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BVerwG - Entscheidung vom 26.01.2006

5 B 55.05

BVerwG, Beschluss vom 26.01.2006 - Aktenzeichen 5 B 55.05

DRsp Nr. 2006/3135

Gründe:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO ) liegen nicht vor.

1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ).

Die Beschwerde wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam "die grundsätzlich verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage" auf,

"ob die Beklagte gemäß § 80 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (Bund) ( VwVfG ) verpflichtet ist, einem Widerspruchsführer die vollen Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten, wenn sie dessen Widerspruch hinsichtlich der akzessorischen Aufnahme gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung stattgegeben, diesen aber zurückgewiesen hat, soweit er auf die originäre Aufnahme gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG gerichtet war."

Die Beschwerde verkennt nicht, dass nach der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Neufassung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG durch Art. 6 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950, 1999) der Anwendungsbereich der Regelung verändert worden ist, so dass die Fallkonstellation, über deren Beurteilung hier gestritten wird, künftig nicht mehr entstehen kann. Während nach der bis zum 31.Dezember 2004 geltenden Regelung ein Aufnahmeantrag aus eigenem Recht gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 12. April 2001 - BVerwG 5 C 19.00 - >Buchholz 412.3 § 5 BVFG Nr. 4<) zugleich den Antrag auf Aufnahme aus abgeleitetem Recht gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG als ein Weniger enthielt, werden nach der Neufassung des Satzes 2 - neben weiteren verschärfenden Voraussetzungen - nichtdeutsche Ehegatten und Abkömmlinge in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson nur noch dann einbezogen, wenn die Bezugsperson dies ausdrücklich beantragt. Damit entfällt die rechtliche Möglichkeit, dem Ehegatten oder Abkömmling der Bezugsperson im Widerspruchsverfahren gegen die Ablehnung eines vom Ehegatten oder Abkömmling beantragten eigenen Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG als im Aufnahmeantrag enthaltenes Minus die Einbeziehung zu gewähren. Die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann deshalb ihre Aufgabe, eine für die Zukunft geltende Klärung der Rechtslage herbeizuführen, hier nicht mehr erfüllen. Aus diesem Grunde haben Fragen ausgelaufenen Rechts regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (stRspr, vgl. im Zusammenhang mit der Neufassung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG etwa den Beschluss vom 28. Juli 2005 in dem von der Beschwerde genannten Verfahren BVerwG 5 B 134.04). In dem Beschluss vom 28. Juli 2005 - BVerwG 5 B 134.04 - ist ebenso wie in dem am gleichen Tage ergangenen Beschluss im Verfahren BVerwG 5 B 130.04 - mit Blick auf die Darlegungslast der Beklagten für eine (ausnahmsweise) fortbestehende Klärungsbedürftigkeit von Fragen ausgelaufenen Rechts ausgeführt (S. 4/5 des Beschlussausdrucks):

"Allerdings kommt es in Betracht, ausnahmsweise von einer revisionsgerichtlichen Klärungsbedürftigkeit auch einer Rechtsfrage auszugehen, die sich unter der Geltung ausgelaufenen Rechts gestellt hat, sofern diese Frage noch Bedeutung für eine erhebliche Zahl offener Altfälle hat oder ihre Klärung jedenfalls noch für einen nichtüberschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist_ Hierzu trägt die Beschwerde zwar vor, es gebe noch eine 'Vielzahl (bereits anhängiger) Aufnahmeverfahren in verschiedenen Verfahrensstadien, in denen die Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen vor Ausreise der Bezugsperson beantragt, aber nicht abschließend beschieden wurde' (S. 2 unten der Beschwerdebegründung). Dieses Vorbringen wird indes nicht näher ausgeführt oder quantifiziert, obwohl die Beklagte als die für die Aufnahmeentscheidung zuständige Behörde einen umfassenden Überblick über die Zahl derzeit noch anhängiger Verwaltungs- oder Verwaltungsstreitverfahren, in denen die zur grundsätzlichen Klärung gestellten Rechtsfragen erheblich werden könnten, gewinnen oder doch Annäherungswerte mitteilen könnte".

Nicht anders liegt es auch im vorliegenden Verfahren. Die Beschwerde trägt zwar vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung "für eine Vielzahl von bei den Verwaltungsgerichten Köln und Minden sowie dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen anhängigen Klageverfahren aus dem Aufnahmeverfahren nach dem Bundesvertriebenengesetz , bei denen sowohl die originäre als auch die akzessorische Aufnahme im Streit stehen und das Vorverfahren durch die Beklagte vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossen wurde (Übergangsfälle)" (S. 2 der Beschwerdeschrift), teilt hierzu aber nichts Näheres mit.

2. Die Revision kann auch nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) zugelassen werden.

Eine Zulassung wegen Divergenz scheidet hier jedenfalls deshalb aus, weil die Vorinstanz sich entgegen der Rechtsansicht der Beschwerde nicht zu einem vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 12. April 2001 - BVerwG 5 C 19.00 - aufgestellten Rechtssatz in Widerspruch gestellt hat. Die Beschwerde will aus der Kostenentscheidung dieses Urteils, welche bei teilweisem Erfolg der Revision des damaligen Klägers (dessen Anspruch auf den primär begehrten Aufnahmebescheid aus eigenem Recht vom Bundesverwaltungsgericht abgelehnt, dessen Anspruch auf eine nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid seines bereits nach Deutschland ausgereisten Vaters jedoch anerkannt wurde) unter gleichzeitiger Zurückweisung der auf Einbeziehung in einen Aufnahmebescheid des Klägers gerichteten Revision der damaligen Klägerin dahin ging, dass gemäß § 155 Abs. 1 VwGO die Kosten gegeneinander aufgehoben wurden, den abstrakten Rechtssatz ableiten,

"dass ein Widerspruchsführer/Kläger, dessen Begehren, die Aussiedlungsgebiete im Wege des Aufnahmeverfahrens zu verlassen, statt durch den im Hinblick auf die beantragte Einbeziehung von Familienangehörigen vorrangig begehrten Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG lediglich durch einen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 2. Alt. BVFG entsprochen wird, mit dem Widerspruch/der Klage nur teilweise erfolgreich ist, und deshalb einen Teil der Verfahrenskosten zu tragen hat"

und stellt diesem als abweichenden abstrakten Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts den Rechtssatz gegenüber, wonach in diesen Fällen

"ein Widerspruchsführer/Kläger _ mit dem Widerspruch/der Klage in vollem Umfang erfolgreich ist und deshalb die Behörde die gesamten Verfahrenskosten zu tragen hat".

