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BGH - Entscheidung vom 07.11.2006

X ZR 65/03

Normen:
ZuSEG § 3 Abs. 2 S. 1

BGH, Beschluß vom 07.11.2006 - Aktenzeichen X ZR 65/03

DRsp Nr. 2007/25

Erforderlichkeit der aufgewendeten Stunden für ein Sachverständigengutachten

1. Ist der Sachverständige im Zuleitungsschreiben darauf hingewiesen worden, dass er von Recherchen nach weiterem Material absehen möge, so sind solche Recherchen auch nicht zu vergüten.2. Erforderlich ist grundsätzlich nur derjenige Zeitaufwand, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigen Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme schriftlich niederzulegen. Dabei sind die Anforderungen an die Erforderlichkeit des Zeitaufwandes umso kritischer zu überprüfen, je höher der Stundensatz angesetzt ist.

Normenkette:

ZuSEG § 3 Abs. 2 S. 1 ;

Gründe:

I. Der gerichtliche Sachverständige hat sein am 1. Juni 2004 in Auftrag gegebenes schriftliches Gutachten zunächst pauschal mit 21.176,38 EUR und nach Hinweis auf die Anwendbarkeit des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen mit 23.524,80 EUR einschließlich Umsatzsteuer abgerechnet; dabei hat er 260 aufgewendete Stunden zugrunde gelegt. Während die Klägerin dem erstgenannten Vergütungsvorschlag zugestimmt hat, haben die Beklagten ihm widersprochen. Zur Begründung der Stundenzahl hat der gerichtliche Sachverständige ausgeführt, er habe sich alle erdenkliche Mühe gegeben, die kürzestmögliche Form bei größtmöglicher Klarheit zu erreichen, außerdem habe er aufwändige Recherchen nach weiterem Material angestellt. Die Literatur sei weit gestreut und das Material sei nicht umfassend dokumentiert. Eine detaillierte Aufstellung, die der gerichtliche Sachverständige eingereicht hat, schließt mit einem Saldo von 251 Stunden.

II. 1. Für die Vergütung des gerichtlichen Sachverständigen ist im vorliegenden Fall noch das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen ( ZuSEG ) maßgeblich. Nach § 3 ZuSEG in der vom 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2004 geltenden Fassung betrug der Höchststundensatz 52 EUR; der Satz konnte nach § 3 Abs. 3 ZuSEG um bis zu 50 vom Hundert überschritten werden; der Senat bejaht vorliegend diese Möglichkeit, so dass der maßgebliche Stundensatz 78 EUR beträgt, wie dies der gerichtliche Sachverständige zuletzt in Rechnung gestellt hat.

2. Allerdings kann dem gerichtlichen Sachverständigen die Vergütung nicht für die gesamte von ihm angesetzte Zeit zugebilligt werden.

a) Im Zuleitungsschreiben war der Sachverständige darauf hingewiesen worden, dass keine Bedenken beständen, wenn er neben dem Parteivorbringen auch ihm bekannte Druckschriften mitberücksichtige, dass er von Recherchen nach weiterem Material aber absehen möge. Solche Recherchen, auf die sich der Sachverständige zur Begründung der von ihm angesetzten Stundenzahl maßgeblich gestützt hat, sind daher nicht zu vergüten.

b) Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Entschädigung des Sachverständigen nur für die erforderliche Zeit zu gewähren ist (§ 3 Abs. 2 Satz 1 ZuSEG ). Auch unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen genannten Umstände schätzt der Senat unter Berücksichtigung des vorgelegten schriftlichen Gutachtens diese einschließlich der notwendigen Recherchen auf höchstens 150 Stunden und legt diese der Vergütungsberechnung zugrunde (vgl. Sen.Beschl. v. 16.12.2003 - X ZR 206/98, GRUR 2004, 446 - Sachverständigenentschädigung III, m.w.N.). Als erforderlich ist dabei grundsätzlich nur derjenige Zeitaufwand anzusetzen, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachtliche Stellungnahme schriftlich niederzulegen (Sen.Beschl. v. 4.6.1987 - X ZR 27/86, NJW-RR 1987, 1470 = Liedl, Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen - Nichtigkeitsklagen, 1987/88, 173). Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass zwischen erforderlichem Zeitaufwand und zu gewährendem Stundensatz eine Wechselwirkung besteht, weshalb das Verlangen des gerichtlichen Sachverständigen nach dem höchstmöglichen Stundensatz durchaus eine kritische Betrachtung der Erforderlichkeit der angesetzten Zeit rechtfertigt (vgl. Sen.Beschl. v. 12.10.1989 - X ZR 86/87, wo der Senat ausgeführt hat, da der Sachverständige mit dem von ihm berechneten Stundensatz für seine Person eine sehr hohe Leistungsfähigkeit in Anspruch nehme, könne nicht angenommen werden, dass er die angegebene Zeit habe benötigen müssen). Der Senat hat dabei insbesondere berücksichtigt, dass sich die Klägerin erstinstanzlich auf zwei Entgegenhaltungen und eine Vorbenutzung gestützt hat, die auch lediglich Gegenstand des Beweisbeschlusses waren, das erstinstanzliche Urteil mit zwölf Seiten eher kurz ist und das schriftliche Gutachten zur einführenden Darstellung knapp elf Seiten, zur Beantwortung der Fragen des Beweisbeschlusses einschließlich der Wiedergabe der Beweisfragen (im Beweisbeschluss rund sechs Seiten) insgesamt 12 Seiten und für die Zusammenfassung eine knappe Seite benötigt hat. Die pauschalen Angaben in dem mit Schreiben vom 30. August 2006 eingereichten Konvolut (SenA 283 ff.), in dem die Stunden lediglich bausteinmäßig erfasst werden ("Schlusslesung der Endfassung"; "Endkorrektur"; "Enddruck und Abrechnung"; "Überarbeitung der 1. Textfassung"; "Überarbeitung der 2. Textfassung"; "Literaturstudien"; "Literaturrecherche"; "Erstellen des Textkörpers"; "Studien im Bildarchiv"; "Recherche im Bildarchiv"; "Literaturbeschaffung"; "Bearbeitung BGH"; "Wiederaufnahme BGH"; "Vorarbeiten BGH"; "Sichtung Unterlagen") sagen über die Erforderlichkeit der jeweils angesetzten Zeit nichts aus und rechtfertigen jedenfalls die Annahme nicht, dass mehr als 150 Stunden für die Gutachtertätigkeit erforderlich waren. Schon aus diesem Grund scheidet auch die Festsetzung einer besonderen Vergütung nach § 7 Abs. 2 ZuSEG aus.

3. Danach ergibt sich folgende Berechnung:

150 Stunden zu je 78 EUR 11.700 EUR

16 % Umsatzsteuer hieraus (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 ZuSEG ) 1.872 EUR

Schreibauslagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 ZuSEG ) 52 EUR

Summe 13.624 EUR.

Vorinstanz: BPatG, vom 06.03.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ni 39/01 (EU)