Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 16.11.2006

4 BN 16.06

BVerwG, Beschluss vom 16.11.2006 - Aktenzeichen 4 BN 16.06

DRsp Nr. 2006/30292

Gründe:

I

Die Antragstellerin, eine Gemeinde, wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen die als Ziel der Raumordnung erfolgte Ausweisung eines Eignungsgebietes für die Windnutzung im Regionalplan Uckermark-Barnim. Das Gemeindegebiet der Antragstellerin grenzt an das Eignungsgebiet an, liegt aber außerhalb des Geltungsbereichs des Regionalplans. Die Antragstellerin wurde bei der Aufstellung des Regionalplans nicht beteiligt. Sie befürchtet, dass die künftig zu errichtenden Windenergieanlagen nachteilige Auswirkungen insbesondere für ihr Orts- und Landschaftsbild hervorrufen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag mangels Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ) als unzulässig abgelehnt.

II

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtssache besitzt nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ).

1.1 Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, unter welchen Voraussetzungen eine Gemeinde an dem Verfahren zur Aufstellung eines Regionalplans zu beteiligen ist und infolgedessen die für eine Normenkontrolle erforderliche Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ) besitzt, wenn die Gemeinde an das vom Regionalplan erfasste Gebiet angrenzt. Die Beschwerde nimmt dabei Bezug auf das in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Recht der kommunalen Selbstverwaltung und das daraus abzuleitende Anhörungs- und Beteiligungsrecht bei überörtlichen Planungen.

Ein höchstrichterlicher Klärungsbedarf ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht in Frage gestellt, dass in Fällen wie dem vorliegenden grundsätzlich ein derartiges Anhörungs- und Beteiligungsrecht bestehen und sich daraus eine Antragsbefugnis im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ergeben kann (Urteilsabdruck S. 9). Für den vorliegenden Fall hat es indes auf Grund der konkreten Umstände die - eine Antragsbefugnis begründende - Möglichkeit verneint, dass die Antragstellerin dadurch in einem Anhörungs- und Beteiligungsrecht verletzt sein könnte, dass sie vom Träger der Regionalplanung nicht an der Aufstellung des Plans beteiligt worden ist. Es fehle, so das Oberverwaltungsgericht, bereits an einer möglichen Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts, weil die Antragstellerin selbst nicht geltend mache, dass die angegriffene Regionalplanung mit der zielförmigen Festlegung eines Eignungsgebiets für Windnutzung in eigene konkretisierte Planungsvorstellungen nachhaltig eingreife, und weil sie auch nicht aufzeigen könne, dass die Planung möglicherweise ihr Selbstgestaltungsrecht verletze.

Die Beschwerde greift die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende tatsächliche Würdigung der möglichen Auswirkungen der Zielfestlegung auf das Gemeindegebiet der Antragstellerin nicht mit revisionsrechtlich beachtlichen Rügen an. Von diesem für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellten tatsächlichen Ausgangspunkt aus ist nicht erkennbar, welche rechtsgrundsätzlich noch zu klärenden Fragen zum gemeindlichen Anhörungs- und Beteiligungsrecht bei überörtlichen Planungen in einem Revisionsverfahren beantwortet werden könnten.

1.2 Einen höchstrichterlichen Klärungsbedarf lässt auch die weiter aufgeworfene Frage nicht erkennen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Interessen und Belange der nicht im Geltungsbereich des Regionalplans gelegenen Gebietskörperschaften im Verfahren zur Aufstellung dieses Plans - unter Berücksichtigung der Grundsätze über die interkommunale Abstimmung - abzuwägen sind.

Die Beschwerde missversteht das angefochtene Urteil, wenn es ihm die Auffassung entnimmt, außerhalb des Geltungsbereichs eines Regionalplans gelegene Gemeinden seien generell nicht an der Planaufstellung zu beteiligen und mit ihren Belangen nicht in die raumordnungsrechtliche Abwägung einzubeziehen. Das Oberverwaltungsgericht geht vielmehr davon aus, dass auch solche Gemeinden die Berücksichtigung ihrer Belange in der Abwägung beanspruchen können, sofern sie abwägungserheblich sind (Urteilsabdruck S. 6 f.). Es nennt in diesem Zusammenhang etwa das gemeindliche Selbstgestaltungsrecht und die Planungshoheit. In Würdigung der tatsächlichen Umstände ist es indessen zu der Überzeugung gelangt, dass die von der Antragstellerin vorgetragenen Beeinträchtigungen des Orts- und Gemeindebilds nicht die Erheblichkeitsschwelle erreichten, die für das Bestehen einer abwägungsrelevanten Position erforderlich sei (Urteilsabdruck S. 7).

Dass nur geringfügige Beeinträchtigungen von Belangen die aus dem Abwägungsgebot herzuleitende Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ) nicht begründen können, entspricht der ständigen, auch für Raumordnungspläne geltenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur Beschluss vom 9. November 1979 - BVerwG 4 N 1.78 u.a. - BVerwGE 59, 87 zur Antragsbefugnis bei Bebauungsplänen). Weiterführende Erkenntnisse hierzu wären in einem Revisionsverfahren nicht zu erwarten. Das gilt auch mit Blick auf die von der Beschwerde angeführte Vorschrift des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB . Diese Regelung über die unter bestimmten Voraussetzungen eintretende Ausschlusswirkung von Zielfestlegungen ist für die Rechtsstellung der Antragstellerin ohne Bedeutung und kann nicht zu ihrer Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren führen.

1.3 Aus dem unter Abschnitt II.1.2 Gesagten ergibt sich, dass der Zulassungstatbestand der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache auch nicht durch die von der Beschwerde formulierte - ohne weiteres zu bejahende - Frage erfüllt wird, ob eine Gemeinde im Normenkontrollverfahren ihre Antragsbefugnis darauf stützen darf, dass ihre abwägungserheblichen Belange und Interessen nicht abgewogen wurden.

