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BSG - Entscheidung vom 01.06.2006

B 12 KR 34/05 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 § 160a Abs. 2 S. 3

BSG, Beschluß vom 01.06.2006 - Aktenzeichen B 12 KR 34/05 B

DRsp Nr. 2006/20445

Darlegung der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde

Wenn nicht dargelegt ist, dass eine Entscheidung für die Zukunft noch Bedeutung haben könnte, so wird die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage nicht aufgezeigt, hier bei der Auslegung einer Erklärung zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung, die vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 am 1.1.2002 abgegeben worden ist. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 § 160a Abs. 2 S. 3 ;

Gründe:

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob eine Beitragsforderung der Beklagten zu erfüllen ist.

Das Landessozialgericht (LSG) hat entschieden, dem Kläger sei es nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Verjährung der Beitragsforderung zu berufen und dabei eine für einen früheren Zeitraum abgegebene Erklärung des Klägers, er verzichte auf die Erhebung der Einrede der Verjährung, entscheidend berücksichtigt.

Mit der gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil eingelegten Beschwerde macht der Kläger von den in § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) genannten Zulassungsgründen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und hilfsweise die Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) geltend. Die Beschwerde ist unzulässig, denn in der Begründung wird weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt noch eine Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, ausreichend bezeichnet.

Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN, stRspr; BVerwG NJW 1999, 304 ; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7).

Die Beschwerde wirft als grundsätzliche Rechtsfrage die Frage auf:

"Darf ein Sozialversicherungsträger die Erklärung des Schuldners von rechtlich umstrittenen Sozialversicherungsbeiträgen, er verzichte ihm gegenüber für einen ausdrücklich genannten Zeitraum auf die Erhebung der Einrede der Verjährung ..., ohne Hinzutreten weiterer Umstände dahingehend verstehen, dass der Versicherungsschuldner auch hinsichtlich aller folgenden Versicherungszeiträume ... auf die Einrede der Verjährung verzichte?"

Offen bleiben kann, ob mit dieser Formulierung eine Rechtsfrage ausreichend bezeichnet ist, weil schon nach der Frage selbst zumindest zweifelhaft ist, ob das LSG über die so gestellte Frage überhaupt entschieden hat. Die Bedeutung einer solchen Erklärung für die Zukunft - dh hier für alle "folgenden Versicherungszeiträume" - kann überhaupt nicht beantwortet werden, ohne dass die "Umstände" berücksichtigt werden, die im Zeitpunkt der Erklärung im Hinblick auf diese folgenden Versicherungszeiträume zwischen den Beteiligten bekannt waren. In der Beschwerdebegründung wird auch nicht behauptet, das LSG habe diese Umstände bei seiner Entscheidung, wie der Sozialversicherungsträger die Entscheidung verstehen durfte, überhaupt nicht berücksichtigt.

Die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage ist aber jedenfalls deshalb nicht aufgezeigt, weil nicht dargelegt ist, dass eine Entscheidung zur Beurteilung einer Verzichtserklärung wie der vorliegenden für die Zukunft noch Bedeutung haben könnte. Das LSG hat die Bedeutung einer Erklärung zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung, die vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl I 3138) am 1. Januar 2002 abgegeben worden ist, zu beurteilen gehabt. Es hat als Rechtssatz zu Grunde gelegt, diese Erklärung sei nicht nach Maßgabe der für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden §§ 133 und 157 Bürgerliches Gesetzbuch ( BGB ) auszulegen. Wenn der Kläger beanstandet, dies sei unzutreffend, denn auch eine vor In-Kraft-Treten des Schuldrechts-Modernisierungsgesetzes abgegebene Erklärung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung sei als Willenserklärung nach den §§ 133 und 157 BGB auszulegen, zeigt er selbst auf, dass klärungsbedürftig zunächst die Frage ist, nach welchen rechtlichen Maßstäben eine vor dem 1. Januar 2002 abgegebene Erklärung, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, zu beurteilen ist. Er legt indessen nicht dar, dass die Rechtsfrage für die Zukunft noch Bedeutung haben könnte. Nachdem durch das Schuldrechts-Modernisierungsgesetz auf die Verjährung auch durch Rechtsgeschäft zumindest im Rahmen des § 202 BGB nF verzichtet werden kann, stellt sich eine Frage zu der Art der Auslegung einer Erklärung wie der vorliegenden, soweit sie als Rechtgeschäft vor In-Kraft-Treten des Schuldrechts-Modernisierungsgesetzes nicht möglich war, nicht mehr. Der Kläger zeigt nicht auf, auf Grund welcher sonstigen Umstände - etwa einer Vielzahl von anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu gleichartigen Verzichtserklärungen - sich die behauptete Rechtsfrage in Zukunft noch stellen könnte.

In der Beschwerdebegründung wird auch die behauptete Abweichung von einer Entscheidung des BSG nicht hinreichend dargelegt.

Um eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG zu bezeichnen, hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichthöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts andererseits aufzuzeigen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Der Kläger macht geltend, das BSG habe im Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 20/03 R - und auch im Urteil vom 27. September 1994 - 10 RAr 1/93 - den Rechtssatz aufgestellt, dass auch im Rahmen des Sozialrechts von den Gerichten bei der rechtlichen Beurteilung von Erklärungen und Verträgen die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133 , 157 BGB zu beachten seien. Er sieht einen Widerspruch zu der Entscheidung des LSG darin, dass dieses erklärt habe, die von ihm zu beurteilende Erklärung sei nicht nach §§ 133 , 157 BGB auszulegen. Ein Widerspruch zu den Entscheidungen des BSG wird hier schon deshalb nicht aufgezeigt, weil nach dem Vorbringen in der Beschwerde das LSG der Verzichtserklärung den Charakter als Willenserklärung abgesprochen und sie deshalb nicht nach den Kriterien einer Willenserklärung ausgelegt hat. Einer Aussage des BSG dahin, dass auch Erklärungen, auf die Verjährung zu verzichten, die nach früherem Recht nicht wirksam waren, nach den Kriterien der §§ 133 und 157 BGB auszulegen seien, wird in der Beschwerde nicht aufgezeigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 und § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung .

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 , § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes entsprechend den von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzungen der Vorinstanzen in Höhe der mit der Klage angegriffenen Beitragsforderung festzusetzen.

Vorinstanz: LSG Mecklenburg-Vorpommern, vom 09.02.2005 - Vorinstanzaktenzeichen L 7 KR 28/03
Vorinstanz: SG Stralsund - S. 3 KR 8/02 - 14.10.2003,