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BVerwG - Entscheidung vom 25.01.2006

8 C 10.05

BVerwG, Urteil vom 25.01.2006 - Aktenzeichen 8 C 10.05

DRsp Nr. 2006/7984

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die vermögensrechtliche Rückübertragung des Grundstücks H.straße 2 in K.

Das etwa 1 500 m² große Grundstück war ursprünglich mit einem Einfamilienhaus bebaut und wurde von den Eltern der Klägerin als Wohn- und Arzthaus genutzt. Der Vater betrieb als niedergelassener Allgemeinmediziner im Erdgeschoss des Hauses die Praxis. Die Wohn- und Nebenräume der Wohnung lagen im Erd- und Dachgeschoss.

Der Vater der Klägerin gab die Arztpraxis im Jahre 1984 nach Erreichen des Rentenalters auf und siedelte mit seiner Frau in das Bundesgebiet über. Zuvor hatte er der Klägerin das Hausgrundstück geschenkt. Die Klägerin erhielt dazu die Grundstücksverkehrsgenehmigung und die Eintragung im Grundbuch.

Der Bürgermeister der Gemeinde K. hatte unter dem 8. Mai 1984 folgendes Schreiben an den Vater der Klägerin gerichtet:

"Betrifft: Eigentumsveränderung H.straße 2

Mit der Eigentumsveränderung von Herrn Dr. D. an die Tochter, Frau R. M., wohnhaft in L., wird der Familie M. gestattet, zwei Zimmer (Bodenzimmer) als Wohnraum zu benutzen.

Damit sind keine Einschränkungen der Wohnung für die Arztpraxis vorgenommen.

Der Antrag wurde in der Ratssitzung am 26. April 1984 bestätigt."

Die Beigeladene übernahm die Arztpraxis von der Gemeinde, welche die Räumlichkeiten von der Klägerin mit Vertrag vom 15. November 1984 angemietet hatte. Im Dezember 1984 schloss die Klägerin mit der Beigeladenen und derem damaligen Ehemann einen auf den 15. November 1984 rückdatierten Mietvertrag ab. Danach vermietete sie ihnen vier Zimmer, eine Küche, eine Speisekammer, zwei Balkone/Loggia, ein Bad, eine Toilette, zwei Korridore/Flure/Dielen, eine Garage und 400 m² Garten. Zwei Zimmer befanden sich im Erdgeschoss und zwei im Obergeschoss. Zu diesem Mietvertrag erhielten die Beigeladene und ihr damaliger Ehemann eine Wohnraumzuweisung.

Ab Mai 1985 begann zwischen der Klägerin und der Beigeladenen sowie derem damaligen Ehemann ein Streit um den Zugang zu den beiden nicht vermieteten Räumen im Obergeschoss des Hauses, die am Ende der Diele lagen. Der damalige Ehemann der Beigeladenen wechselte die Haustürschlösser aus.

Mit Schreiben vom 9. Juli 1985 reichte die Klägerin Klage beim Kreisgericht S. zunächst gegen den damaligen Ehemann der Beigeladenen ein, die sie gegen die Beigeladene erweiterte. Sie begehrte deren Verurteilung zur Duldung der ungehinderten Nutzung der beiden Bodenräume sowie eines zur Arztpraxis gehörenden Sanitärbereichs. Im Rahmen des Rechtsstreits teilte der Bürgermeister der Gemeinde K. dem Kreisgericht durch Schreiben vom 5. August 1985 mit, dass die beiden Bodenzimmer "nicht in die Vergabe von Wohnungen eingeordnet" seien. Demzufolge sei auch keine Wohnungszuweisung erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung des Kreisgerichts stellte er klar, dass das Schreiben vom 8. Mai 1984 keine Wohnungszuweisung enthalte, sondern aus Gutmütigkeit des örtlichen Rates abgefasst worden sei. Durch Urteil vom 7. August 1985 wies das Kreisgericht die Klage mit der Begründung ab, der Klägerin stünde ein Nutzungsrecht an den beiden Räumen im Dachgeschoss nicht zu, da sie auf der Grundlage der Wohnraumlenkungsverordnung über keine Wohnraumzuweisung verfüge, sich ihre Klage aber auf die Durchsetzung eines Nutzungsrechtes aus einer Wohnraumzuweisung stütze.

