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BVerwG - Entscheidung vom 11.01.2006

4 B 80.05

BVerwG, Beschluss vom 11.01.2006 - Aktenzeichen 4 B 80.05

DRsp Nr. 2006/2104

Gründe:

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Vorbringen der Beschwerde rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

1. Die Beschwerde möchte in dem erstrebten Revisionsverfahren (sinngemäß) rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,

- ob eine verbindliche Erklärung des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts auch ohne nachträgliche Auflagenänderung durch die Behörde Einfluss auf den Inhalt einer Baugenehmigung hat und

- ob der prozessuale Streitgegenstand - bei einer Anfechtungsklage bestimmt durch den angefochtenen Verwaltungsakt der Behörde und den Klagantrag des Klägers - durch eine verbindliche Erklärung des durch den Verwaltungsakt Begünstigten eine Änderung erfahren kann.

Diese Fragen würden sich in dem Revisionsverfahren nicht stellen. Der Verwaltungsgerichtshof hat weder angenommen, dass die in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung der Beigeladenen, von der ihnen erteilten Baugenehmigung nur dahingehend Gebrauch zu machen, dass sie die Abluftkamine mit einer Gesamthöhe von 15 m über Grund, d.h. um 2 m erhöht, ausführen, Einfluss auf den Inhalt der erteilten Baugenehmigung hat, noch dass die Erklärung den Streitgegenstand des Verfahrens verändert hat. Er hat aufgrund der Erklärung der Beigeladenen lediglich eine Verletzung der Rechte des Klägers als Nachbar, die gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO Voraussetzung für den Erfolg der Anfechtungsklage gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist, durch die genehmigte Stallerweiterung ausgeschlossen.

2. Die von der Beschwerde weiter als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage,

ob die Rechtsverletzung gemäß § 42 VwGO / § 113 Abs. 1 VwGO im Ausspruch der Baugenehmigung einschließlich ihrer Nebenbestimmungen liegt oder nur in der Realisierung der Baugenehmigung,

bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass der Bauherr eine verbindliche Erklärung abgeben kann, die Baugenehmigung nicht auszunutzen, und dass dadurch eine Verletzung der Rechte des Nachbarn im Einzelfall ausscheiden kann (vgl. Urteil vom 9. Februar 1995 - BVerwG 4 C 23.94 - Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 213). Nichts anderes kann gelten, wenn der Bauherr verbindlich erklärt, von der Baugenehmigung nur in einer Weise Gebrauch zu machen, die eine Verletzung der Rechte des Nachbarn ausschließt.

3. Die Beschwerde wirft schließlich als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf,

unter welchen Voraussetzungen von einem "legalen" Betrieb im Sinne des Senatsurteils vom 22. Juni 1990 - BVerwG 4 C 6.87 - (Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 261) auszugehen ist, bei dessen Erweiterung nur zu prüfen ist, ob eine Verschlechterung der Immissionslage zu erwarten ist.

Auch diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Nach der Rechtsprechung des Senats dürfen bei der im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme erforderlichen Interessenabwägung bestehende Vorbelastungen nicht außer Betracht bleiben. Was von einem genehmigten Betrieb - legal - an Belastungen verursacht wird und sich auf eine vorhandene Wohnbebauung auswirkt, kann deren Schutzwürdigkeit mindern. Stoßen Gebiete von unterschiedlicher Qualität aneinander, so sind auch sie mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet. Entsprechendes gilt für diejenigen, die vor Ansiedlung des Betriebes in diesem Bereich gewohnt und sich gegen die Betriebsansiedlung nicht fristgerecht gewehrt haben; auch ihre Schutzwürdigkeit wird mit der Unanfechtbarkeit der Genehmigung und mit der Aufnahme der legalen gewerblichen Nutzung gemindert. Daraus folgt, dass - sofern nicht die vorhandenen Immissionen bereits die Grenze des schweren und unerträglichen Eingriffs überschreiten und auch die Voraussetzungen des § 22 BImSchG nicht vorliegen - bei der Erweiterung eines legalen Betriebes nur zu prüfen ist, ob eine Verschlechterung der Immissionslage zu erwarten ist (Urteile vom 22. Juni 1990 a.a.O. und vom 21. Januar 1983 - BVerwG 4 C 59.79 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 196). Soll eine landwirtschaftliche Hofstelle mit genehmigter Schweinehaltung erweitert werden und lässt die Erweiterung - wie hier vom Verwaltungsgerichtshof festgestellt - eine Verschlechterung der Immissionslage nicht erwarten, ist mithin nur zu prüfen, ob die vorhandenen Immissionen bereits die Grenze des schweren und unerträglichen Eingriffs überschreiten oder die Voraussetzungen des § 22 BImSchG vorliegen. Von diesen Grundsätzen ist auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen; er ist nicht - wie die Beschwerde meint - von der genannten Senatsentscheidung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO abgewichen. Dass die gegebene Geruchssituation die Schwelle zur Gesundheitsgefahr und damit die Grenze des schweren und unerträglichen Eingriffs überschreitet, hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich verneint (UA S. 7); dass die Voraussetzungen des § 22 BImSchG vorliegen, insbesondere dass die Geruchsbeeinträchtigungen nach dem Stand der Technik vermeidbar wären, macht die Beschwerde selbst nicht geltend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 13.07.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 8 S 970/04