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BSG - Entscheidung vom 18.07.2006

B 1 KR 25/05 R

Normen:
BGB § 151 S. 1 § 364 Abs. 2
PsychThG/SGB5uaÄndG Art. 10 Art. 2
SGB I § 53 Abs. 1 § 53 Abs. 2 § 54 Abs. 1
SGB V § 13 Abs. 1 § 13 Abs. 3 § 2 Abs. 2 S. 1 § 2 Abs. 2 S. 2 § 2 Abs. 2 S. 3 § 72 Abs. 1 § 76 Abs. 1 S. 2
SGB X § 53 Abs. 1 S. 1 § 56

BSG, Urteil vom 18.07.2006 - Aktenzeichen B 1 KR 25/05 R

DRsp Nr. 2007/493

Befugnis des Versicherten zur Prozessführung bei Abtretung des Anspruchs auf Kostenerstattung, Anspruch auf Kostenerstattung wegen Systemversagens

1. Hat ein Versicherter seinen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V abgetreten, so bleibt er allein berechtigt, prozessual die Feststellung dieses Anspruchs zu betreiben. 2. Auch in den Fällen, in denen Versicherte sich ab 1.1.1999 von Therapeuten behandeln lassen, die bis zum 31.12.1998 auf Kostenerstattungsbasis tätig waren, als Psychotherapeuten approbiert sind und deren rechtzeitig gestellte Anträge auf Zulassung oder Ermächtigung zur Zeit der Behandlung noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt wurden, können sie Kostenerstattung wegen Systemversagens nur bei fehlender Sicherstellung der Versorgung durch zugelassene Leistungserbringer beanspruchen. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

BGB § 151 S. 1 § 364 Abs. 2 ; PsychThG/SGB5uaÄndG Art. 10 Art. 2 ; SGB I § 53 Abs. 1 § 53 Abs. 2 § 54 Abs. 1 ; SGB V § 13 Abs. 1 § 13 Abs. 3 § 2 Abs. 2 S. 1 § 2 Abs. 2 S. 2 § 2 Abs. 2 S. 3 § 72 Abs. 1 § 76 Abs. 1 S. 2 ; SGB X § 53 Abs. 1 S. 1 § 56 ;

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten einer ambulanten Psychotherapie.

Der 1947 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse krankenversicherte, in Berlin lebende Kläger wandte sich im August 1999 an die dort ansässige Diplom-Psychologin S. (S.), um die Möglichkeiten einer Psychotherapie in Form der Verhaltenstherapie abzuklären. Die Diplom-Psychologin war bis 31. Dezember 1998 als sog Erstattungstherapeutin tätig gewesen und hatte vor Jahresende 1998 ihre Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Behandlung beantragt. Seit Januar 1999 war sie approbierte Psychologische Psychotherapeutin. Sie hatte gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Behandlung (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 22. Juni 1999) Widerspruch erhoben, blieb aber mit ihrem Begehren auch in der Folgezeit durch alle Instanzen hindurch erfolglos (zuletzt Bundesverfassungsgericht >BVerfG<, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 1 BvR 2647/03).

Nach zwei am 20. August und am 20. September 1999 durchgeführten probatorischen Sitzungen beantragte S. Ende September 1999 namens und in Vollmacht des Klägers bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine ambulante Verhaltenstherapie bzw die Genehmigung der Psychotherapie mit anschließender Kostenerstattung. Beigefügt war eine Bescheinigung des Allgemeinmediziners S. vom 29. September 1999, der eine Psychotherapie des Klägers in Form einer Kurzzeittherapie von 25 Stunden wegen einer Erschöpfungsdepression für erforderlich hielt. Die ersten rein therapeutischen Sitzungen führte S. am 7. und 26. Oktober sowie 9. November 1999 durch. Bis einschließlich 6. Dezember 1999 rechnete S. gegenüber dem Kläger zwei probatorische Sitzungen (120 bzw 180 Minuten) und fünfmal Verhaltenstherapie (je 120 Minuten) ab (Rechnung vom 30. Dezember 1999 über 1.575 DM = 805,29 EUR).

Mit einem an den Kläger gerichteten Bescheid vom 9. November 1999 lehnte die Beklagte den Leistungsantrag mit der Begründung ab, dass S. nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen sei. Sie verwies den Kläger auf die Möglichkeit, die Psychotherapie bei einem zugelassenen Psychotherapeuten durchzuführen und bot ihm Hilfe bei der Suche nach einem geeigneten Therapeuten an.

Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 13. September 2000), Klage (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts >SG< Berlin vom 8. November 2001) und Berufung des Klägers - gerichtet auf Erstattung von 1.575 DM - sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Voraussetzungen der seiner Ansicht nach allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 13 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB V ) verneint. Die Versorgung mit zugelassenen Therapeuten sei jedenfalls ab 1. September 1999 in Berlin sichergestellt gewesen. Art 10 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (PsychThGEG vom 16. Juni 1998, BGB I 1311) fingiere keinen Versorgungsbedarf und keine Zulassung der Diplom-Psychologin S. Der Kläger habe für seine Behandlung auch zugelassene Therapeuten oder Vertragsärzte aufsuchen können (Urteil vom 19. Januar 2005).

Mit seiner - vom Senat zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung des Art 10 PsychThGEG und des § 13 Abs 3 SGB V . Die Psychotherapie sei unaufschiebbar gewesen. Die Beklagte habe die Kostenerstattung zudem zu Unrecht abgelehnt. Er (der Kläger) habe S. wegen ihres Teilnahmestatus nach Art 10 PsychThGEG als seine Therapeutin wählen dürfen, ohne im Einzelfall ein Systemversagen nachweisen zu müssen. Wolle man § 13 Abs 3 SGB V uneingeschränkt neben Art 10 PsychThGEG anwenden, laufe diese Übergangsregelung mit zunehmender Zulassung von Psychotherapeuten leer.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 19. Januar 2005 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 8. November 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. November 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 805,29 EUR (1.575 DM) zu erstatten,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 19. Januar 2005 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG seine Berufung gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen, denn der Kläger kann Kostenerstattung in Höhe von 805,29 EUR (1.575 DM) für die ab 20. August 1999 erfolgte psychotherapeutische Behandlung einschließlich der probatorischen Sitzungen durch die Diplom-Psychologin S. nicht verlangen. Auch für die hilfsweise beantragte Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG ist kein Raum.

1. Die Voraussetzungen des als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden (dazu 2.) Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 Fall 1 und 2 SGB V (idF von Art 1 Nr 5 Buchst b Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266, geltend bis 30. Juni 2001) sind nicht erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Dem Anspruch steht entgegen, dass die Beklagte die Psychotherapie innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zeitgerecht erbringen konnte (dazu 3.) und es rechtmäßig abgelehnt hat, dem Kläger diese Leistung durch S. zu gewähren (dazu 4.).

2. Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt allein § 13 Abs 3 SGB V in Betracht, nicht aber Art 10 PsychThGEG. Das verdeutlicht schon der Wortlaut dieser Rechtsnorm. Danach bleibt "die Rechtsstellung" der bis zum 31. Dezember 1998 an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilnehmenden nichtärztlichen Leistungserbringer bis zur Entscheidung des Zulassungsausschusses über deren Zulassung oder Ermächtigung "unberührt", sofern sie einen Antrag auf Zulassung oder Ermächtigung bis zum 31. Dezember 1998 gestellt haben. Die Regelung betrifft auch nach ihrer Entstehungsgeschichte, Systematik und ihrem Zweck nur die Rechtsstellung der Psychotherapeuten, gewährt aber dem Versicherten neben dem Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 SGB V keinen zusätzlichen Anspruch auf Erstattung der durch eine Psychotherapie entstandenen Kosten.

Nach den Gesetzesmaterialien sollte lediglich den begünstigten nichtärztlichen Leistungserbringern ermöglicht werden, "weiterhin" Leistungen zu Lasten der GKV bis zu ihrer Zulassung oder Ermächtigung zu erbringen, um die psychotherapeutische Versorgung im Übergangszeitraum sicherzustellen (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu Art 9a des Entwurfs, BT-Drucks 13/9212 S 42). Damit beugte das Gesetz der Gefahr vor, dass ua neuen Patienten von in das Gesetz einbezogenen bisherigen sog Erstattungstherapeuten ab 1. Januar 1999 im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens entgegengehalten werden konnte, ein Anspruch scheide schon deshalb aus, weil dem Therapeuten die nach dem Psychotherapeutengesetz (PsychThG) erforderliche Berufsqualifikation fehle (vgl zum Erfordernis der generellen Qualifikation eines Therapeuten zur Ausübung der Heilkunde im mit dem Kostenerstattungsanspruch geltend gemachten Bereich: Senat, Beschluss vom 10. Februar 2004 - B 1 KR 10/03 B; vgl entsprechend unter dem Gesichtspunkt des Arztvorbehalts Senat, BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 3 RdNr 13 ff mwN). Nach seiner Systematik ändert das PsychThGEG in Art 2 die §§ 27 und 28 SGB V und nimmt die Psychotherapie durch Psychologen ausdrücklich in den Leistungskatalog der GKV auf, befasst sich im Übrigen aber ausschließlich mit der Rechtsstellung der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Zweck des Art 10 PsychThGEG ist es, unter Wahrung der bisherigen Rechtsstellung der einbezogenen begünstigten Therapeuten die Versorgung der Versicherten in dem umschriebenen Übergangszeitraum sicherzustellen, nicht aber - außerhalb von Art 2 PsychThGEG - neue Anspruchsgrundlagen für Versicherte zu schaffen oder vorhandene Anspruchsgrundlagen zu ändern.

3. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf einen Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 Fall 1 SGB V berufen. Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist ua, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Bereits daran fehlt es. Die Beklagte konnte die begehrte Leistung rechtzeitig erbringen. Hierzu hat das LSG, ohne dass hierzu zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht worden sind, bindend (§ 163 Sozialgerichtsgesetz >SGG<) festgestellt, eine Versorgungslücke habe angesichts der Zulassung zahlreicher Vertrags-Psychotherapeuten ab 1. September 1999 in Berlin nicht bestanden. Unstreitig lagen die Verhältnisse nicht anders, als die Behandlung des Klägers am 20. August 1999 begann.

Die Krankenkassen bedienen sich regelmäßig nur der zugelassenen Leistungserbringer, um die Naturalleistungsansprüche der Versicherten zu erfüllen. Deshalb schließen sie über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern (vgl § 2 Abs 2 Satz 3 SGB V idF durch Art 4 Nr 1 Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27. Dezember 2003, BGBl I 3022; zuvor § 2 Abs 2 Satz 2 SGB V ). Versicherte können unter den zugelassenen Psychotherapeuten frei wählen (§ 72 Abs 1 Satz 2 SGB V iVm § 76 Abs 1 Satz 1 SGB V ). Grundsätzlich erbringt die Krankenkasse den Versicherten danach ambulante psychotherapeutische Leistungen, indem sie ihnen - in der Regel vermittelt durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (>KÄVen<, § 73 Abs 2 , § 75 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V ) - eine Vielzahl von zugelassenen Leistungserbringern verfügbar hält, unter denen sich die Versicherten den gewünschten Therapeuten frei auswählen und sich dann von ihm behandeln lassen. Kann der Versicherte aus dem Kreis zugelassener Therapeuten tatsächlich einen für seine Behandlung auswählen und sich von ihm behandeln lassen, ist mithin kein Raum für einen Erstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 Fall 1 SGB V .

Auch unter dem Blickwinkel eines "Notfalls" ergibt sich nichts zu Gunsten des Klägers. Ist eine Behandlung aus medizinischen Gründen im Übrigen so dringlich, dass es bereits an der Zeit für die Auswahl eines zugelassenen Therapeuten und dessen Behandlung - sei es durch dessen Aufsuchen oder Herbeirufen - fehlt, liegt ein Notfall vor (vgl entsprechend BSGE 19, 270, 272 = SozR Nr 2 zu § 368d RVO ; BSGE 34, 172, 174 = SozR Nr 6 zu § 368d RVO ; BSG SozR 3-2500 § 76 Nr 2 S 4), in dem auch andere, nicht zugelassene Therapeuten in Anspruch genommen werden dürfen (§ 76 Abs 1 Satz 2 SGB V ). Auch in einem solchen Fall ist ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten ausgeschlossen, da der Leistungserbringer seine Vergütung nicht vom Versicherten, sondern nur von der KÄV verlangen kann. Denn die Notfallbehandlung erfolgt als Naturalleistung zu Lasten der GKV. Das entspricht bei ärztlichen Leistungen einem allgemeinen Prinzip. So werden in Notfällen von Nichtvertragsärzten erbrachte Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und aus der Gesamtvergütung vergütet (vgl BSGE 15, 169 = SozR Nr 1 zu § 368d RVO ; BSGE 71, 117 , 118 f = SozR 3-2500 § 120 Nr 2 S 12 f mwN; BSG SozR 3-2500 § 76 Nr 2 S 4; vgl auch BGHZ 23, 227 ff). Auch die stationäre Notfallbehandlung eines Versicherten in einem nicht zugelassenen Krankenhaus ist eine Sachleistung der GKV. Der Vergütungsanspruch richtet sich nicht gegen den Versicherten, sondern allein gegen die Krankenkasse (Senat, BSGE 89, 39 , 41 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 25 S 118 f).