Demgegenüber hat schon die Vorinstanz zutreffend darauf hingewiesen, dass die Kostenentscheidung dieses Urteils, die nicht weiter begründet worden ist, verallgemeinernde Rückschlüsse im Sinne eines fallübergreifenden Rechtssatzes nicht erlaubt. Wie die Beschwerde unter Hinweis auf Kopp/Schenke, VwGO , 13. Auflage 2003, Rn. 3 zu § 155 zutreffend ausführt, handelt es sich bei der im Ermessen des Gerichts stehenden Aufhebung der Kosten gegeneinander um eine Entscheidung, die nach den Gesamtumständen zu treffen ist und die bei unterschiedlichen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten nur in Betracht kommt, "wenn besondere Gründe es ausnahmeweise rechtfertigen, den Verfahrensgegner an den außergerichtlichen Kosten nicht teilhaben zu lassen". Da die genannte Kostenentscheidung nicht erkennen lässt, in welcher Höhe im damaligen Widerspruchsverfahren außergerichtliche Kosten entstanden waren, insbesondere ob für die Kläger ein Anwalt tätig geworden war, oder ob sonstige Gründe von Bedeutung gewesen sein könnten, handelt es sich bei dem von der Beschwerde behaupteten Begründungssatz jedenfalls nicht um einen verallgemeinerungsfähigen, allgemeingültigen Rechtssatz; für einen solchen wäre vielmehr erforderlich, dass die maßgeblichen Gesichtspunkte sich hinreichend deutlich aus der genannten Entscheidung selbst und nicht erst aus der Kenntnis der im Einzelfall maßgeblichen konkreten Verfahrensumstände erschließen, die der mit den Akten und dem Verfahrensgang nicht vertrauten Allgemeinheit nicht erkennbar sind.

3. Entgegen der Ansicht der Beschwerde begründet es keinen Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ), dass nach erfolgter Rücknahme der auf Aufnahme bzw. Einbeziehung gerichteten Klage und dem insoweit ergangenen Einstellungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. Dezember 2003 - 9 K 7303/02 - einschließlich Kostenentscheidung, nach der die Kläger gemäß § 155 Abs. 2 VwGO die Kosten des Verfahrens tragen, die bereits mit Beschluss vom 21. November 2003 hiervon abgetrennte Kostenklage nicht mit Blick auf die Unanfechtbarkeit der die Aufnahme- und Einbeziehungsklage betreffenden Verfahrenseinstellung einschließlich Kostenentscheidung bereits vom erstinstanzlichen Gericht als unzulässig abgewiesen worden ist, oder dass - falls die isolierte Kostenklage nicht bereits unzulässig geworden wäre - jedenfalls nur das erstinstanzliche Gericht noch zulässig über die Kostenklage entschieden hätte, weil sich aus dem Gerichtsbescheid in Verbindung mit dem Einstellungsbeschluss ergebe, dass das Verwaltungsgericht der Klägerin rechtskräftig und unanfechtbar zumindest die Hälfte der auf sie entfallenden Kosten des Vorverfahrens auferlegt habe, so dass das Berufungsgericht auf Grund der Rechtskraft und Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung gehindert gewesen sei, seine Rechtsauffassung hierzu gegen die des erstinstanzlichen Gerichts zu setzen mit der Folge, dass die Berufung unzulässig und der Zulassungsbeschluss verfahrensfehlerhaft gewesen sei. Die Beschwerde trägt damit dem Umstand nicht Rechnung, dass die Kostensache bereits vor der Kostenentscheidung zur Hauptsache von dieser abgetrennt worden war, so dass der Streitgegenstand der Hauptsache sich nicht (mehr) auf die Kosten des Widerspruchsverfahrens bezog. Zwar hat das Verwaltungsgericht dies im Tenor des Einstellungsbeschlusses nicht zum Ausdruck gebracht, doch ergibt sich vor dem Hintergrund der Verfahrenstrennung, dass die rücknahmebedingte Verfahrenseinstellung sich nicht auf das selbständig fortgeführte Kostenverfahren bezog.

Schließlich liegt ein die Revisionszulassung rechtfertigender Verfahrensfehler auch nicht darin, dass die Vorinstanzen entgegen § 82 Abs. 1 VwGO dem Umstand nicht Rechnung getragen hätten, dass die frühere Wohnanschrift der Kläger in Weißrussland infolge der inzwischen erfolgten Aufnahme und Registrierung der Kläger in Deutschland nicht mehr zutreffe, so dass schon das erstinstanzliche Gericht nach § 82 Abs. 2 VwGO verpflichtet gewesen wäre, die Kläger über ihre Prozessbevollmächtigten zur Benennung ihrer aktuellen Adresse aufzufordern. Die Beschwerde behauptet insoweit selbst nicht, dass die genannten Fehler sich inhaltlich auf die Entscheidung ausgewirkt haben könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 3 GKG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 06.04.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 2 A 317/04