Daraufhin legte die Klägerin mit Schreiben vom 2. September 1985 Berufung ein. Das Bezirksgericht G., das die Berufung verhandelte, wies zunächst darauf hin, dass die Erklärung des Rates der Gemeinde vom 8. Mai 1984 nach seiner Auffassung eine Wohnraumzuweisung darstelle und der Beigeladenen Gelegenheit gegeben werden müsse, gegen die Wohnraumzuweisung nach Zustellung ein Rechtsmittel einlegen zu können. Deshalb unterbrach es das Berufungsverfahren.

Die Beigeladene erhob gegen die Erklärung vom 8. Mai 1984 Beschwerde, die der Rat der Gemeinde dahingehend beschied, dass die Erklärung keine Wohnraumzuweisung enthalte und außer Kraft gesetzt werde. Für die Wohnräume erhalte die Klägerin auch keine Wohnungszuweisung, da diese Bodenräume zu einer Wohneinheit gehörten und demzufolge in das neue Mietverhältnis einzuordnen seien.

Sodann wies das Bezirksgericht durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28. Januar 1986 die Berufung mit der Begründung zurück, dass das Schreiben des Rates der Gemeinde vom 8. Mai 1984 nicht die Voraussetzungen einer Wohnraumzuweisung erfülle. Das Recht der Klägerin auf Nutzung ihres Hausgrundstücks bestehe nur insoweit, als es nicht in die bestehenden Mietrechtsverhältnisse eingreife. Das sei vorliegend jedoch der Fall.

Daraufhin wandte sich die Klägerin an das Oberste Gericht der DDR mit dem Antrag, im Wege der Kassation die Urteile des Kreisgerichts und des Bezirksgerichts aufzuheben. Das Oberste Gericht lehnte den Rechtsbehelf ab und verwies im Wesentlichen darauf, dass weder eine Entscheidung des zuständigen örtlichen Staatsorgans noch eine zivilrechtliche Vereinbarung vorliege, wonach die Beigeladene die geforderten einschneidenden Veränderungen ihres Wohnrechts zu dulden hätte.

Die Klägerin verkaufte mit notariellem Vertrag vom 5. August 1987 das Hausgrundstück - ohne ein 280 m² großes Stück Gartenland, das sie gesondert veräußerte - an das Eigentum des Volkes; Rechtsträger wurde der Rat der Gemeinde K. Am 1. September 1987 wurde das Eigentum im Grundbuch umgeschrieben.

Im Juli 1988 stellte die Klägerin den Antrag auf ständige Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland, die im August 1989 erfolgte.

Mit Vertrag vom 18. April 1990 verkaufte die Gemeinde K. der Beigeladenen das Grundstück. Die Eintragung im Grundbuch erfolgte im Juli 1990.

Mit Schreiben vom 16. September 1990 beantragte die Klägerin die Rückübertragung des Grundstücks mit der Begründung, sie sei zum Verkauf gezwungen worden. Nach langmütigem Dulden habe sie sich im Jahre 1988 zur Ausreise entschlossen.

Der Landkreis S.-R. lehnte mit Bescheid vom 28. November 1995 die Rückübertragung ab, weil eine schädigende Maßnahme im Sinne des Vermögensgesetzes nicht vorliege. Es könne keine unlautere Machenschaft festgestellt werden. Eine Einflussnahme des MfS bei der Begründung des Mietverhältnisses durch die Beigeladene, dem Verkauf an die Gemeinde K. und dem käuflichen Erwerb durch die Beigeladene habe sich nicht nachweisen lassen. Den Widerspruch der Klägerin wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zurück.