Da das Gesetz nichts Abweichendes für Psychotherapeuten bestimmt, gelten § 76 Abs 1 SGB V und die hieraus für sie abzuleitenden Folgerungen - bei ambulanten Leistungen im Notfall Honorierung aus der Gesamtvergütung - entsprechend (§ 72 Abs 1 Satz 2 SGB V ). Ob Art 10 PsychThGEG es insoweit bloß bei dem Recht der betroffenen Therapeuten belässt, allein auf Grund ärztlicher Verordnung tätig zu werden, oder ob jedenfalls ab 1. Januar 1999 approbierte Psychotherapeuten in jedem Fall selbstständig, dh unabhängig von einer vorausgegangenen ärztlichen Verordnung, im Notfall tätig sein dürfen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. In jedem Fall ist ein Honoraranspruch oder ein dem entsprechender gesetzlicher Aufwendungsersatz- oder Bereicherungsanspruch gegenüber dem betroffenen Versicherten ausgeschlossen.

Dass der nicht zugelassene Therapeut auch im Notfall auf die Notfallbehandlung beschränkt ist und die enge Ausnahmebestimmung des § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V nicht als Einfallstor für umfangreiche Leistungen zu Lasten der GKV nutzen darf, ist nicht nur dadurch gesichert, dass er allein die Vergütung für die Notfallbehandlung von der KÄV verlangen kann (vgl dazu zB BSG SozR 3-2500 § 76 Nr 2 S 4 f). Daneben ist kein Raum für Honorar-, Aufwendungsersatz- und Bereicherungsansprüche gegen den Versicherten (vgl dazu näher Senat, Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 5/05 R - UAE, RdNr 27 - sowie Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R -, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).

Dass es sich tatsächlich um einen Notfall handelte, als der Kläger sich im August 1999 an die Diplom-Psychologin S. wandte und dann einen Behandlungstermin erhielt, liegt allerdings fern. Denn es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass den Kläger etwas daran gehindert haben könnte, zur gleichen Zeit einen zugelassenen Therapeuten aufzusuchen. Hinzu kommt, dass S. am 20. August und am 20. September 1999 ohnehin nur probatorische Sitzungen durchführte. Nach § 11 Abs 12 Satz 1 Psychotherapie-Vereinbarung (Anlage 1 zum Bundesmantelvertrag - Ärzte/Ersatzkassen vom 7. Dezember 1998, DÄBl 1998, A-3315) dienen solche Sitzungen ausschließlich dem Zweck festzustellen, ob ein Antrag (und ggf welcher) auf Psychotherapie bei der Krankenkasse gestellt werden soll. Hierbei ist insbesondere die Diagnose zu ermitteln und ggf die Indikation zu stellen. All dies zielt nicht auf eine Notfallbehandlung im Rechtssinne ab, die letztlich in einer akuten Situation den Zeitraum des Behandlungsbedarfs überbrücken soll, bis ein zugelassener Leistungserbringer eingreifen kann.

4. Auch die Voraussetzungen des § 13 Abs 3 Fall 2 SGB V , die durch Art 2 und 10 PsychThGEG nicht verändert worden sind, sind nicht erfüllt. Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, dem Kläger Psychotherapie durch die Diplom-Psychologin S. zu gewähren.

