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BGH - Entscheidung vom 20.09.2006

IV ZB 16/06

Normen:
ZPO § 520 Abs. 2 § 233 § 234

Fundstellen:
FamRZ 2006, 1754
VersR 2006, 1706

BGH, Beschluß vom 20.09.2006 - Aktenzeichen IV ZB 16/06

DRsp Nr. 2006/25302

Im Wiedereinsetzungsverfahren vorzunehmende Prozesshandlung nach Versäumung der Berufungsbegründungsfrist

Unter der nachzuholenden Prozesshandlung i.S. des § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO ist bei Versäumung einer Rechtsmittelbegründungsfrist regelmäßig die Rechtsmittelbegründung selbst zu verstehen und nicht ein Fristverlängerungsantrag.

Normenkette:

ZPO § 520 Abs. 2 § 233 § 234 ;

Gründe:

I. Die Beschwerdeführerin (Beklagte) wurde mit Urteil des Landgerichts vom 4. Januar 2006 zur Zahlung von 5.961,66 EUR nebst Zinsen verurteilt. Das Urteil wurde ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten am 17. Januar 2006 zugestellt, der namens der Beschwerdeführerin am 16. Februar 2006 (mithin rechtzeitig) Berufung einlegte. Eine Begründung der Berufung liegt bis heute nicht vor.

Nachdem die Berufungsbegründungsfrist am 17. März 2006 verstrichen war, wies der zuständige Senat des Oberlandesgerichts den damaligen Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 23. März 2006 telefonisch darauf hin, dass die Verwerfung der Berufung beabsichtigt sei. Letzterer beantragte mit einem am 27. März 2006 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und zugleich deren Verlängerung bis zum 17. April 2006. Dem Wiedereinsetzungsgesuch lag ein auf den 6. März 2006 datierter Schriftsatz an das Oberlandesgericht bei, in welchem ebenfalls beantragt war, die Frist für die Berufungsbegründung um einen Monat zu verlängern. Dieser Antrag hatte dem Oberlandesgericht zuvor noch nicht vorgelegen. Der frühere Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin versicherte dazu sowohl anwaltlich und wie auch an Eides Statt, er habe den Schriftsatz vom 6. März 2006 bereits an diesem Tage zur Post gegeben (und auf die beantragte Fristverlängerung vertraut).

Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verworfen. Es hat insbesondere deshalb, weil der frühere Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin den Fristverlängerungsantrag vom 6. März 2006 im Telefonat am 23. März 2006 nicht erwähnt hat, Zweifel an der Behauptung, der Rechtsanwalt habe den Fristverlängerungsantrag schon am 6. März 2006 an das Oberlandesgericht abgeschickt.

II. Die hiergegen gerichtete, nach den §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zurückzuweisen, denn der angefochtene Beschluss ist jedenfalls im Ergebnis richtig (§ 577 Abs. 3 ZPO ), so dass es auf die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO und die dazu geltend gemachten Zulassungsgründe nicht mehr ankommt.

1. Das Wiedereinsetzungsgesuch der Beschwerdeführerin gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die versäumte Prozesshandlung im Wiedereinsetzungsverfahren entgegen § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 nachgeholt worden ist.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die in Übereinstimmung mit der Judikatur anderer Oberster Gerichtshöfe des Bundes steht und auch vom Schrifttum fast einhellig geteilt wird (vgl. dazu die umfangreichen Nachweise in BGH, Beschluss vom 7. Juni 1999 - II ZB 25/98 - VersR 2000, 647 unter 1 = NJW 1999, 3051 unter II 1), ist unter der nachzuholenden Prozesshandlung bei Versäumung einer Rechtsmittelbegründungsfrist nicht ein Fristverlängerungsantrag, sondern ausschließlich die Rechtsmittelbegründung selbst zu verstehen. Der frühere Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin hätte deshalb, nachdem das behauptete Hindernis für die Fristwahrung (Unkenntnis davon, dass der Antrag auf Fristverlängerung beim Oberlandesgericht nicht vorlag und die Berufungsbegründungsfrist nicht verlängert worden war) mit dem Telefonat vom 23. März 2006 weggefallen war, spätestens bis zum Montag, dem 24. April 2006 die Berufungsbegründung beim Oberlandesgericht einreichen müssen.

Zwar führt diese Rechtsprechung häufig zu einer kürzeren Rechtsmittelbegründungsfrist, als sie der Partei zur Verfügung gestanden hätte, wenn die Begründungsfrist antragsgemäß verlängert worden wäre. Dies hat die betroffene Partei jedoch regelmäßig hinzunehmen, weil der Gesetzgeber im Wiedereinsetzungsverfahren dem Beschleunigungsgedanken besonderes Gewicht beigemessen und für die versäumte Prozesshandlung hier lediglich die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorgesehen hat (vgl. dazu auch BGH aaO.). Im hier zu entscheidenden Fall lag es sogar so, dass nach den Behauptungen des früheren Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nur bis zum 17. April 2006 beantragt war, während die Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO erst am Montag, dem 24. April 2006 ablief.

2. Soweit die Rechtsbeschwerdebegründung mit Blick auf die nach § 574 Abs. 2 ZPO erforderlichen Zulassungsgründe vorträgt, die Zweifel des Oberlandesgerichts an der Darstellung des früheren Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin beruhten auf einer unter Verletzung von Verfahrensgrundrechten (Art. 2 Abs. 1 und 103 Abs. 1 GG ) vorgenommenen, lückenhaften Beweiswürdigung, kommt es darauf ebenso wenig an wie auf die weitere von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, das Oberlandesgericht habe die Erkundigungspflichten eines Rechtsanwalts nach einem nicht beschiedenen Fristverlängerungsantrag überspannt.

3. Da eine Wiedereinsetzung hier nicht in Betracht kam, hat auch die im angefochtenen Beschluss ausgesprochene Berufungsverwerfung Bestand.

Vorinstanz: OLG Bamberg, vom 10.04.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 5 U 30/06
Vorinstanz: LG Coburg, vom 04.01.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 13 O 954/04
Fundstellen
FamRZ 2006, 1754
VersR 2006, 1706