiben im Übrigen nicht - nicht in Gang gesetzt worden. Die von der Beschwerde formulierte Frage könnte sich daher in einem Revisionsverfahren so nicht stellen.

3. Auch die weiter von der Beschwerde formulierte Frage,

"Scheidet die Gewährung von Nachsicht wegen ausnahmsweiser Unbeachtlichkeit der Versäumung der Antragsfrist gemäß § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG aus, wenn dem Betroffenen die Praxis der staatlichen Stellen der DDR bekannt sein musste, bei Änderungen von Nutzungsverhältnissen auch das Eigentum von Genossenschaften in Volkseigentum umzuschreiben und die Antragsfrist gemäß § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG deshalb versäumt wurde, weil es der (vormalige) Eigentümer unterließ, nach dem 3. Oktober 1990 seine Eigentümerposition zu überprüfen?",

führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung eine ausnahmsweise Nachsichtgewährung wegen Versäumung der Anmeldefrist des § 30a VermG unter anderem davon abhängig gemacht hat, dass die Fristversäumung auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Anmelder seine Rechte nicht wahren kann (vgl. u.a. Urteil vom 28. März 1996 a.a.O. S. 45 bzw. S. 7), ist damit allein ein Fehlverhalten des Staates gemeint, der die Ausschlussfrist gesetzt hat. Dies ist die Bundesrepublik Deutschland. Fehlverhalten staatlicher Stellen der DDR kann materielle Ansprüche nach dem Vermögensgesetz begründen, aber nicht dazu führen, dass die Ausschlussfrist des § 30a VermG unbeachtlich ist (vgl. Beschlüsse vom 9. Februar 2006 - BVerwG 7 B 106.05 - juris Rn. 8 und vom 14. Oktober 2005 - BVerwG 7 PKH 5.05). Ein Fehlverhalten von staatlichen Stellen der Bundesrepublik Deutschland legt die Beschwerde nicht dar. Die von ihr gerügte unterlassene Mitteilung der Eigentumsumschreibung im Jahre 1987 fällt allein in die Verantwortung der DDR. Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass auch ein Fehlverhalten von staatlichen Stellen der DDR nicht gegeben ist, weil die Rechtsvorgängerin der Klägerin von den Umschreibungen zumindest teilweise Kenntnis hatte.

4. Auf die weiter von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage im Zusammenhang mit dem Schädigungstatbestand des § 1 VermG kommt es hier nicht an, weil jedenfalls hinsichtlich der selbstständig tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts, die Klägerin habe die Anmeldefrist des § 30a VermG versäumt und könne nicht ausnahmsweise Nachsicht wegen der Fristversäumung beanspruchen, keine durchgreifenden Zulassungsgründe gegeben sind. Die weiteren Fragen könnten sich daher in einem Revisionsverfahren nicht mehr stellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , § 162 Abs. 3 VwGO , die Festsetzung des Streitwerts auf den §§ 47 , 52 GKG .

Vorinstanz: VG Potsdam, vom 01.02.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 6 K 1374/00