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BVerwG - Entscheidung vom 03.11.2006

10 B 6.06

BVerwG, Beschluss vom 03.11.2006 - Aktenzeichen 10 B 6.06

DRsp Nr. 2006/29969

Gründe:

Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Als klärungsbedürftig wirft die Beschwerde die Frage auf,

ob bei der Auslegung des Begriffes "Regenwasserkanal" in § 3 der Entwässerungssatzung der Beklagten die bundesrechtliche Vorschrift des § 18b Abs. 1 WHG nicht beachtet wurde.

In diesem Zusammenhang will sie geklärt wissen,

ob die Vorschrift des § 18b Abs. 1 WHG dahin auszulegen ist, dass Abwasserkanäle bestimmten technischen Mindestanforderungen entsprechen müssen.

Die erste dieser Fragen wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Sie betrifft ausdrücklich die Auslegung des Satzungsrechts der Beklagten und damit Landesrecht. Dessen Auslegung und Anwendung ist einer revisionsgerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich (§ 137 Abs. 1 VwGO ) und kann deshalb eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht rechtfertigen. Daran ändert nichts, dass der Begriff des Kanals im Abgabenrecht anderer Länder in vergleichbarer Weise Verwendung finden mag (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 1995 - BVerwG 4 B 216.95 - BVerwGE 99, 351 >353 f.<).

Die mit der vorgenannten Fragestellung verbundene weitere Frage betrifft zwar die Auslegung von Bundesrecht. Bezogen auf sie ist ein Klärungsbedarf aber nicht hinreichend dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ), da es auf sie für die von der Beschwerde problematisierte Zuordnung des von der Beklagten als Teil ihrer Entwässerungsanlage beanspruchten Grabensystems zum Begriff des (Abwasser-)Kanals nicht ankommt. § 18b WHG verhält sich nämlich nicht zu den - allein landesrechtlicher Bestimmung unterliegenden - begrifflichen Voraussetzungen für Kanäle als Teile von Abwasseranlagen, an die die Entwässerungssatzung der Beklagten anknüpft, sondern regelt die wasserrechtlichen Anforderungen, denen Abwasseranlagen genügen müssen.

Soweit die Beschwerde rügt, die Auslegung des Begriffs "Regenwasserkanal" durch den Verwaltungsgerichtshof verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip und sei offensichtlich willkürlich, macht sie lediglich eine fehlerhafte Rechtsanwendung geltend, die nicht auf eine Grundsatzfrage führt. Die Ausführungen hierzu geben im Übrigen angesichts des Spektrums möglicher Bedeutungsgehalte des Kanalbegriffs für den Vorwurf der Rechtsstaatswidrigkeit und Willkür nichts her.

Mit der weiterhin aufgeworfenen Frage,

ob eine Entwässerungssatzung gegen Art. 14 Abs. 1 GG verstößt, die eine Handlung, welche nach Landesrecht im Rahmen des Gemeingebrauches gesetzlich erlaubt ist, einer Beitragspflicht unterwirft,

geht es der Beschwerde um die Vereinbarkeit von Bestimmungen des Landesrechts mit der bundesverfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie. Unter diesem Gesichtspunkt könnte sich ein bundesrechtlicher Klärungsbedarf nur dann ergeben, wenn die Auslegung der bundesrechtlichen Maßstabsnorm ihrerseits ungeklärte Fragen von fallübergreifender Bedeutung aufwerfen würde. Aus diesem Grund müsste im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern diese Norm noch klärungsbedürftig ist und warum der zu ihr ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher keine Aussagen zu entnehmen sind, die eine hinreichende Klärung bewirken (vgl. Beschlüsse vom 5. November 2001 - BVerwG 9 B 50.01 - NVwZ-RR 2002, 217 und vom 4. April 2002 - BVerwG 6 B 1.02 - juris Rn. 4). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie beschränkt sich darauf, die Beitragserhebung für die Möglichkeit einer als Gemeingebrauch qualifizierten Einleitung von Niederschlagswasser in Entwässerungsgräben als unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundeigentum zu rügen, ohne sich damit auseinanderzusetzen, in welcher Hinsicht bislang ungeklärte Fragen grundsätzlicher Art zu Inhalt und Tragweite der Eigentumsgarantie in Bezug auf die Erhebung von Abgaben bestehen.

