BGH, Beschluß vom 27.07.2006 - Aktenzeichen VII ZR 137/05
Umfang des rechtlichen Gehörs im Zivilverfahren
Das rechtliche Gehör ist verletzt, wenn in der Berufungsinstanz abweichend von einem zuvor erteilten Hinweis zu Lasten des Beklagten entschieden wird und diesem trotz eines Hinweises in der mündlichen Verhandlung nicht Gelegenheit zur Ergänzung seines Vorbringens gegeben wird.
Gründe:
Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des Beklagten auf rechtliches Gehör. Es ist ein Überraschungsurteil.
Die Bemerkung im Berufungsurteil, der Beklagte sei in der letzten mündlichen Verhandlung "auf die veränderte Beurteilung ... hingewiesen" worden, lässt nicht erkennen, dass der Beklagte Gelegenheit hatte, zu der das Berufungsurteil tragenden, gegenüber dem ausführlichen Hinweisbeschluss vom 9. September 1998 grundlegend veränderten Auffassung des Berufungsgerichts Stellung zu nehmen. Das Sitzungsprotokoll enthält dazu nichts, ebenso wenig die weitere Begründung des Berufungsurteils.
Darüber hinaus bezieht sich die Bemerkung allenfalls auf die Frage, ob der Kläger die Probleme der vom Beklagten geplanten Zufahrt kannte und in Kauf nahm, oder ob der Beklagte den Kläger auf die Notwendigkeit einer Neukonzeption der Zufahrt besonders hätte hinweisen müssen. Hinsichtlich seiner veränderten Ansichten zu den weiteren Fragen hat sich das Berufungsgericht offenbar in der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2005 nicht geäußert, so dass auch insoweit keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben war. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage einer solchen Stellungnahme des Beklagten zu einer anderen Beurteilung und gegebenenfalls auch einer ergänzenden Beweisaufnahme gelangt wäre.
Bei seiner neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht sich mit den weiteren Einwendungen des Beklagten auseinanderzusetzen haben. Es wird darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage nur ein Schadensersatzanspruch, kein Anspruch auf Vorschuss in Betracht kommt.