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BVerwG - Entscheidung vom 15.09.2006

1 B 33.06

BVerwG, Beschluss vom 15.09.2006 - Aktenzeichen 1 B 33.06

DRsp Nr. 2006/26064

Gründe:

Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) und einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) gestützte Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig,

ob für nicht aus Berg-Karabach stammende aserbaidschanische (aserische) Staatsangehörige und armenische Volkszugehörige und deren Abkömmlinge, die nicht aus Berg-Karabach stammen und dort keinerlei Verwandtschaft oder Bekanntschaft besitzen, bei einer erstmaligen Einreise in die Region Berg-Karabach eine zumutbare inländische Fluchtalternative besteht.

Bei dieser Frage handelt es sich indes nicht - wie für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung erforderlich - um eine Rechtsfrage, sondern es geht der Beschwerde, wie auch ihre weiteren Ausführungen zeigen, in erster Linie um die Feststellung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse in Berg-Karabach. Diese ist aber nach der Prozessordnung den Tatsachengerichten vorbehalten und einer Klärung im Revisionsverfahren nicht zugänglich (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO ). Auch soweit die Beschwerde auf abweichende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der inländischen Fluchtalternative in Berg-Karabach verweist, führt ihr Vorbringen nicht auf unterschiedliche rechtliche Ausgangspunkte, sondern auf eine abweichende Würdigung der Auskunftslage. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde damit gegen die ihrer Ansicht nach unrichtige Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts insbesondere im Hinblick auf die (verneinte) Gefährdung des wirtschaftlichen Existenzminimums der Klägerin in der Region Berg-Karabach, ohne damit eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufzuzeigen.

2. Soweit die Beschwerde als Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO ) rügt, legt sie dies nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.

Die Beschwerde beanstandet, das Oberverwaltungsgericht habe es unterlassen, zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts Frau Dr. S., Herrn Dr. K. sowie Frau J. von der OSZE als Zeugen zu vernehmen, obwohl sich dem Berufungsgericht dies hätte aufdrängen müssen. Insbesondere habe die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 5. August 2005 ausdrücklich die Vernehmung der benannten Personen als Zeugen, die mit ihren schriftlichen Stellungnahmen den "offiziellen" Verlautbarungen doch stark widersprächen, beantragt. Die Beweisaufnahme hätte zu dem Ergebnis geführt, dass die Region Berg-Karabach für die Klägerin keine zumutbaren Lebensbedingungen und somit keine inländische Fluchtalternative bieten könne. Damit und mit dem weiteren Vorbringen der Beschwerde wird der behauptete Aufklärungsmangel nicht hinreichend aufgezeigt.

Das Berufungsgericht hat sich mit den im Schriftsatz vom 5. August 2005 angeführten gutachtlichen Stellungnahmen der Frau Dr. S. vom 11. November 2004 und des Herrn Dr. K. vom 27. Juni 2004, die im Übrigen auch in der zuvor vom Gericht übersandten Erkenntnismittelliste enthalten waren (Gerichtsakte Bl. 137 R), in den Urteilsgründen auseinandergesetzt und dargelegt, warum nach seiner Auffassung auch diese Stellungnahmen nicht der Annahme einer inländischen Fluchtalternative für die Klägerin im Gebiet von Berg-Karabach entgegenstehen (UA S. 18). Dass sich dem Berufungsgericht zusätzlich die Vernehmung dieser beiden Personen sowie der Frau J. von der OSZE als Zeugen hätte aufdrängen müssen, obwohl die anwaltlich vertretene Klägerin in der Berufungsverhandlung einen entsprechenden Beweisantrag nicht mehr gestellt hat, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Sie zeigt schon nicht - wie für das Aufdrängen eines Zeugenbeweises erforderlich - auf, welche Wahrnehmungen die benannten Personen in Bezug auf welche Beweistatsachen (oder die zu deren Ermittlung dienenden Hilfstatsachen oder Indiztatsachen) selbst gemacht haben sollen (vgl. zu den Anforderungen an einen substantiierten Zeugenbeweisantrag etwa Beschluss vom 22. August 2001 - BVerwG 1 B 95.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 249). Ebenso wenig legt die Beschwerde dar, dass etwaige in das Wissen der Zeugen gestellte Beweistatsachen nach der insoweit allein maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts entscheidungserheblich waren. Soweit mit der Beweisanregung der Klägerin das Fehlen jeglicher staatlicher Unterstützung für Einwanderer aus dem Ausland unter Beweis gestellt werden sollte, musste sich dem Berufungsgericht im Übrigen auch schon deshalb keine weitere Aufklärung aufdrängen, weil es jedenfalls auch die Möglichkeit einer landwirtschaftlichen Subsistenzwirtschaft (ohne staatliche Förderung) für ausreichend hält, um eine inländische Fluchtalternative zu bejahen (UA S. 18). Ferner setzt sich die Beschwerde weder damit auseinander, dass nach Auffassung des Berufungsgerichts nur solche existenziellen Gefährdungen zu berücksichtigen sind, die für den betroffenen Personenkreis an ihrem Herkunftsort in Aserbaidschan nicht bestünden (UA S. 18), noch geht sie auf die Feststellungen zur nach wie vor äußerst schlechten wirtschaftlichen Lage in Aserbaidschan ein (UA S. 15 f.).

Die Beschwerde kann auch nicht dahin verstanden werden, dass sie jedenfalls bezüglich der Frau Dr. S. und des Herrn Dr. K., deren schriftliche Gutachten das Berufungsgericht in das Verfahren eingeführt hat, eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Ladung dieser Personen als Sachverständige zum Zweck der ergänzenden Befragung zu ihren gutachtlichen Stellungnahmen rügen will. Sie macht nicht geltend, dass mit dem Schriftsatz vom 5. August 2005 eine solche ergänzende Befragung der benannten Personen als Gutachter durch die Klägerin überhaupt beantragt worden ist. Außerdem würde das Vorbringen auch sonst nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügen. Die Beschwerde erwähnt schon nicht die einschlägigen Bestimmungen des § 98 VwGO i.V.m. §§ 402 , 397 oder § 411 Abs. 3 ZPO . Sie setzt sich ferner nicht mit der Frage auseinander, ob diese Vorschriften auch dann entsprechend anwendbar sind, wenn es sich - wie hier - um gutachtliche Stellungnahmen handelt, die nicht im Ausgangsverfahren, sondern in einem anderen Asylprozess eingeholt worden sind (vgl. hierzu auch Beschluss vom 3. Februar 1998 - BVerwG 9 B 109.98 - und § 411a ZPO ). Auch wenn man dies unterstellt, könnte sich die Klägerin im Beschwerdeverfahren im Übrigen nicht mehr mit Erfolg auf einen etwaigen Verfahrensmangel berufen, weil sie in der mündlichen Verhandlung am 9. August 2005 in Kenntnis der Tatsache, dass das Gericht die Gutachter hierzu nicht geladen hatte, dies nicht gerügt, sondern sich ohne weiteres auf die Verhandlung eingelassen hat (vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO ).

Soweit die Klägerin sich in der Beschwerdebegründung erstmals auf den ihr erst jetzt zugänglich gewordenen Bericht der OSCE-Fact-Finding Mission vom Februar 2005 beruft, handelt es sich um ein neues Erkenntnismittel, das im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden kann.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG .

Vorinstanz: OVG Thüringen - 2 KO 898/03 - 13.9.2005,