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BSG - Entscheidung vom 10.05.2006

B 12 KR 10/05 R

Normen:
GMG Art. 1 Nr. 148 Buchst. a
RVO § 381 § 385
SGB V § 248 S. 1 § 250 Abs. 1

BSG, Urteil vom 10.05.2006 - Aktenzeichen B 12 KR 10/05 R

DRsp Nr. 2006/25486

Feststellung des maßgebenden Beitragssatzes aus Versorgungsbezügen durch die Krankenkasse

Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung können auch gegenüber den Beziehern von Versorgungsbezügen zur Höhe der von diesen zwar zu tragenden, jedoch von der Zahlstelle der Versorgungsbezüge zu zahlenden Beiträge Verwaltungsakte erlassen. Es bedarf jedoch nur der Geltendmachung des sich für einen bestimmten Zeitraum jeweils konkret ergebenden Betrages, nicht aber der verbindlichen Regelung einer einzelnen Größe zu seiner Bemessung wie des Beitragssatzes. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

GMG Art. 1 Nr. 148 Buchst. a ; RVO § 381 § 385 ; SGB V § 248 S. 1 § 250 Abs. 1 ;

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, von den Versorgungsbezügen der Klägerin Beiträge nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz zu erheben.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Rentnerin pflichtversichert. Sie bezieht neben ihrer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Versorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz . Insofern wurde bis zum 31. Dezember 2003 nur der halbe Beitragssatz für die Bemessung der Beiträge zur Krankenversicherung zugrunde gelegt.

Nachdem der Versorgungsträger ab Januar 2004 die Beitragszahlung aus den Versorgungsbezügen unter Zugrundelegung des vollen Beitragssatzes ermittelt hatte, beantragte die Klägerin unter dem 3. Februar 2004 einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Die Beklagte teilte daraufhin in einem mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid vom 16. Juni 2004 mit, nach der ab Januar 2004 geltenden Regelung würden auch die Beiträge der Klägerin aus ihren Versorgungsbezügen nach dem am 1. Juli des Vorjahres geltenden allgemeinen Beitragssatz von 14,9 % berechnet und von der Zahlstelle abgeführt. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin sind jeweils erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30. Juli 2004, Urteil des Sozialgerichts >SG< Freiburg vom 16. Dezember 2004, Urteil des Landessozialgerichts >LSG< Baden-Württemberg vom 18. April 2005). Die Beklagte habe das einfache Gesetzesrecht zutreffend angewandt. Ein Verfassungsverstoß liege nicht vor.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hält § 248 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ( SGB V ) für verfassungswidrig. Für ihre übergangslose Belastung mit dem vollen Beitrag fehle es an einem sachlichen Grund. Sie werde gegenüber den sog Nur-Rentnern und Rentnern der Alterssicherung der Landwirte ungerechtfertigt belastet und könne sich der zusätzlichen Entwertung ihrer Alterseinkünfte auch nicht durch den Wechsel in ein anderes System der Krankenversicherung entziehen.

Die Klägerin stellt den Antrag,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. April 2005, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Dezember 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004 aufzuheben und die von der Klägerin zu tragenden Beiträge zur Krankenversicherung aus ihrem Versorgungsbezug in zutreffender Höhe festzustellen.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. April 2005 - Az: L 11 KR 264/05 - als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision der Klägerin erweist sich teilweise als sachlich, im Übrigen im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung als begründet.

Zu Unrecht hat das LSG das Urteil des SG auch insofern bestätigt und die Berufung hiergegen zurückgewiesen, als dieses die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004 abgewiesen hatte. Die Beklagte hat sich dort im Ergebnis darauf beschränkt, den im Fall der Klägerin für die Bemessung von Beiträgen aus Versorgungsbezügen ab dem 1. Januar 2004 einschlägigen Beitragssatz festzustellen. Insofern ist die Anfechtungsklage statthaft, weil aus den genannten Bescheiden und den Umständen ihres Erlasses für die Klägerin objektiv erkennbar war, dass eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung von der Beklagten gewollt war. Allein hierauf kommt es für den Charakter der Feststellung als Verwaltungsakt und infolge dessen die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl Urteil des Senats vom 24. November 2005, B 12 KR 18/04 R, juris-Nr: KSRE021191514, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Für die erhobene Klage besteht auch schon deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klägerin nach dem Umständen des Falles davon ausgehen musste, dass ihr die Festsetzung des Beitragssatzes künftig als verbindlich entgegen gehalten werden würde. Entgegen der Auffassung der Instanzgerichte erweist sich die Klage schließlich insofern auch als begründet. Soweit die Beklagte festgestellt hat, dass im Falle der Klägerin für den streitigen Zeitraum ab dem 1. Januar 2004 der am 1. Juli 2003 geltende allgemeine Beitragssatz maßgeblich sein soll, ist dies deshalb rechtwidrig, weil sie sich zu Unrecht auf ein einzelnes Element des Beitragstragungstatbestandes beschränkt hat. Den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung wird in der Rechtsprechung des Senats seit langem auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung "auf Grund der Natur der Sache" die Kompetenz zuerkannt, im Beitragsrecht Verwaltungsakte zu erlassen, weil sie die ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben nur erfüllen können, wenn ihnen hierzu finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden (vgl Urteil vom 2. Februar 1978, 12 RK 29/77, BSGE 45, 296, 299). Hierzu können sie auch gegenüber den Beziehern von Versorgungsbezügen zur Höhe der von diesen zwar zu tragenden, jedoch von der Zahlstelle der Versorgungsbezüge zu zahlenden Beiträge (§ 256 Abs 1 Satz 1 SGB V ) Verwaltungsakte erlassen (vgl bereits zum Recht der Reichsversicherungsordnung Bundessozialgericht >BSG< vom 17. Oktober 1986, 12 RK 15/86, BSGE 60, 274, 275 f). Indes bedarf es auch insofern nur der Geltendmachung des sich für einen bestimmten Zeitraum jeweils konkret ergebenden Betrages, nicht aber der verbindlichen Regelung einer einzelnen Größe zu seiner Bemessung wie des Beitragssatzes. Diesen konnte und durfte die Beklagte daher nicht für sich zum Gegenstand eines "Verwaltungsaktes" machen.

Im Übrigen erweist sich die Revision im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung als begründet. Auf der Grundlage der bisher vorliegenden Feststellungen des Berufungsgerichts kann der Senat die konkrete Höhe der von der Klägerin ab 1. Januar 2004 aus ihren Versorgungsbezügen zu tragenden Krankenversicherungsbeiträge (§ 55 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ) nicht feststellen. Der Senat wäre andernfalls selbst zu einer Elementenfeststellung nach dem Vorbild des aufgehobenen Bescheides der Beklagten gezwungen. Das Berufungsgericht wird die entsprechenden Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung nunmehr nachzuholen haben. Hinsichtlich der dabei zu beachtenden Rechtslage verweist der Senat auf sein Urteil vom 24. August 2005 in der Streitsache B 12 KR 29/04 R (SozR 4-2500 § 248 Nr 1).

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Berufungsgerichts vorbehalten.

Vorinstanz: LSG Stuttgart - L 11 KR 264/05 - 18.04.2005,
Vorinstanz: SG Freiburg (Breisgau) - S 11 KR 2949/04 - 16.12.2004,