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BVerwG - Entscheidung vom 08.06.2006

4 B 38.06

BVerwG, Beschluss vom 08.06.2006 - Aktenzeichen 4 B 38.06

DRsp Nr. 2006/19070

Gründe:

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund für die Zulassung der Revision.

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Kläger beimessen.

Der Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung im konkreten Fall erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus. Außerdem ist darzulegen, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage bestehen soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 >91<, stRspr). Eine in diesem Sinne grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage des revisiblen Rechts wird in der Beschwerdebegründung weder ausdrücklich noch sinngemäß formuliert.

1.1 Die Beschwerde bezeichnet als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage "nach der spezifischen Bewertung des Fluglärms in seiner Auswirkung auf die Lebensqualität der betroffenen Menschen und nach den Grenzen ihrer Belastbarkeit". Die Kläger möchten insbesondere geklärt wissen, dass Fluglärm "in seinen Auswirkungen auf die Betroffenen nicht nach statistischen Durchschnittswerten, sondern nach auf die Spezifika des Fluglärms in der physischen und psychischen Wahrnehmung der Menschen zugeschnittenen Parametern" ermittelt und bewertet wird.

Mit derart sich im Allgemeinen bewegenden Formulierungen wird keine konkrete entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts gestellt. In einem Revisionsverfahren würde sich lediglich die Frage stellen, ob die Beklagte (Luftfahrt-Bundesamt) bei der angegriffenen Neufestlegung von Flugrouten zum und vom Flughafen Frankfurt/Main den Lärmschutzvorschriften, insbesondere § 29b Abs. 2 LuftVG , gerecht geworden ist. Insoweit zeigt die Beschwerde keinen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf auf.

Der beschließende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - (BVerwGE 121, 152) in rechtsgrundsätzlicher Weise die rechtlichen Anforderungen geklärt, denen die Abwägungsentscheidungen des Luftfahrt-Bundesamts bei der Festlegung von Flugrouten auf der Grundlage des § 27a Abs. 2 LuftVO aus Lärmschutzgründen unterliegen. Das angegriffene Urteil legt diese Rechtsprechung zugrunde und führt im Einzelnen - ausgehend von den Berechnungen der Beigeladenen und von den Lärmmessungen, welche die Kläger vorgelegt haben - aus, dass die Lärmbelastung der Kläger nach dem allgemein anerkannten Stand der Lärmwirkungsforschung deutlich unter der fachplanerischen Zumutbarkeitsgrenze liegt und (erst recht) die verfassungsrechtliche Schwelle der Gesundheitsgefährdung oder Enteignung bei Weitem nicht erreicht. Zur Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenzen greift die Vorinstanz auf das Kriterium des Dauerschallpegels sowie auf ein Pegel-Häufigkeits-Kriterium zurück, die es als geeignet und bewährt bezeichnet. Auch das entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 - BVerwG 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 262 >279 ff.<).

Die Beschwerde zeigt mit ihrer Frage "nach der spezifischen Bewertung des Fluglärms in seiner Auswirkung auf die Lebensqualität der betroffenen Menschen und nach den Grenzen ihrer Belastbarkeit" nicht auf, in welcher Hinsicht die bisherige Rechtsprechung zur Festlegung von Flugrouten aus rechtsgrundsätzlichen Erwägungen fortzubilden oder zu modifizieren sein könnte.

1.2 Die Beschwerde rügt ferner, der Verwaltungsgerichtshof habe verkannt, dass die Klage auch darauf gerichtet sei, den aktiven Fluglärmschutz - wie ihn § 29b Abs. 1 Satz 1 LuftVG in Gestalt eines Lärmvermeidungs- und Lärmminderungsgebots für Flugplatzunternehmer, Luftfahrzeughalter und Luftfahrzeugführer vorsehe - zur Geltung zu bringen. Wie sich aus der Begründung der Beschwerde ergibt, verstehen die Kläger darunter u.a. Regelungen etwa über Grenzwerte der zertifizierten Lärmemissionen der Antriebsaggregate, geräuschmindernde Vorgaben für die Aerodynamik der Flugzeuge und die Verlagerung der Luftfracht auf andere Verkehrsträger. Über diese Notwendigkeiten des aktiven Lärmschutzes habe sich der Verwaltungsgerichtshof ausgeschwiegen.

Dieses Vorbringen führt nicht zu einer grundsätzlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts. Die Kläger wenden sich aus Lärmschutzgründen gegen die Neufestlegung von Flugrouten, für deren rechtssatzmäßige Festlegung § 29b Abs. 2 LuftVG eine Sonderregelung trifft. § 29b Abs. 1 Satz 1 LuftVG kommt im vorliegenden Streitfall nicht zur Anwendung. Durch die Festlegung von Flugrouten kann auf Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes, wie sie den Klägern vorschweben, kein Einfluss genommen werden. Die Festlegung von Flugrouten ist auch nicht geeignet und dazu bestimmt, Art und Ausmaß des Luftverkehrsaufkommens näher zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - a.a.O. S. 162). Hierauf weist der Verwaltungsgerichtshof in den Gründen seiner Entscheidung (UA S. 11 f.) zu Recht hin. Die Vorinstanz hatte gar keinen Anlass zu der von den Klägern vermissten Erörterung des "aktiven Lärmschutzes".

2. Für den mit der Beschwerde gerügten Verstoß gegen die Vorlagepflicht aus Art. 100 Abs. 1 GG und die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs ist nichts ersichtlich. Der Verwaltungsgerichtshof legt ausführlich dar, aus welchen Gründen er der Anregung der Kläger zu einer Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht folgt. Diese Gründe sind nicht zu beanstanden. In der Sache enthalten die Verfahrensrügen der Beschwerde materiellrechtliche Angriffe gegen die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung. Ein Verfahrensmangel ist damit nicht dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 , § 159 Satz 1 und 2 , § 162 Abs. 3 VwGO und § 100 Abs. 1 ZPO . Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Hessen, vom 16.03.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 12 A 3260/04