Die Klägerin hat daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und im Wesentlichen vorgetragen: Der Vater der Beigeladenen, der Kaderleiter der Abteilung Volksbildung beim Rat des Kreises gewesen sei, habe damals direkt zum Kreisgericht S. Kontakt aufgenommen und Einfluss auf den Ausgang des Rechtsstreits genommen. Durch ihn und die damalige Vorsitzende des Rates des Kreises sei der Bürgermeister der Gemeinde zur Rücknahme der Wohnungszuweisung gezwungen worden. Wegen des Verlustes des Zugangsrechts zu den Räumen im Obergeschoss sei ihr die Bewirtschaftung und Nutzung des nicht vermieteten, ca. 1 000 m² großen Hausgartens vereitelt worden. Sie habe in der Folgezeit resigniert und sich zur Ausreise entschlossen. Kausal für den Verkauf des Hauses seien sowohl die ihr abgesprochene Nutzung des Hauses als auch ihr Ausreisewunsch gewesen.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. November 2001 der Klage stattgegeben, weil der streitgegenständliche Vorgang durch den Einsatz staatlicher Machtmittel gezielt manipuliert worden sei, um zu erreichen, dass die Klägerin das Grundstück veräußere.

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil wegen eines Verfahrensmangels mit Beschluss vom 15. Mai 2002 (BVerwG 8 B 27.02) aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Nunmehr hat die Klägerin ihre Klage ergänzend im Wesentlichen damit begründet, dass die Beigeladene mit dem MfS zusammengewirkt habe, um persönliche Belange durchzusetzen. Die Prozessführung durch das Bezirksgericht G. belege das kollusive Zusammenwirken von Beigeladener und staatlichen Stellen gegen sie, die Klägerin.

Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben und sodann mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 4. Oktober 2004 den Beklagten antragsgemäß zur Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück H.straße in K. verpflichtet.

Seinen Entscheidungsgründen zufolge wurde die Klägerin durch unlautere Machenschaften dazu veranlasst, das Grundstück an den Rat der Gemeinde zu veräußern. Auf das Eigentum der Klägerin sei behördlicherseits unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR zugegriffen worden. Staatliche Stellen hätten das der Klägerin zustehende Nutzungsrecht an dem Grundstück in manipulativer Weise entzogen, um die Überführung des Grundstücks in Volkseigentum durch Ankauf zu ermöglichen. Der Klägerin habe nach der Rechtsordnung der DDR als Eigentümerin des Hausgrundstücks das Recht zugestanden, das Haus zu Erholungszwecken mitzubenutzen. Dieses Recht habe insbesondere beinhaltet, die beiden nicht vermieteten Zimmer im Obergeschoss bei Besuchen an Wochenenden und im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung des Gartens zu nutzen. Die Beigeladene und ihr Ehemann wären - gemessen an den damaligen Verhältnissen in der DDR - durch die beabsichtigte Nutzung nicht beeinträchtigt worden. Es sei ihnen zumutbar gewesen, die nur zeitweise vorgesehene Mitbenutzung des Flures durch die Klägerin hinzunehmen. Das Mitbenutzungsrecht habe der Rat der Gemeinde K. in seinem Schreiben vom 8. Mai 1984 festgestellt. Die Stellungnahmen des Rates der Gemeinde gegenüber dem Kreis- und dem Bezirksgericht, mit denen das Bestehen dieses Nutzungsrechtes negiert werde, stelle den Beginn eines mehraktigen, faktischen Zugriffs auf das Eigentum der Klägerin dar. Durch diese Stellungnahmen sei den Gerichten sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht ein manipulierter Sachverhalt präsentiert worden, der die zu treffenden Entscheidungen der angerufenen Gerichte vorbestimmt habe. Der Verkauf sei dann aus Resignation wegen des verlorenen Prozesses erfolgt. Restitutionsausschlussgründe lägen nicht vor.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision tritt die Beigeladene der erstinstanzlichen Entscheidung entgegen. Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 18. Oktober 2004 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte stimmt der Revision zu.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ).