Soweit die Beschwerde darüber hinaus einen Verstoß des in der Entwässerungssatzung der Beklagten festgelegten Benutzungszwangs gegen § 1a Abs. 2 WHG geltend macht, unterlässt sie es schon, eine als klärungsbedürftig erachtete Frage zu formulieren; auch mit diesem Einwand erschöpft sie sich in dem Vorwurf fehlerhafter Rechtsanwendung, der als solcher den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht auszufüllen vermag.

2. Die Verfahrensrügen greifen ebenfalls nicht durch.

Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe seine Feststellungen zur Ausgestaltung der Entwässerungsgräben auf nicht aussagekräftige Aktenauszüge gestützt und dadurch den Grundsatz freier Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ) verletzt. Dem kann nicht gefolgt werden. Fehler in der Sachverhaltswürdigung sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können deshalb einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht begründen (vgl. Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f.). Eine Ausnahme kommt allerdings bei einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht (vgl. Urteile vom 25. Mai 1984 - BVerwG 8 C 108.82 - Buchholz 448.0 § 11 WPflG Nr. 35 S. 15 f. und vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 >272 f.<; Beschluss vom 2. November 1995 a.a.O.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Namentlich hat die Vorinstanz keine aktenwidrigen Feststellungen getroffen. Sie bezieht sich für ihre Angaben zur Ausgestaltung des bestehenden Grabensystems auf im Einzelnen bezeichnete Unterlagen, die dieses System teils textlich, teils zeichnerisch darstellen und sowohl dessen einzelnen Bestandteile als auch deren jeweilige Ausdehnung erläutern. Wieso diese Unterlagen nicht aussagekräftig sein sollten, legt die Beschwerde nicht ansatzweise dar. Es kann im Übrigen keine Rede davon sein, der Verwaltungsgerichtshof habe den vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt in sein Gegenteil verkehrt. Seine Feststellungen, die sich ergänzend zu den dem Verwaltungsgericht verfügbaren Unterlagen auch auf das erst später erstellte Entwässerungskonzept der Beklagten vom 18./25. Juli 2005 nebst Lageplan stützen konnten, decken sich in der Grundaussage, wonach das Grabensystem weitgehend aus nach oben offenen, lediglich durch verrohrte Teilstücke ergänzten Gräben besteht, mit derjenigen des Verwaltungsgerichts. Die rechtliche Zuordnung der Gräben zur gemeindlichen Entwässerungsanlage hat der Verwaltungsgerichtshof ohnehin unabhängig von dem Maß der Verrohrung vorgenommen mit der Folge, dass der behauptete Verfahrensfehler gar nicht entscheidungserheblich wäre.

Soweit die Beschwerde weiterhin geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof sei ohne Begründung von seiner eigenen früheren Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Einbeziehung von Gräben in eine gemeindliche Entwässerungsanlage abgewichen und habe dadurch das Willkürverbot verletzt, rügt sie eine fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts. Da sie nichts dafür vorträgt, dass es sich um eine Überraschungsentscheidung gehandelt haben könnte, ist ein Verfahrensfehler hingegen nicht dargetan.

Entsprechendes gilt für die Rüge, das Berufungsgericht habe die Nichtigkeit der maßgeblichen gemeindlichen Satzung übersehen. Auch diese Rüge bezieht sich nur auf die Anwendung des materiellen Rechts und ist daher nicht geeignet, den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auszufüllen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 3 und § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Bayern, vom 01.12.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 23 B 05.1745