Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 26.01.2006

9 B 22.05

BVerwG, Beschluss vom 26.01.2006 - Aktenzeichen 9 B 22.05

DRsp Nr. 2006/2125

Gründe:

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 23. Januar 2006 keinen Erfolg. Ein für das angefochtene Urteil erheblicher Verfahrensmangel, der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht, und die Sache hat auch nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.

1. Die Beschwerde hält sinngemäß die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

ob es zu den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Folgenbeseitigungsanspruchs gehört, dass eine ausschließliche Kausalität zwischen der Amtshandlung und dem eingetretenen Schaden vorliegen muss.

In diesem Zusammenhang soll zugleich die Frage klärungsbedürftig sein,

"ob bei einer Rechtswidrigkeit des hoheitlichen Eingriffs und damit auch bei einer Rechtswidrigkeit des dadurch geschaffenen Zustandes nicht von einer Beweislastumkehr für die Frage der haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität auszugehen ist".

Hiermit wendet sich die Beschwerde gegen die im Berufungsurteil zu findende Aussage, "die von der Rechtsprechung geforderte unmittelbare und ausschließliche Kausalität der gegenwärtigen Höhenlage" des Gewässerdurchlasses unter der Straßenbrücke für die Überschwemmungen auf dem Wohngrundstück des Klägers sei nicht nachgewiesen (UA S. 17 f.). Das damit anklingende Erfordernis einer "ausschließlichen" Kausalität hat das Berufungsgericht letztlich aber nicht entscheidungstragend gemacht. Gleiches gilt für eine etwaige Aussage zur Frage der Beweislast. Die Klageabweisung beruht nämlich zum einen auf der Erwägung, dass die geforderte Absenkung der Sohle des Gewässers als Maßnahme, die geeignet wäre, den Großteil der hochwasserbedingten und maßgeblich auf mangelnde Unterhaltung des Bachlaufs zurückzuführenden Überschwemmungen von dem klägerischen Wohngrundstück fernzuhalten, allein nicht ausreichen würde. Zum anderen hält das Berufungsgericht dem Kläger aber auch entgegen, dass die Verbesserung der Situation, die bereits von einer regelmäßigen Grabenräumung zu erwarten wäre, in keinem Verhältnis zu dem für die geforderte Maßnahme notwendigen finanziellen Aufwand stehen würde (UA S. 18 f.). Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragestellungen könnten aus diesem Grunde in dem angestrebten Revisionsverfahren keiner Klärung zugeführt werden; sie wären für das Bundesverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich.

2. Ein für das angefochtene Urteil erheblicher Verfahrensmangel ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen ebenso wenig.

a) Die Beschwerde rügt eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO ) und des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ). Die Beschwerde ist der Meinung, dem vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, ob die Brückensohle für die Überschwemmungen auf dem klägerischen Wohngrundstück ursächlich sei, habe das Berufungsgericht zu Unrecht nicht Folge geleistet. Im Wesentlichen bezieht sich die Beschwerde auf das vom Kläger beigebrachte Gutachten vom 15. März 2002, in dem sich Prof. Dr. H. mit den Feststellungen des Gutachters Dr. M. substantiiert auseinander gesetzt habe. Aufgrund des "offenen Beweisergebnisses" habe die Verpflichtung des Berufungsgerichts bestanden, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2005 habe der Kläger außerdem darauf hingewiesen, dass eine Berechnung von HQ 50 und HQ 100 vorzunehmen sei, weil die bei Neuplanung der Straßenbrücke angeblich erfolgte Berechnung HQ 30 nicht dem Stand der Technik entsprochen habe. Diese Berechnung, die erforderlich gemacht hätte, ein Flussmodell zu erstellen, hätte gezeigt, dass wegen der zu geringen Durchlässe das Hochwasser nicht von seinem Wohngrundstück abfließen könne. Insofern habe sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens wegen der Komplexität des Sachverhalts aufgedrängt. Diese Rügen greifen nicht durch.

Etwaige Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können deswegen einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründen (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 19). Eine Fallgestaltung, die eine abweichende Beurteilung zulassen würde (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 >209<), wird von der Beschwerde nicht dargelegt. Die Kritik an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts lässt nicht erkennen, dass diejenigen Tatsachenfeststellungen, die für das angefochtene Urteil tragend geworden sind, die Grenzen einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschreiten.