1.4 Schließlich kommt eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht mit Blick auf den Vortrag der Beschwerde in Betracht, der sich mit dem Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung befasst. Das gilt schon deshalb, weil der mit der Normenkontrolle angegriffene Regionalplan zutreffend ohne eine solche Prüfung erlassen werden durfte.

Die Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme vom 27. Juni 2001 (ABl EG Nr. L 197 S. 30) - SUP-Richtlinie - musste durch den Gesetzgeber der Mitgliedstaaten bis spätestens zum 20. Juli 2004 in nationales Recht umgesetzt werden (Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie). Dementsprechend verlangt das Raumordnungsgesetz in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH (vgl. zuletzt Urteil vom 23. März 2006 - Rs. C-209/04 - NuR 2006, 429, Rn. 56 ff. m.w.N.) eine Umweltprüfung nur bei Raumordnungsplänen, deren Aufstellung nach dem 20. Juli 2004 förmlich eingeleitet worden ist (§ 23 Abs. 3 Satz 1 ROG ). Daran fehlt es hier. Somit geht auch die auf die Umweltprüfung bezogene Verfahrensrüge fehl.

2. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) ist nicht gegeben. Das Vorbringen der Beschwerde erfüllt überwiegend bereits nicht die Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die ordnungsgemäße Darlegung der behaupteten Abweichung.

Eine Abweichung des vorinstanzlichen Urteils von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. November 2002 - 2 BvR 329/97 - (BVerfGE 107, 1 ) liegt schon deshalb nicht vor, weil sich das Bundesverfassungsgericht in dem genannten Beschluss nicht mit gemeindlichen Anhörungs- und Beteiligungsrechten bei der Aufstellung überörtlicher Pläne befasst und dementsprechend auch keinen Rechtssatz aufgestellt hat, von dem das Oberverwaltungsgericht hätte abweichen können. Soweit das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss allgemein geltende Ausführungen zu den aus Art. 28 Abs. 2 GG abzuleitenden Anhörungs- und Beteiligungsrechten von Gemeinden macht, steht das angefochtene Urteil nicht in Widerspruch hierzu. Denn das Oberverwaltungsgericht spricht - wie dargelegt - der Antragstellerin nicht generell, sondern allein auf Grund der konkreten Fallumstände ein Anhörungs- und Beteiligungsrecht ab. Aus diesem Grund ist auch die behauptete Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 1969 - BVerwG 4 C 82.66 - (DVBl 1969, 362 ) nicht gegeben.

Von einer Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C 15.01 - (BVerwGE 117, 287 ) und zum Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2006 - BVerwG 4 BN 38.05 - kann schon deshalb keine Rede sein, weil das Oberverwaltungsgericht die Grundsätze des raumordnungsrechtlichen Abwägungsgebots nicht in Frage stellt, sondern in Anwendung dieser Grundsätze einzelfallbezogen die Ansicht vertritt, dass sich die Antragstellerin nicht auf eigene abwägungserhebliche Belange berufen könne. Aus diesem Grund besteht auch die behauptete Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 2003 - BVerwG 4 CN 9.01 - (BVerwGE 118, 181 ) nicht.

Das Oberverwaltungsgericht hat sich nicht in Widerspruch zu einem Rechtssatz gesetzt, der im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - (BVerwGE 107, 215 >219<) aufgestellt ist. Dort hat das Bundesverwaltungsgericht seine ständige Rechtsprechung wiederholt, wonach u.a. geringwertige Interessen nicht in die (planerische) Abwägung einzubeziehen sind. Wenn das Oberverwaltungsgericht für die Abwägungsbeachtlichkeit eines Belangs das Erreichen einer "Erheblichkeitsschwelle" verlangt (vgl. Urteilsabdruck S. 7), so ist damit in der Sache kein anderer Maßstab angelegt.

Die behauptete Abweichung von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 1989 - BVerwG 4 C 36.86 - (BVerwGE 84, 209 ) und vom 8. September 1972 - BVerwG 4 C 17.71 - (BVerwGE 40, 323 ) ist schon deshalb nicht ordnungsgemäß dargelegt, weil sich die genannten Entscheidungen nur zu der für das Recht der Bauleitplanung geltenden Vorschrift des § 2 Abs. 2 BauGB/BBauG und nicht zu der Frage äußern, ob es im Raumordnungsrecht eine gleichartige Pflicht gibt.

3. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bestehen nicht. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts leidet nicht an den von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehlern. Das diesbezügliche Vorbringen variiert im Gewand von Verfahrensrügen die grundlegende These der Beschwerde, dass sich die Antragstellerin auf bei der regionalplanerischen Abwägung zu berücksichtigenden Belange ihrer Planungshoheit und ihres Selbstgestaltungsrechts berufen könne bzw. es jedenfalls möglich erscheine, dass ihr eine solche die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO vermittelnde Rechtsposition zur Seite stehe. Wie mehrfach dargelegt, ist dies nicht der Fall. Weitere Ausführungen hierzu sind nicht veranlasst (vgl. § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ). Auch soweit die Beschwerde darauf abhebt, dass das Oberverwaltungsgericht das im Eigentum der Antragstellerin stehende Schloss weder in seiner zivilrechtlichen Bedeutung noch mit Bezug auf die "denkmalschutzfundierte" kommunale Planungshoheit in den Blick genommen habe, ergibt sich nichts anderes. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil zur möglichen Beeinträchtigung des Ortsbildes beziehen sich ersichtlich auch auf das Schloss (vgl. Urteilsabdruck S. 7 und die dort erwähnte "Schlossanlage").

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, vom 25.04.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 10 A 14.05