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BGH - Entscheidung vom 23.11.2006

4 StR 33/06

Normen:
StPO § 244 Abs. 3

BGH, Beschluß vom 23.11.2006 - Aktenzeichen 4 StR 33/06

DRsp Nr. 2006/30213

Unerreichbarkeit von Auslandszeugen und Möglichkeit der kommissarischen bzw. audiovisuellen Vernehmung

Vor Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung von Auslandszeugen muss auch ohne entsprechenden Antrag geprüft werden, ob die Zeugen, deren ladungsfähige Anschriften bekannt sind, durch kommissarische oder audiovisuelle Vernehmungen erreicht werden können.

Normenkette:

StPO § 244 Abs. 3 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwölf tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit neun tateinheitlichen Fällen der dirigierenden Zuhälterei (Tatkomplex Ukraine = Fall 2. der Anklage), wegen zweier weiterer Fälle des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in Tateinheit mit dirigierender Zuhälterei (Tatkomplexe D. und R. = Fälle 3. und 4. der Anklage) sowie wegen eines weiteren Falles des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern (Tatkomplex K.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

1. Der Senat beschränkt in den Fällen 2., 3. und 4. der Anklage mit Zustimmung des Generalbundesanwalts und der Nebenklägerinnen B. und D. gemäß § 154 a Abs. 2 StPO das Verfahren auf die Vorwürfe des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern. Soweit der Angeklagte in diesen drei Fällen wegen tateinheitlich begangener dirigierender Zuhälterei verurteilt worden ist, hätte sein Rechtsmittel mit einer (nur) von ihm zulässig erhobenen Verfahrensrüge Erfolg. Die Revision beanstandet zu Recht, der Beweisantrag auf Vernehmung der Auslandszeuginnen M. und A. sei unzutreffend wegen Unerreichbarkeit der Zeuginnen abgelehnt worden. Das Landgericht hätte nämlich auch ohne entsprechenden Antrag prüfen müssen, ob die Zeuginnen, deren ladungsfähige Anschriften bekannt waren, durch kommissarische oder audiovisuelle Vernehmungen erreicht werden konnten (vgl. BGHSt 45, 188; BGH NJW 1991, 186 ; BGH NStZ 1985, 375 , 376). Dies ist nicht geschehen. Da nicht auszuschließen ist, dass sich dieser Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung auf alle Vorwürfe der dirigierenden Zuhälterei ausgewirkt hat, hat der Senat aus prozessökonomischen Gründen das Verfahren auf die Vorwürfe des Verstoßes gegen das Ausländergesetz , die von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind, beschränkt.

2. Die Beschränkung der Strafverfolgung hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Einzelstrafen in den Fällen 2., 3. und 4. der Anklage sowie des Ausspruchs über die Gesamtstrafe zur Folge. Trotz der an sich maßvollen, die Mindeststrafe von einem Jahr nur wenig überschreitenden Einzelstrafen kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne Berücksichtigung der ausgeschiedenen Tatteile in diesen Fällen niedrigere Einzelstrafen und infolgedessen auch eine geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.

3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils weder in verfahrensrechtlicher noch in sachlich-rechtlicher Hinsicht den Angeklagten benachteiligende Rechtsfehler ergeben. Soweit das Landgericht bei Bemessung aller Einzelstrafen von einem unzutreffenden Strafrahmen des § 92 b Abs. 1 AuslG - nämlich von sechs Monaten bis zehn Jahre statt einem Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe - ausgegangen ist, ist der Angeklagte hierdurch nicht beschwert.

Vorinstanz: LG Frankenthal, vom 30.06.2005