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BVerwG - Entscheidung vom 11.04.2006

4 BN 59.05

BVerwG, Beschluss vom 11.04.2006 - Aktenzeichen 4 BN 59.05

DRsp Nr. 2006/11164

Gründe:

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

1.1 Die zur - vom Verwaltungsgerichtshof bejahten - Antragsbefugnis erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Der Vortrag, es liege ein offensichtlicher Verstoß gegen ein mathematisches Denkgesetz vor, geht von einem Sachverhalt aus, den der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Denn er hat es als völlig offen angesehen, ob eine Einbahnstraßenregelung zu der von der Antragsgegnerin behaupteten Verkehrsentlastung führen werde (UA S. 13). Somit können dem Gericht auch nicht lediglich behauptete Folgen dieser Einbahnstraßenregelung entgegen gehalten werden.

Der ferner von der Antragsgegnerin vermisste Sachverständigenbeweis ist von der Antragsgegnerin selbst nicht beantragt worden. Auch im Übrigen genügt die Aufklärungsrüge nicht dem Darlegungsgebot. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass es Sache der einen Bebauungsplan aufstellenden Gemeinde ist, die verkehrlichen und damit die Lärmauswirkungen zu ermitteln, die aus der Planung eines Neubaugebiets resultieren (UA S. 18 f.). Die Beschwerde legt nicht dar, dass es auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung Sache des Normenkontrollgerichts gewesen wäre, ein Sachverständigengutachten zu diesen Fragen einzuholen.

1.2 Die Divergenzrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen. Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (stRspr). Das ist hier nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 25. Januar 2002 - BVerwG 4 BN 2.02 - (BRS 65 Nr. 52), Lärmbelastungen dürften im Rahmen der Abwägung außer Betracht bleiben, wenn sie nur geringfügig seien, nicht die Gefolgschaft verweigert, sondern hat ihn im Gegenteil ausdrücklich akzeptiert (UA S. 11). Dass er die planbedingte Zunahme des Beurteilungspegels entlang der Kelterstraße von maximal 1,2 dB(A) trotz Unterschreitens der Empfindlichkeitsschwelle des menschlichen Ohrs als abwägungserheblich angesehen hat, beruht auf der Erwägung, dass sich die Anforderungen an eine gerechte Abwägung der verschiedenen Belange bei der Frage des Verkehrslärms nicht allein im Vergleich von Lärmmesswerten erschöpften, sondern auch etwas mit den allgemeinen Wohn- und Lebensverhältnissen in einem bestimmten Gebiet zu tun hätten und dies im Einzelfall dazu führen könne, dass wegen besonderer Gegebenheiten das Interesse von Anwohnern an der Vermeidung einer Verkehrszunahme zum notwendigen Abwägungsmaterial gehöre, selbst wenn die damit verbundene Lärmzunahme, bezogen auf den ermittelten Dauerschallpegel, für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar sei. Das steht im Einklang mit dem Beschluss des Senats vom 19. Februar 1992 - BVerwG 4 NB 11.91 - (BRS 54 Nr. 41).

1.3 Das Beschwerdevorbringen ergibt auch nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).

Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt. So liegt es hier.

Die Beschwerde wirft sinngemäß die Frage auf, ob eine unwesentliche Zunahme des Verkehrslärms oberhalb der Orientierungswerte der DIN 18005 abwägungsbeachtlich sein kann, wenn die Grenzwerte der 16. BImSchV nicht überschritten werden. Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass abwägungsrelevant auch Lärmeinwirkungen sein können, die nicht die Schwelle erreichen, bei deren Überschreiten nach den einschlägigen technischen Regelwerken Lärmschutzmaßnahmen zwingend geboten sind. Außer Betracht bleiben dürfen Lärmbelästigungen nur unter der Voraussetzung, dass sie als geringfügig einzustufen sind (stRspr vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2002 - BVerwG 4 BN 2.02 - a.a.O.). Ferner ist geklärt, dass es sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet, ob eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms zum notwendigen Abwägungsmaterial gehört (vgl. Beschluss vom 19. Februar 1992 - BVerwG 4 NB 11.91 - a.a.O.). Welche von den Festsetzungen eines Bebauungsplans außerhalb seines räumlichen Geltungsbereichs berührten Belange "nach Lage der Dinge" zum notwendigen Abwägungsmaterial gehörten, lässt sich nicht grundsätzlich, sondern nur unter maßgeblicher Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Situation und des von der Planung verfolgten konkreten Planungsziels beantworten (Beschluss vom 28. November 1995 - BVerwG 4 NB 38.95 - BRS 57 Nr. 41 m.w.N.). Dabei können auch die Orientierungswerte der DIN 18005 (Schallschutz im Städtebau) herangezogen werden, wie es das Normenkontrollgericht vorliegend getan hat - wobei es sich ersichtlich auf Untersuchungen stützt, die die Antragsgegnerin selbst vorgelegt hat. Maßgebend sind jedoch die jeweiligen Umstände des Einzelfalls.

2. Soweit die Beschwerde zum Thema Abwägungsfehler die bereits behandelten Rügen erneut erhebt, kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Im Übrigen ist klarstellend hervorzuheben, dass das Normenkontrollgericht seine Entscheidung darauf gestützt hat, dass die Antragsgegnerin die planbedingten Auswirkungen nicht ausreichend untersucht hat. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die der Abwägung zugrunde gelegten, aber nicht mehr auffindbaren Berechnungen fehlerhaft gewesen seien (UA S. 19). In diesem Zusammenhang stützt sich der Verwaltungsgerichtshof nicht auf die Orientierungswerte der DIN 18005 (Schallschutz im Städtebau), so dass sich auf sie bezogene Fragen (vgl. Beschwerdebegründung S. 15) nicht stellen.

3. Auch die Frage, ob die Regelung über das ergänzende Verfahren nach § 215a BauGB a.F. auch auf Altfälle der vorliegenden Art anwendbar ist, bedarf keiner grundsätzlichen Klärung. Nach der Neuregelung sind alle Bebauungspläne (nur) noch für unwirksam zu erklären. Die Unterscheidung zwischen nichtigen und unwirksamen Bebauungsplänen ist entfallen. Somit verbleibt es stets bei der Möglichkeit, ein ergänzendes Verfahren durchzuführen. Dies ergibt sich eindeutig aus § 214 Abs. 4 BauGB .

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 22.09.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 3 S 772/05