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BVerwG - Entscheidung vom 24.10.2006

1 B 15.06

BVerwG, Beschluss vom 24.10.2006 - Aktenzeichen 1 B 15.06

DRsp Nr. 2006/28501

Gründe:

Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, denn die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ).

Die Beschwerde, die sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) sowie auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) beruft, bleibt ohne Erfolg.

Sie hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "dass Mitglieder oppositioneller monarchistisch ausgerichteter Gruppen, die nach abgeschlossenem Asylverfahren in den Iran zurückkehren, grundsätzlich politisch verfolgt werden" (Ziff. 7 der Beschwerdebegründung). Diese Frage sei von grundsätzlicher Bedeutung für viele iranische Asylantragsteller in Deutschland, sie müsse anhand der neuen Lage und der neuen Erkenntnisse auch obergerichtlich neu definiert werden. Eine rechtsgrundsätzliche Frage im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist damit nicht gestellt. Die Zulassung der Revision würde hier voraussetzen, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird, die in einem Revisionsverfahren verallgemeinerungsfähig beantwortet werden kann. Die von der Beschwerde aufgeworfene - und zum Teil mit neuem tatsächlichem Vorbringen belegte - Frage zielt demgegenüber nicht auf eine Rechtsfrage, sondern betrifft die den Tatsachengerichten vorbehaltene Klärung der politischen Verhältnisse im Iran.

Soweit die Beschwerde als Verfahrensmangel einen Verstoß der Beweiswürdigung gegen die Denkgesetze und damit gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO rügt (Ziff. 3 der Beschwerdebegründung), verhilft ihr dies ebenfalls nicht zum Erfolg. Sie sieht einen Verstoß gegen die Denkgesetze sinngemäß darin, dass das Berufungsgericht Auskünfte des Auswärtigen Amtes nicht als "diplomatisch abgefasst" gewürdigt habe. Außerdem seien die Auskünfte des Deutschen Orient-Instituts zur Gefährdung von oppositionellen Rückkehrern nur selektiv gewürdigt worden. Die Beschwerde zeigt jedoch nicht auf, dass das Berufungsgericht aufgrund dieser Auskünfte einen Schluss gezogen hat, der schlechterdings nicht gezogen werden kann (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat sich hinsichtlich der hier maßgeblichen Frage von Referenzfällen im Übrigen nicht nur auf das Auswärtige Amt und das Deutsche Orient-Institut, sondern auch auf Auskünfte des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Amnesty International, des Kompetenzzentrums Orient-Okzident des Geographischen Instituts der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz sowie der Schweizerischen Flüchtlingshilfe bezogen (UA S. 12 ff.).

Die Beschwerde macht ferner sinngemäß geltend, das Berufungsgericht sei den Beweisanträgen bzw. Beweisanregungen des Klägers nicht gefolgt, zur Gefährdung von oppositionellen Rückkehrern ein Sachverständigengutachten des Deutschen Orient-Instituts und des Orient-Okzident-Kompetenzzentrums der Universität Mainz einzuholen; eine weitere Aufklärung hierzu hätte sich dem Gericht im Übrigen auch ohne entsprechende Anträge aufdrängen müssen (Ziff. 4, 5 und 6 der Beschwerdebegründung). Damit und mit dem weiteren Vorbringen hierzu sind die Aufklärungsrügen nicht schlüssig erhoben (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ). Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern sich dem Berufungsgericht eine ergänzende Beweiserhebung durch Einholung weiterer sachverständiger Stellungnahmen und Auskünfte hätte aufdrängen müssen. Das Berufungsgericht hat die Beweisanträge (Nr. 1 und Nr. 2) u.a. mit der Begründung abgelehnt, dass ihm aufgrund der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen - etwa Auskünfte des Deutschen Orient-Instituts und des Kompetenzzentrums Orient-Okzident des Geographischen Instituts der Universität Mainz - zureichende eigene Sachkunde zustehe und es an Anhaltspunkten dafür fehle, dass die vorliegenden Gutachten ungenügend seien oder neue Gesichtspunkte das Bedürfnis nach weiterer Begutachtung belegten (UA S. 28). Hiermit und mit den weiteren vom Berufungsgericht angeführten Ablehnungsgründen (UA S. 27 ff.) setzt sich die Beschwerde nicht hineinreichend auseinander. In Wahrheit wendet sie sich gegen die aus ihrer Sicht unzutreffende Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Damit kann ein Verfahrensfehler jedoch nicht dargetan werden.

Der erneute Vorwurf, das Berufungsgericht habe die unterschiedlichen Auskünfte "der einzelnen Auskunftsstellen" nicht erschöpfend gewürdigt und die Entscheidung damit insoweit nicht begründet im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO , trifft nicht zu. Inwiefern die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts (auch) in diesem Zusammenhang - im Hinblick auf iranische Kontaktpersonen - gegen Denkgesetze verstoßen soll, ist schon im Ansatz nicht nachvollziehbar.

Unbegründet sind schließlich auch die Rügen hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Vorverfolgung im Iran (Ziff. 1 und 2 der Beschwerdebegründung). Der Vorwurf, das Berufungsgericht habe seine Überzeugungsgewissheit von der fehlenden Vorverfolgung nicht dargelegt, deshalb sei die Berufungsentscheidung insoweit nicht mit Gründen versehen (§ 138 Nr. 6 VwGO ), leidet an einem prozessualen Missverständnis. In einem Asylverfahren muss sich das Gericht gemäß § 108 Abs. 1 VwGO davon überzeugen, dass dem Kläger mit der asylrechtlich jeweils maßgeblichen Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht. Diese Überzeugungsbildung muss im Urteil begründet werden. Nicht jedoch muss sich das Gericht im umgekehrten Fall eine Überzeugung darüber bilden und sie im Einzelnen belegen, dass eine Verfolgung nicht droht. Auch der weitere Vorwurf, das Berufungsgericht hätte die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung des Präsidenten des NID-OIK nicht als unergiebig abtun dürfen, sondern es hätte den mit der Bescheinigung angesprochenen Fragen durch Vernehmung des Präsidenten als Zeugen weiter nachgehen müssen, trifft nicht zu. Da das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers zu seiner Vorverfolgung insgesamt als unglaubhaft beurteilt hat (UA S. 9 ff.), ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen es sich dem Gericht von sich aus hätte aufdrängen sollen, Fragen aufzuklären, die in der Bescheinigung nicht angesprochen und vom Kläger nicht im Einzelnen benannt und unter Beweis gestellt worden sind. Dass das Berufungsgericht auf eine mögliche Ergänzungsbedürftigkeit der Bescheinigung nicht hingewiesen hat, stellt unter den gegebenen Umständen auch keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 108 Abs. 2 oder § 86 Abs. 3 VwGO dar. Abgesehen von der - nach Auffassung des Berufungsgerichts - Unglaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens zur Frage seiner Vorverfolgung muss das Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr des BVerwG; vgl. etwa Urteil vom 13. Mai 1976 - BVerwG 2 C 26.74 - Buchholz 237.4 § 35 HmbBG Nr. 1). Die Beschwerde zeigt die Voraussetzungen einer Ausnahme von diesem Grundsatz nicht auf.

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG .

Vorinstanz: VGH Hessen - 11 UE 3311/04.A - 23.11.2005,