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BGH - Entscheidung vom 05.12.2006

VI ZR 77/06

Normen:
BGB § 249

Fundstellen:
BB 2007, 238
BGHReport 2007, 247
DAR 2007, 201
MDR 2007, 517
NJW 2007, 588
NZV 2007, 180
VRS 112, 161
VersR 2007, 372
ZGS 2007, 83
zfs 2007, 328

BGH, Urteil vom 05.12.2006 - Aktenzeichen VI ZR 77/06

DRsp Nr. 2007/694

Umfang des Schadensersatzes bei Reparatur eines unfallbeschädigten Fahrzeugs

»Lässt der Geschädigte das Fahrzeug reparieren, kann er grundsätzlich Ersatz der Reparaturkosten verlangen, wenn diese den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen.«

Normenkette:

BGB § 249 ;

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Ersatz seines restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom 16. Dezember 2003, für den die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners in vollem Umfang einzustehen hat.

Mit Gutachten vom 16. Dezember 2003 hat ein Kfz-Sachverständiger für das klägerische Fahrzeug einen Wiederbeschaffungswert von 10.650 EUR und einen Restwert von 3.000 EUR angegeben. Für eine Reparatur prognostizierte er Kosten in Höhe von 8.879,15 EUR brutto mit einer verbleibenden Wertminderung von 500 EUR.

Der Kläger beauftragte am 18. Dezember 2003 eine Fachwerkstatt mit der Durchführung der Reparatur. Am 9. Januar 2004 holte er das fachgerecht instand gesetzte Fahrzeug ab. Am 12. Januar 2004 berechnete die Fachwerkstatt ihre Arbeiten mit 9.262,45 EUR brutto. Am 13. Januar 2004 veräußerte der Kläger das Fahrzeug an den Reparaturbetrieb und kaufte bei diesem einen anderen Wagen. Die Entscheidung für den Erwerb eines Neufahrzeugs hatte er während der Reparatur getroffen.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Ersatz der tatsächlich angefallenen Reparaturkosten sowie den merkantilen Minderwert. Die Beklagte hat lediglich den Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 7.650 EUR ausgeglichen.

Das Amtsgericht hat die auf den Differenzbetrag in Höhe von 2.112,45 EUR gerichtete Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Schadensersatzanspruch des Klägers auf die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beschränkt, weil er den beschädigten Pkw nach der Reparatur nicht weiter genutzt hat. Wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots und des Bereicherungsverbots könne der Geschädigte zum Ausgleich seines Fahrzeugschadens die Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts ohne Abzug des Restwerts nur verlangen, wenn er das Fahrzeug tatsächlich reparieren lasse und weiterhin benutze. In diesem Fall stelle nämlich der Restwert lediglich einen hypothetischen Rechnungsposten dar, den der Geschädigte nicht realisiere und der sich daher in der Schadensbilanz nicht niederschlagen dürfe.

Im vorliegenden Fall könne der Kläger jedoch seinen Zahlungsanspruch nicht mit einem bestehenden Integritätsinteresse begründen. Insoweit sei zwischen den Parteien streitig, ob es für das Integritätsinteresse allein auf den Willen des Geschädigten bei Erteilung des Reparaturauftrags oder auch auf sein späteres Verhalten ankomme. Nach der Rechtsprechung komme es nicht auf den Nutzungswillen des Geschädigten bei Erteilung des Reparaturauftrags, sondern auf die tatsächliche Nutzung nach der durchgeführten Reparatur an. Da der Kläger das Fahrzeug nach der Reparatur nicht mehr genutzt habe, habe er sein Integritätsinteresse nicht ausreichend dargetan.

II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Senatsurteile BGHZ 154, 395 , 397 ff.; 162, 161, 164 f.; 163, 180, 184 jeweils m. w. N.) dem Unfallgeschädigten für die Berechnung eines Kfz-Schadens im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung stehen: die Reparatur des Unfallfahrzeugs oder die Anschaffung eines "gleichwertigen" Ersatzfahrzeugs. Verfehlt ist jedoch seine Auffassung, der Kläger könne nicht Ersatz der Reparaturkosten verlangen, weil er das Fahrzeug nach der Reparatur nicht weiter benutzt und deshalb kein Integritätsinteresse zum Ausdruck gebracht habe. Darauf kommt es bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht an. Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Geschädigte, der das Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt, grundsätzlich Ersatz der Reparaturkosten verlangen, wenn diese den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen. Das Vorliegen eines Integritätsinteresses kann insoweit nur dann eine Rolle spielen, wenn es um die Frage geht, ob der Geschädigte unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots sein Fahrzeug überhaupt reparieren darf, wenn nämlich die Reparaturkosten diesen Wert übersteigen (sog. 30 % Grenze, vgl. Senatsurteile BGHZ 115, 364 , 371 f.; 154, 395, 399 f.; 162, 161, 163 ff.; 162, 170, 172 ff.). Das ist hier ersichtlich nicht der Fall.

2. Verfehlt ist auch der Abzug des Restwerts, mit dem das Berufungsgericht den Anspruch des Geschädigten auf den Wiederbeschaffungsaufwand begrenzen will. Das könnte nur dann richtig sein, wenn der Geschädigte anstelle der Reparatur eine Ersatzbeschaffung gewählt hätte und den Schaden auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten abrechnen würde (vgl. Senatsurteil BGHZ 162, 170 , 174). Vorliegend hat der Kläger jedoch das Fahrzeug tatsächlich reparieren lassen und kann deshalb Ersatz der hierdurch konkret entstandenen Reparaturkosten verlangen, die den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen. Hat sich also der Geschädigte für eine Reparatur entschieden und diese tatsächlich durchführen lassen, spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob und wann er danach ein anderes Fahrzeug erwirbt. Ein solcher Vorgang stellt sich aus rechtlicher Sicht nicht als "Ersatzbeschaffung" anstelle einer Reparatur dar, die ja im Streitfall bereits tatsächlich erfolgt war. Soweit das Berufungsgericht aus früheren Senatsurteilen etwas anderes ableiten will, übersieht es, dass es sich dabei um Fälle der fiktiven Schadensabrechnung gehandelt hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 154, 395 ff.; 162, 161, 162 ff.; 162, 170 ff.; vom 23. Mai 2006 - VI ZR 192/05 - VersR 2006, 989 f.).

III. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um den Parteien Gelegenheit zu geben, ergänzend zur Schadenshöhe vorzutragen.

Vorinstanz: LG Dresden, vom 07.03.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 13 S 532/04
Vorinstanz: AG Dresden, vom 19.08.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 102 C 4312/04
Fundstellen
BB 2007, 238
BGHReport 2007, 247
DAR 2007, 201
MDR 2007, 517
NJW 2007, 588
NZV 2007, 180
VRS 112, 161
VersR 2007, 372
ZGS 2007, 83
zfs 2007, 328