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BVerwG - Entscheidung vom 27.02.2006

5 B 67.05

BVerwG, Beschluss vom 27.02.2006 - Aktenzeichen 5 B 67.05

DRsp Nr. 2006/7708

Gründe:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts hat keinen Erfolg; das Beschwerdevorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision nach §§ 133 , 132 Abs. 2 VwGO .

Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich bedeutend (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) aufgeworfenen Fragen,

"ob die Feststellung, dass tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (§ 11 Satz 1 Ziff. 2 StAG , vormals § 86 Ziff. 2 AuslG 1990), allein durch die Mitgliedschaft bzw. Funktionärstätigkeit eines Einbürgerungsbewerbers in einer Organisation, die von den Ämtern für Verfassungsschutz von Bund und Ländern beobachtet und als verfassungsfeindlich eingestuft wird, gerechtfertigt wird oder ob für diese Annahme darüber hinaus zusätzliche Anhaltspunkte für eine auf den individuellen Einbürgerungsbewerber bezogene Feststellung zu fordern sind, dass über dessen bloße Einbindung in einer derartigen Organisation hinausgehend besondere individuelle Eigenschaften, Verhaltensweisen oder sonstige Umstände die Annahme rechtfertigen, dass er verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat",

und

"ob bei der Anwendung des § 11 Satz 1 Ziff. 2 StAG in Ansehung der Zugehörigkeit des Einbürgerungsbewerbers zu einer Organisation, deren Einstufung als verfassungsfeindlich umstritten ist bzw. die sich im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Beurteilung in einem Übergangsprozess befindet, bei der individuellen Zurechnung der Organisationszugehörigkeit maßgeblich das Gewicht des Beitrages, den der Einbürgerungsbewerber zur Überwindung verfassungsfeindlicher Tendenzen in der Organisation leistet, zu seinen Gunsten zu berücksichtigen ist",

rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

Soweit die Beschwerde sich gegen die vom Berufungsgericht auf der Grundlage der in dem angefochtenen Urteil im Einzelnen aufgeführten Verfassungsschutzberichte und unter Berücksichtigung der beigezogenen Untersuchungen bzw. Gutachten des Sachverständigen Prof. S. getroffene rechtliche Wertung wendet, die IGMG verfolge Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien, lässt sie auch unter Berücksichtigung der vom Prozessbevollmächtigten angeführten verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte einschließlich des "religiösen Neutralitätsgrundsatzes" keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung erkennen.

Soweit sie insoweit als Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO ) rügt, dass die Berufungsbegründung des Klägers und die Feststellungen aus dem dort genannten Gutachten, wonach in der IGMG eine weit reichende Lösung von der Gründergeneration erfolgt sei und diese sich in einem tief greifenden Umbruchprozess befinde, nicht berücksichtigt worden seien, ist nicht dargelegt, warum es sich der Vorinstanz hätte aufdrängen müssen, zu dieser Frage weitere Erkenntnisquellen heranzuziehen. Es begründet keinen Aufklärungsmangel, dass das Berufungsgericht die ihm vorliegenden Quellen nicht in der vom Beschwerdeführer gewünschten Weise bewertet hat; das Gericht war auch nicht unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs - etwa zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung - verpflichtet, den Beteiligten seine Einschätzung der Beweislage vorab mitzuteilen (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2003 - BVerwG 7 B 106.02 - NVwZ 2003, 1132). Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um das Unterlassen von förmlichen Beweisanträgen in der Tatsacheninstanz zu kompensieren (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2001 - BVerwG 9 BN 2.01 - NVwZ-RR 2002, 140).

Die den Kläger persönlich betreffende Wertung der Vorinstanz, seine langjährige aktive Vereinstätigkeit und seine Funktionen bildeten eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Annahme, er unterstütze die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen der IGMG, denn ihm könne auf Grund seiner Stellung, die er nur in Übereinstimmung mit dem Vorstand des Dachverbandes der IGMG ausüben dürfe, nicht abgenommen werden, dass er zu den Reformern gehöre, geht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass eine langjährige Mitwirkung in einer Organisation in hervorgehobener Stellung als Sekretär eines Ortsvereins grundsätzlich einer Bewertung im Sinne individueller, auf die Person des Einbürgerungsbewerbers bezogener Umstände unterliegt. Soweit die Beschwerde insoweit als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig die Frage nach dem Erfordernis darüber hinausgehender (weiterer) individueller Umstände aufwirft, bedarf es nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass erkenntnisrelevante individuelle Umstände auch von außerhalb der engeren Vereins- und Funktionssphäre eines Ortsvereinsvorsitzenden zu berücksichtigen sind, soweit sie Rückschlüsse auf die persönliche politische Haltung des Einbürgerungsbewerbers zulassen. Es wird jedoch nicht erkennbar, welche über die von der Tatsacheninstanz berücksichtigten Umstände hinausgehenden weiteren individuellen Eigenschaften und Umstände damit im konkreten Falle des Klägers gemeint sein könnten, so dass die Entscheidungserheblichkeit der insoweit aufgeworfenen Grundsatzrüge nicht zu erkennen ist. Soweit die Beschwerde der Auffassung sein sollte, die in der Tätigkeit als Funktionär auf Ortsvereinsebene liegende Unterstützung einer Organisation reiche grundsätzlich als Unterstützungshandlung im Rechtssinne nicht aus, träfe dies ersichtlich nicht zu.

Soweit die Beschwerde schließlich als rechtsgrundsätzlich bedeutsame Frage geltend macht, in Anbetracht des Übergangsprozesses, in dem die IGMG sich befinde, sei maßgeblich das Gewicht des Beitrages des Einbürgerungsbewerbers zur Überwindung verfassungsfeindlicher Tendenzen zu berücksichtigen, legt sie nicht dar, wodurch der Kläger einen Beitrag zur Überwindung verfassungsfeindlicher Tendenzen in der IGMG leiste bzw. geleistet habe, so dass die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage nicht zuerkennen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3 , § 52 Abs. 2 , § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).

Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 24.05.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 7 A 10953/04