a) Art 2 und 10 PsychThGEG modifizieren nach dem dargelegten Wortlaut, Zweck und der Entstehungsgeschichte unter Berücksichtigung des Regelungssystems den Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 SGB V nicht, auch nicht bloß für einen Übergangszeitraum ab 1. Januar 1999. Vielmehr lässt Art 10 PsychThGEG die Rechtsstellung auch der bis zum 31. Dezember 1998 als sog Erstattungstherapeuten tätig Gewesenen (vgl zur Einbeziehung dieses Personenkreises BSGE 87, 158 , 167, 169 ff = SozR 3-2500 § 95 Nr 25 S 114, 116 ff) "unberührt". Für die Erstattungs- (und die Delegations)therapeuten stellt die Rechtsnorm im Zusammenwirken mit der berufsrechtlichen Übergangsregelung in § 12 PsychThG sicher, dass sich deren Rechtsstellung durch die Einführung der neuen Berufsregelung im Gesetz vom 16. Juni 1998 zum 1. Januar 1999 - trotz eines Schwebezustands bis zur endgültigen Klärung des Zulassungsstatus - nicht verschlechtert. Eine Verbesserung - etwa im Sinne einer fiktiven Zulassung oder im Sinne eines Rechts auf von der Bedarfsplanung unabhängige Tätigkeit auf Kostenerstattungsbasis - war weder gewollt noch - worauf sich der Kläger als Versicherter mangels eigener Betroffenheit auch nicht berufen könnte - verfassungsrechtlich geboten (vgl dazu BVerfG, Beschlüsse vom 28. Juli 1999 - 1 BvR 1006/99, NJW 1999, 2729; vom 16. März 2000 - 1 BvR 1453/99, NJW 2000, 1779 ; vom 30. Mai 2000 - 1 BvR 704/00 - SozR 3-2500 § 95 Nr 24). Da die Aussicht, als Erstattungstherapeut tätig zu sein, aber schon bis zum 31. Dezember 1998 vom Bestehen einer Versorgungslücke im konkreten Fall abhing, änderte Art 10 PsychThGEG dies auch nicht zum 1. Januar 1999.

Auch bis zum 31. Dezember 1998 wurde die Kostenerstattung durch die Krankenkassen nur unter der Voraussetzung gewährt, dass eine Therapie durch ärztliche Psychotherapeuten oder Delegationspsychotherapeuten im Wege der Sachleistung nicht durchgeführt werden konnte (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 4 RdNr 23). Die Kosten für die Inanspruchnahme von nicht in das Sachleistungssystem eingebundenen Leistungserbringern waren auch vor dem 31. Dezember 1998 von einer Krankenkasse nur zu erstatten, wenn die Inanspruchnahme durch das Unvermögen der Krankenkasse wesentlich mitverursacht wurde. Die Krankenkasse war nur dann zur rechtzeitigen Sachleistung außer Stande, wenn kein anderer als ein außervertraglicher Leistungserbringer für die Behandlung zur Verfügung stand (Senat, BSGE 79, 125 , 127 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 52). Sofern aber im Bezirk des Versicherten ausreichend zugelassene Psychotherapeuten niedergelassen waren, die den Anspruch des Versicherten im Wege der Dienst- und Sachleistung erfüllen konnten, bestand kein Anspruch auf Behandlung durch einen nicht zugelassenen Therapeuten im Wege der Kostenerstattung (vgl BSG SozR 2200 § 182 Nr 57; BSG, Urteil vom 18. Februar 1981 - 3 RK 34/79, USK 8123; BSG, Urteil vom 17. August 1982 - 3 RK 46/80 - USK 82101; BSGE 53, 144 = SozR 2200 § 182 Nr 80).

Danach haben Versicherte keinen Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 SGB V , wenn sie sich trotz (durch zugelassene Leistungserbringer) sichergestellter Versorgung ab 1. Januar 1999 von Therapeuten behandeln lassen, die bis zum 31. Dezember 1998 als Erstattungstherapeuten tätig waren, als Psychotherapeuten approbiert sind und deren rechtzeitig gestellte Anträge auf Zulassung oder Ermächtigung zur Zeit der Behandlung noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden sind.

b) So liegt es hier. Die Nachfrage der Versicherten der GKV nach psychotherapeutischen Leistungen konnte in Berlin im hier relevanten Zeitraum nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG ) durch zugelassene Leistungserbringer vollständig befriedigt werden. Es bestand damit kein Versorgungsmangel, der es gerechtfertigt hätte, dass der Kläger sich die erforderlichen psychotherapeutischen Leistungen bei S. selbst beschaffte und dafür nunmehr Kostenerstattung verlangen kann.

5. Ein Kostenerstattungsanspruch könnte schließlich nicht auf den Inhalt von Telefongesprächen der S. mit Sachbearbeitern der beklagten Ersatzkasse gestützt werden. Denn selbst wenn man darin eine Zusicherung der Beklagten (§ 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) sehen wollte, fehlte es für deren Wirksamkeit schon an der dafür erforderlichen Schriftform.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin, vom 19.01.2005 - Vorinstanzaktenzeichen L 9 KR 19/02
Vorinstanz: SG Berlin, vom 08.11.2001 - Vorinstanzaktenzeichen S 72 KR 3060/00