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BSG - Entscheidung vom 10.04.2006

B 3 P 2/06 B

Normen:
BVG § 35
SGB X § 39
SGB XI § 15 Abs. 1 § 15 Abs. 3

BSG, Beschluß vom 10.04.2006 - Aktenzeichen B 3 P 2/06 B

DRsp Nr. 2006/20410

Auswirkung der Entscheidung der Versorgungsverwaltung auf die Pflegeversicherung

Für den Bereich der sozialen Pflegeversicherung entfaltet die Entscheidung der Versorgungsverwaltung hinsichtlich der Gewährung einer höheren Pflegezulage nach § 35 BVG keine Bindungswirkung. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

BVG § 35 ; SGB X § 39 ; SGB XI § 15 Abs. 1 § 15 Abs. 3 ;

Gründe:

I. Der Kläger bezieht seit 1979 von der Versorgungsverwaltung eine Pflegezulage der Stufe I nach dem Opferentschädigungsgesetz iVm § 35 Bundesversorgungsgesetz . Er ist von der beklagten Pflegekasse 1995 der Pflegestufe I zugeordnet worden. Pflegegeld nach § 37 Elftes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB XI ) erhält er jedoch nicht, weil die Pflegezulage (monatlich 262 EUR ab Juli 2003) das Pflegegeld der Pflegestufe I (monatlich 205 EUR) übersteigt und deshalb der Anspruch auf Pflegegeld nach § 34 Abs 1 Nr 2 Satz 1 SGB XI ruht. Den Antrag des Klägers auf Höherstufung in die Pflegestufe III (monatliches Pflegegeld 665 EUR), mindestens aber in die Pflegestufe II (monatliches Pflegegeld 410 EUR) und auf Zahlung des Pflegegeldes in Höhe des die Pflegezulage übersteigenden Betrages hat die Beklagte abgelehnt. Die Vorinstanzen haben die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen, weil der Kläger lediglich die zeitlichen Voraussetzungen des § 15 Abs 3 Nr 1 SGB XI für die Pflegestufe I erfülle. Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 16. Dezember 2005 richtet sich die Beschwerde des Klägers, für die er Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt hat, nachdem sein bisheriger Prozessbevollmächtigter das Mandat nach Beschwerdeeinlegung, aber vor Begründung des Rechtsmittels niedergelegt hat.

II. Es kann offen bleiben, ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage wäre, die Kosten für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts selbst aufzubringen. PKH kann ihm jedenfalls nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 73a Sozialgerichtsgesetz [SGG] iVm § 114 Zivilprozessordnung ). Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Gemäß § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder

2. das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Bestimmte Verfahrensrügen sind jedoch nur eingeschränkt oder gar nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu begründen (§ 160 Abs 2 Nr 3 , 2. Halbsatz SGG ).

Nach der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels liegt keiner der Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 SGG vor.

Das Verfahren wirft keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Dem Kläger geht es allein um die aus seiner Sicht zutreffende Würdigung des bei ihm bestehenden Pflegebedarfs und die Zuordnung zur Pflegestufe III, zumindest aber zur Pflegestufe II. Hierfür sind allein die Tatsachengerichte zuständig. Die in diesem Zusammenhang maßgebenden Rechtsfragen sind geklärt; jedenfalls lassen weder der Vortrag des Klägers noch der sonstige Inhalt der Akten Rechtsfragen erkennen, die noch klärungsbedürftig sind.

Das angefochtene Urteil weicht nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, sodass auch der Zulassungsgrund der Divergenz nicht besteht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

Die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 31. März 2006 vorgetragenen Einwände gegen das Urteil betreffen Verfahrensfragen sowie die Beweiswürdigung. Ein zur Zulassung der Revision geeigneter Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist jedoch nicht ersichtlich.

Der Einwand, die Gutachterinnen L., S. und R. hätten ihn während des Hausbesuchs nicht untersucht, Frau R. seien Gutachten der Versorgungsverwaltung aus den Jahren 1983 und 1989 nicht zur Verfügung gestellt worden und er hätte zusätzlich einer Begutachtung durch Fachärzte unterzogen werden müssen, betreffen die Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG . Eine Verfahrensrüge kann hierauf aber nur gestützt werden, wenn geltend gemacht wird, es sei ein entsprechender Beweisantrag im Berufungsverfahren gestellt worden, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Dabei muss ein solcher Beweisantrag zudem bis zum Schluss des Berufungsverfahrens aufrecht erhalten worden sein (BSG SozR 1500 § 160 Nr 12 und 67). Daran fehlt es, wenn das LSG eine Beweisaufnahme durchführt, das Beweisergebnis mitteilt und sich danach der Beteiligte mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt, ohne an einem aus seiner Sicht nicht berücksichtigten Beweisantrag ausdrücklich festzuhalten (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 20). Hier haben die Beteiligten ohne Vorbehalt oder Einschränkung einer Entscheidung durch das LSG ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Damit gelten etwaige noch offene Beweisanträge als erledigt. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Kläger bzw sein damaliger Prozessbevollmächtigter zuvor entsprechende konkrete Beweisanträge überhaupt gestellt hat.

Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen die Beweiswürdigung des LSG angreift, der tägliche durchschnittliche Grundpflegebedarf belaufe sich nach dem Beweisergebnis auf weniger als die für die Pflegestufe II erforderlichen 120 Minuten, liegt schon deshalb kein wesentlicher Verfahrensmangel vor, weil etwaige Fehler bei der Beweiswürdigung nicht zur Zulassung der Revision führen können (vgl die Ausklammerung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG durch § 160 Abs 2 Nr 3 , 2. Halbsatz SGG ).

Das LSG war auch nicht gehalten, seine Entscheidung bis zur Vorlage des Gutachtens über den Pflegebedarf wegen der beantragten Gewährung einer höheren Pflegezulage nach § 35 BVG zurückzustellen. Die Entscheidung der Versorgungsverwaltung ist nicht vorgreiflich und entfaltet keine Bindungswirkung für den Bereich der sozialen Pflegeversicherung. Zudem erfolgt die Einstufung in eine der sechs Pflegestufen des BVG nach anderen Kriterien, als sie für die Einordnung in eine der drei Pflegestufen des SGB XI vorgesehen sind.

Soweit der Kläger meint, sein Pflegebedarf erfülle jedenfalls jetzt die zeitlichen Voraussetzungen der Pflegestufe II (§ 15 Abs 3 Nr 2 SGB XI ), steht es ihm jederzeit frei, bei der Pflegekasse einen neuen Höherstufungsantrag zu stellen.

III. Nach § 160a Abs 2 SGG hätte die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision innerhalb der bis zum 3. April 2006 vom Vorsitzenden des Senats im höchstmöglichen Umfang (§ 160a Abs 2 Satz 2 SGG ) verlängerten Frist durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten begründet werden müssen. Da dies nicht geschehen ist und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht mehr in Betracht kommt, muss das Rechtsmittel gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss des Senats - ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter - als unzulässig verworfen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 16.12.2005 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 P 1937/01
Vorinstanz: SG Ulm, vom 13.03.2001 - Vorinstanzaktenzeichen S 1 P 448/99