Wie zuvor bereits betont wurde (oben 1.), beruht das Urteil nicht etwa auf der Erwägung, dass die Höhe der Brückensohle keinerlei Ursachenbeitrag liefert, wenn nach Überschwemmungen das Wasser nicht zügig wieder abfließt. Dem vom Kläger geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruch ist vielmehr nur entgegengehalten worden, eine Würdigung der vorliegenden Gutachten ergebe, dass insbesondere die mangelnde Unterhaltung des Gewässers dessen Fließgeschwindigkeit entscheidend beeinträchtige (UA S. 19). Um die Fließgeschwindigkeit zu erhöhen, sei eine Absenkung der Brückensohle nicht ausreichend; vielmehr müsse das Gewässerbett weitergehend verändert werden (UA S. 17). Einen Einfluss der mangelnden Unterhaltung auf den erhöhten Wasserspiegel hat auch der Gutachter Prof. Dr. H. nicht in Abrede gestellt und dabei die mangelnde Leistungsfähigkeit des Bachprofils als Ursache genannt (UA S. 18). Hiervon ausgehend musste es sich dem Berufungsgericht nicht aufdrängen, den Abfluss der verschiedenen Hochwasserstände mittels eines Flussmodells rechnerisch nachzuvollziehen, um genauer zu bestimmen, wie sich die Brückensohle auf den Wasserabfluss auswirkt. Aus diesem Grunde ist auch nicht ersichtlich, dass es hier etwa um die Beurteilung einer besonders schwierigen Fachfrage ging, die einer vertieften Untersuchung durch ein weiteres Sachverständigengutachten bedurft hätte (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 >45<; BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67 - BGHZ 53, 245 >259<). Es ist nicht als Verfahrensfehler zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht dem Gutachter Dr. M. gefolgt ist, der sich gegen eine entscheidende Ursächlichkeit der angeblich erhöhten Brückensohle ausgesprochen und gemeint hatte, die vorhandene Sohle sei zumindest ausreichend, um Überschwemmungen vom klägerischen Wohngrundstück abzuleiten (UA S. 17).

Die Nichteinholung eines weiteren Sachverständigengutachtens ist in aller Regel nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn ein bereits vorliegendes Gutachten grobe Mängel aufweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - a.a.O.; BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67 - a.a.O.). Die Kritik, die von der Beschwerde an der Einschätzung des Sachverständigen Dr. M. unter Hinweis auf teilweise abweichende Aussagen des Gutachters Prof. Dr. H. geübt wird, reicht nicht aus, um derartige Mängel darzulegen. Dem Umstand, dass Dr. M. in seinem Gutachten vom 17. Januar 1998 nicht speziell das klägerische Wohngrundstück untersucht hatte, war in erster Instanz durch eine ergänzende Befragung dieses Sachverständigen Rechnung getragen worden (UA S. 16). Die Beschwerde vermag nicht aufzuzeigen, warum das Ergebnis dieser Befragung nicht verwertbar gewesen sein sollte, wenn sie die Aussagen des Sachverständigen Dr. M. als überraschend und lapidar bezeichnet.

b) Eine Aufklärungsrüge erhebt die Beschwerde auch hinsichtlich der Feststellung des Berufungsgerichts, die begehrte Absenkung der Brückensohle erfordere "konstruktionsbedingt einen Brückenneubau". Sie ist der Meinung, es wäre ohne Einfluss auf die Brückenstatik möglich und zur Verbesserung der Abflussverhältnisse ausreichend gewesen, die Betonsohle aufzuschneiden und ein Rohr zu verlegen. Die Beschwerde muss sich insoweit jedoch entgegenhalten lassen, dass diese Lösungsvariante nicht vom Klageantrag umfasst war, an dem der Kläger seit der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 1. März 2001 festgehalten hat. Da bereits das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 24. April 2002 (dort UA S. 10) diesen Klageantrag mit der Begründung abgelehnt hatte, er erfordere praktisch einen Brückenneubau, wäre es Sache des anwaltlich vertretenen Klägers gewesen, etwa durch einen entsprechenden Hilfsantrag zu verdeutlichen, dass sein Klagebegehren die genannte Lösung mit umfassen sollte. Zwar räumt der Beklagte ein, dass "die Thematik in der Berufungsverhandlung fachlich erörtert worden" sei. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Kläger eine Bescheidung insoweit nicht erwarten durfte, wenn er unverändert an seinem ursprünglichen Klageantrag festhielt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO . Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 , § 47 Abs. 3 GKG .

Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 13.07.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 13 LC 16/03