Das Verwaltungsgericht meint zu Unrecht, die Klägerin sei aufgrund unlauterer Machenschaften im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG dazu veranlasst worden, das im Streit stehende Grundstück an den Rat der Gemeinde zu veräußern. Vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift werden nur solche Vorgänge erfasst, denen ein inkriminierendes, manipulatives Element anhaftet (stRspr; vgl. Urteil vom 31. Juli 2002 - BVerwG 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35). Daran fehlt es hier.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht nach seiner Begründung auf folgender Gedankenführung: Die Klägerin sei durch einen mehraktigen, über mehrere Jahre andauernden staatlichen Zugriff dazu veranlasst worden, ihr Grundstück zu veräußern (UA S. 27). Die Einflussnahme habe damit begonnen, dass den Gerichten der DDR in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein manipulierter Sachverhalt präsentiert worden sei (UA S. 35), um zu erreichen, dass die Störungsbeseitigungsklage der Klägerin abgewiesen werden musste. Da die Gerichte der Beeinträchtigung des Nutzungsrechtes der Klägerin nicht abgeholfen hätten, sei deren Eigentumsrecht am Grundstück wertlos geworden und der Verkauf eine zwangsläufige Folge gewesen. Der Schluss, den das Verwaltungsgericht gezogen hat, wird von tatsächlichen Feststellungen nicht getragen.

Die streitentscheidende Annahme des Verwaltungsgerichts geht fehl, dass den Gerichten der DDR ein falscher Sachverhalt unterbreitet worden sei. Die Manipulation soll darin bestanden haben, dass der Bürgermeister der Gemeinde gegenüber den Gerichten Stellungnahmen abgegeben habe, mit denen er ein Nutzungsrecht der Klägerin aus § 24 ZGB (i.V.m. § 3 EG ZGB ) geleugnet habe. Diese Auslegung durch das Verwaltungsgericht trifft nicht zu.

Der Fehler ist revisibel. Er muss vom Senat nicht als Tatsachenwürdigung hingenommen werden. Zwar ist das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO grundsätzlich an die tatrichterliche Auslegung einer Erklärung gebunden. Die Bindung entfällt jedoch, wenn die vom Tatsachengericht vorgenommene Auslegung einen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze erkennen lässt oder wenn wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist (stRspr; vgl. Urteile vom 28. Mai 2003 - BVerwG 8 C 6.02 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 56 und vom 29. April 1993 - BVerwG 7 C 29.92 - Buchholz 428 § 11 VermG Nr. 1). Die genannten Grundsätze sind revisibel, weil sie revisionsrechtlich dem sachlichen Recht zuzurechnen sind.

Nach §§ 133 , 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Es kommt nicht auf den inneren Willen des Erklärenden, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist (Urteil vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 8 C 17.01 - BVerwGE 115, 302 >307< = Buchholz 310 § 69 VwGO Nr. 7 S. 1 >6< m.w.N.). Bei der Auslegung muss auch das mit der Verwendung der Erklärung verfolgte Ziel mit einbezogen werden. Deshalb sind nach der Würdigung des Wortlautes in einem zweiten Schritt die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Klarlegung des Bedeutungsgehalts der Willenserklärung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf diesen Sinn zulassen (Urteil vom 28. Mai 2003 - BVerwG 8 C 6.02 - a.a.O.). Hiernach ergibt sich das Folgende:

Es ist bereits fraglich, ob das Nutzungsrecht an den beiden Bodenräumen, welches sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts aus § 24 ZGB i.V.m. § 3 EG ZGB ergeben soll, der Klägerin das Recht gegeben hatte, in das bestehende Mietrechtsverhältnis der Beigeladenen einzugreifen. Immerhin hatte die Klägerin nach diesem Mietvertrag die Nutzung des Zugangs zu den beiden Wohnräumen anderen überlassen und sich insoweit weder ein Mitbenutzungsrecht vorbehalten noch eine Anpassung des Mietvertrages gemäß § 122 Abs. 2 ZGB angestrebt. Da die angeschnittenen Rechtsfragen aber irrevisibles Recht betreffen, geht der Senat ihnen nicht weiter nach. Selbst wenn das Nutzungsrecht an den beiden Bodenräumen der Klägerin entgegen der Auffassung von Bezirksgericht und Oberstem Gericht ein ungehindertes Zutrittrechts mitumfasst hätte, ist diese Berechtigung weder durch den Bürgermeister der Gemeinde mit seinen Stellungnahmen gegenüber den Gerichten noch vom Rat des Bezirkes entzogen worden. In dem gerichtlichen Verfahren ging es für die staatlichen Stellen ausschließlich um die Frage, ob das Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde vom 8. Mai 1984 ein Wohnraumzuweisungsbescheid war. Dieses haben sie verneint und die Ablehnung mit Gründen versehen. Die Gerichte haben die Stellungnahmen nur als amtliche Auskünfte zur Wohnraumlenkung verstanden und ihnen eine weitergehende Bedeutung nicht beigemessen. Die staatlichen Stellen haben sich nicht zu den Befugnissen eines Eigentümers gemäß § 24 ZGB verhalten noch kann diesen Stellungnahmen entnommen werden, dass sie der Klägerin ein Nutzungsrecht an den beiden Wohnräumen "aberkannt" hatten. Auch die Gerichte haben der Klägerin ein Nutzungsrecht nicht abgesprochen, sondern das Bezirksgericht und das Oberste Gericht haben lediglich darauf erkannt, dass die Beigeladene die geforderte einschneidende Veränderung ihres Wohnrechts nicht zu dulden habe. Durch die Stellungnahmen der staatlichen Stellen wurde den Gerichten weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht ein manipulierter Sachverhalt präsentiert. Die Rechtslage lag für alle offen zu tage und machte eine zutreffende Rechtsfindung möglich.

Der Umstand, dass sich die angerufenen Gerichte daran gebunden sahen, keine Wohnraumzuweisung des zuständigen örtlichen Organs vorgefunden zu haben, rechtfertigt ebenfalls keinen Manipulationsvorwurf. Die Klägerin hatte ihre Störungsbeseitigungsklage auf die Durchsetzung ihres vermeintlichen Nutzungsrechtes aus einer Wohnraumzuweisung gestützt. Da nach der Wohnraumlenkungsverordnung für die Zuweisung von Wohnraum der örtliche Rat zuständig war, oblag es den Gerichten nicht, die Wohnraumzuweisung selbst vorzunehmen (vgl. § 31 Abs. 1 Nr. 6 ZPO der DDR). Sie konnten nur ermitteln, ob eine solche vorlag. Dabei entsprach es damaliger Gepflogenheit, dass im Falle eines Streits zwischen den Prozessparteien über Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit eines Zuweisungsbescheides das gerichtliche Verfahren ausgesetzt wurde, um die Möglichkeit einzuräumen, Beschwerde gegen eine als ungünstig empfundene Entscheidung des Wohnraumlenkungsorgans einzulegen (vgl. Prüfer, NJ 1977 S. 660). In der Sache selbst war die Erklärung des Wohnraumlenkungsorgans sowohl gegenüber dem Bürger als auch gegenüber dem Gericht verbindlich. Die privatrechtliche Wirkung von verbindlichen Verwaltungsentscheidungen ist auch dem bundesdeutschen Recht nicht fremd (vgl. etwa § 14 Satz 1 BImSchG bzw. § 75 Abs. 2 VwVfG ). Dass sich die angerufenen Gerichte der DDR an die Verwaltungsentscheidung gebunden sahen, beruht folglich nicht auf deren Manipulation durch den örtlichen Rat in diesem Einzelfalle, sondern folgt aus der Rechtslage, wie sie damals allgemein bestanden hatte.

Bei dem von der Klägerin betriebenen Zivilprozess ist danach - gemessen an den damals in der DDR gültigen Rechtsvorschriften - "alles mit rechten Dingen zugegangen" (Urteil vom 24. Juni 1993 - BVerwG 7 C 14.92 - Buchholz 428 § 28 VermG Nr. 1).

Auf die vom Verwaltungsgericht dem Revisionsgericht vorgelegte Frage, ob manipulierte Vorgänge, die zu klageabweisenden Urteilen der Gerichte der DDR geführt hatten, trotz Art. 18 des Einigungsvertrages berücksichtigt werden dürfen, kommt es danach nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO .

B e s c h l u s s

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 306 775 EUR festgesetzt.

Vorinstanz: VG Gera, vom 18.10.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 5 K 851/02