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BGH - Entscheidung vom 29.11.2006

XII ZB 194/05

Normen:
ZPO § 517 § 319

Fundstellen:
FamRZ 2007, 372

BGH, Beschluß vom 29.11.2006 - Aktenzeichen XII ZB 194/05

DRsp Nr. 2007/27

Maßgeblichkeit der Urteilszustellung und des Fristbeginns bei Berichtigung des Urteils

1. Die Zustellung eines Urteils ist nur bei wesentlichen Abweichungen zwischen Urschrift und Ausfertigung unwirksam. Eine Abweichung ist nur dann wesentlich, wenn die Mängel der Ausfertigung geeignet sind, die Entschließung des Zustellungsempfängers über die Einlegung eines Rechtsmittels zu beeinflussen. Davon ist insbesondere nur dann auszugehen, wenn dieser aus der Ausfertigung den Inhalt der Urschrift und den Umfang seiner Beschwer nicht erkennen kann.2. Enthält das Urteil im Tenor eingefügte Zeichen, die im normalen Sprachgebrauch keinen Sinn ergeben und ersichtlich einen Computerbefehl wiedergeben, so ist dies nicht geeignet, Zweifel an dem Umfang der Verurteilung aufkommen zu lassen.

Normenkette:

ZPO § 517 § 319 ;

Gründe:

I. Mit Teilurteil vom 21. April 2005 hat das Landgericht auf die Zwischenfeststellungswiderklage des Beklagten festgestellt, "dass die Klägerin verpflichtet ist, im Gesundheitszentrum K. S. einen OP-Bereich in Klinikstandard zu erstellen und dem Beklagten die Nutzungsmöglichkeit zu verschaffen sowie die Möglichkeit, seine Patienten nach der Operation für maximal 72 Stunden dort stationär unterzubringen". In der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 6. Mai 2005 zugestellten Ausfertigung des Teilurteils enthält der Tenor zwischen der Zahl 72 und dem Wort "Stunden" folgende Zeichen: "Select langbez, bezaz, raum, tel, kz, kamsort from Kammer where inaktiv = "O" order by kamsort". Ausweislich eines Vermerks in den Gerichtsakten wurde der Tenor in der vollstreckbaren Ausfertigung korrigiert und das Urteil den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 23. Mai 2005 zugestellt. Gegen das Teilurteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. Juni 2005, der am gleichen Tag bei dem Kammergericht eingegangen ist, Berufung eingelegt.

Mit Beschluss vom 4. August 2005 hat das Kammergericht die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.

1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Zustellung einer von der Urschrift abweichenden Ausfertigung die Rechtsmittelfrist in Lauf setzt, ist höchstrichterlich geklärt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung führen nur wesentliche Abweichungen zwischen Urschrift und Ausfertigung zur Unwirksamkeit der Zustellung (Senatsbeschluss vom 24. Januar 2001 - XII ZB 75/00 - NJW 2001, 1653 , 1654 m.w.N.). Als wesentliche Abweichung ist es nur anzusehen, wenn die Mängel der Ausfertigung geeignet sind, die Entschließung des Zustellungsempfängers über die Einlegung eines Rechtsmittels zu beeinflussen. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn dieser aus der Ausfertigung den Inhalt der Urschrift und den Umfang seiner Beschwer nicht erkennen kann (Senatsbeschluss vom 30. September 1981 - IVb ZB 805/81 - VersR 1982, 70 ; BGH Beschlüsse vom 3. Februar 1987 - VI ZB 17/86 - BGHR ZPO § 170 Abs. 1 Urteilsausfertigung 1 und vom 13. April 2000 - V ZB 48/99 - NJW-RR 2000, 1665 , 1666; Zöller/Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 317 Rdn. 6; Musielak ZPO 5. Aufl. § 317 Rdn. 3, 10).

b) Das ist hier nicht der Fall. Die den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 6. Mai 2005 zugestellte Ausfertigung gibt die Urschrift in Tenor, Tatbestand und Entscheidungsgründen vollständig wieder. Die im Tenor darüber hinaus zwischen der Zahl 72 und dem Wort "Stunden" eingefügten Zeichen, die im normalen Sprachgebrauch keinen Sinn ergeben und ersichtlich einen Computerbefehl wiedergeben, sind nicht geeignet, Zweifel an dem Umfang der Verurteilung aufkommen zu lassen.

Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, konnte die Klägerin der Entscheidung des Landgerichts zweifelsfrei entnehmen, dass der Zwischenfeststellungswiderklage des Beklagten, deren Inhalt sich aus dem im Tatbestand wiedergegebenen Antrag ergibt, in vollem Umfang stattgegeben worden war.

2. Aus diesem Grund ist auch keine Entscheidung des Beschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ). Der angefochtene Beschluss verletzt den Anspruch der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes nicht dadurch, dass ihr der Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer Weise erschwert wird.

Vorinstanz: KG, vom 04.08.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 105/05
Vorinstanz: LG Berlin, vom 21.04.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 12 O 168/05
Fundstellen
FamRZ 2007, 372