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BVerwG - Entscheidung vom 13.09.2006

1 B 113.06

BVerwG, Beschluss vom 13.09.2006 - Aktenzeichen 1 B 113.06

DRsp Nr. 2006/26054

Gründe:

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.

1. Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

"ob die Situation der Hindus in Afghanistan, so wie sie D. in dem in das Verfahren eingeführten Gutachten sowie im weiteren in seiner Stellungnahme gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der mündlichen Verhandlung geschildert hat, eine Verfolgungssituation der Hindu im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG in der Auslegung nach Art. 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen"

darstellt (Beschwerdebegründung S. 4).

Sie verweist darauf, dass nach Art. 10 Nr. 1 b der Richtlinie der Begriff der Religion auch die Religionsausübung im privaten und öffentlichen Bereich umfasse und eine solche Religionsausübung für Hindus in Afghanistan nicht mehr möglich sei. Hindus seien nach dem Gutachten von Dr. D. vielmehr "von der Gesellschaft abgeschnitten, gemieden und könnten sich lediglich in zerstörten Hindutempeln ghettoisiert" aufhalten. Darin liege eine religiöse Verfolgung nach Art. 10 der Richtlinie vor. Wann religiöse Verfolgung vorliege, sei auch schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie am 10. Oktober 2006 bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen.

Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht aufgezeigt. Die Beschwerde wirft schon keine der Klärung in einem Revisionsverfahren zugängliche Rechtsfrage auf. Die erwähnte Frage zielt nämlich nicht auf die rechtlichen Voraussetzungen einer Verfolgung wegen der Religion im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG , sondern betrifft nach ihrem Wortlaut wie nach den weiteren Ausführungen der Beschwerde in erster Linie die konkrete Verfolgungssituation für Hindus in Afghanistan. Diese lässt sich aber nur aufgrund der dem Tatrichter vorbehaltenen Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse in Afghanistan beantworten und ist damit in Wahrheit letztlich eine Tatsachenfrage, die sich einer verbindlichen Klärung im Revisionsverfahren entzieht. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass mit der Tatsachenfrage zugleich einer revisonsrechtlichen Klärung zugängliche Rechtsfragen aufgeworfen würden, legt die Beschwerde deren Entscheidungserheblichkeit nicht dar. In dem angefochtenen Urteil wird ausdrücklich offen gelassen, ob die derzeitige Situation der Hindus in Afghanistan den Tatbestand einer asylerheblichen Verfolgung erfüllt. Da das Berufungsgericht über einen Folgeantrag im Sinne von § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zu entscheiden hatte, stützt es seine klageabweisende Entscheidung unter anderem darauf, dass hinsichtlich der Verfolgung von Hindus in Afghanistan keine Änderung der Sachlage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG gegenüber derjenigen, die dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. März 1999 über den Erstantrag zugrunde gelegen hat, eingetreten sei. Die Verfolgungssituation habe sich für die Kläger im Vergleich zur Regierungszeit der Taliban nicht verschlechtert oder verschärft, sondern eher verbessert (UA S. 10 f.). Die Beschwerde geht auf die besonderen Voraussetzungen eines Folgeverfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG und die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts im Rahmen der erhobenen Grundsatzrüge überhaupt nicht ein und zeigt auch nicht auf, warum es unter Zugrundelegung der für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO ) zur fehlenden Verschärfung der Verfolgungssituation noch darauf ankommen soll, ob der Tatbestand der religiösen Verfolgung im Sinne der EG-Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Nach dem legt die Beschwerde auch nicht in der erforderlichen Weise die rechtsgrundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der ebenfalls aufgeworfenen Fragen dar, ob sich die Kläger bereits vor Inkrafttreten der genannten Richtlinie auf diese berufen können und insoweit nach der Qualifikationsrichtlinie "die Religionsausübung im Heimatland auf den privaten und nachbarschaftlich kommunikativen Bereich" beschränkt werden kann.

2. Die Beschwerde rügt weiter, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ), weil das Berufungsgericht das rechtliche Gehör der Kläger verletzt habe. Eine Verletzung des Gebots zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ) liege darin, dass das Gericht den asylrechtlichen Folgeantrag der Kläger unter Hinweis auf unzureichendes Vorbringen innerhalb der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG zurückgewiesen habe, obwohl den der deutschen Sprache nicht mächtigen Klägern bei Aufnahme ihres Antrags durch das Bundesamt kein Dolmetscher gestellt worden sei. Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen legt die Beschwerde nicht wie erforderlich dar, dass das Berufungsurteil auf dem geltend gemachten Gehörsverstoß beruhen kann. Die Beschwerde, die eine Verschlechterung der Lage für Hindus in Afghanistan behauptet, setzt sich nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht das Urteil auch - insoweit selbstständig tragend - darauf gestützt hat, dass - unabhängig von den Angaben der Kläger im Folgeantrag vom 31. Oktober 2001 - keine Änderung der Sachlage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG vorliegt (UA S. 10 f.). Einen weiteren Wiederaufgreifensgrund macht die Beschwerde nicht geltend. Die im Rahmen der zweiten Begründung getroffenen Feststellungen hat die Beschwerde nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Ist ein Berufungsurteil - wie hier - auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, kann der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur entsprochen werden, wenn hinsichtlich jedes dieser Gründe ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. z.B. Beschluss vom 15. Juni 1990 - BVerwG 1 B 92.90 - Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20). Daran fehlt es hier.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG .

Vorinstanz: VGH Hessen - 8 UE 811/05.A - 27.4.2006,