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BFH - Entscheidung vom 22.09.2006

IX B 64/06

Normen:
EStG § 21
FGO § 96 Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1

Fundstellen:
BFH/NV 2007, 723

BFH, Beschluss vom 22.09.2006 - Aktenzeichen IX B 64/06

DRsp Nr. 2007/3246

Überraschungsentscheidung: Mietvertrag unter Angehörigen nicht anerkannt

Geht es um die steuerliche Anerkennung eines Mietvertrages unter Angehörigen und verlangt das FG in der mündlichen Verhandlung weder die Vorlage des Mietvertrages noch Belege oder Mietquittungen, so wird der Anspruch auf rechtliches Gehör durch ein Überraschungsentscheidung verletzt, wenn das FG das behauptete Mietverhältnis mit der Begründung nicht anerkennt, es sei nicht feststellbar, dass die Mietzahlungen "wie behauptet" bar geflossen seien.

Normenkette:

EStG § 21 ; FGO § 96 Abs. 2 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

Die Beschwerde ist begründet; das angefochtene Urteil ist wegen Verfahrensfehlern aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht (FG) zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Zu Recht rügen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) eine Verletzung rechtlichen Gehörs i.S. des § 96 Abs. 2 FGO .

a) Das FG hat das vom Kläger behauptete Mietverhältnis mit seiner Ehefrau, der Klägerin, über (für anwaltliche Zwecke genutzte) Räume im Erdgeschoss ihres Hauses nicht anerkannt, weil dessen tatsächliche Durchführung und zumindest die Erfüllung der vertraglichen Hauptpflichten nicht festgestellt werden könne. Insbesondere sei nicht feststellbar, dass die Mietzahlungen "wie behauptet" bar geflossen seien. Trotz der erkennbaren Wichtigkeit von Belegen habe der rechtlich nicht unerfahrene Kläger keine Nachweise über die Zahlungen beigebracht. Es sei ungewöhnlich und damit unwahrscheinlich, dass der Kläger monatlich einen Betrag in Höhe der vereinbarten Miete von seinem Geschäftskonto abgehoben und der Klägerin übergeben habe. Darüber hinaus seien entgegen den mietvertraglichen Vereinbarungen keine Nebenkosten gezahlt worden. Auch wenn es sich dabei nicht um eine der Hauptpflichten handele, sei ein darauf bezogener Verzicht unter fremden Dritten unüblich, so dass das Mietverhältnis insgesamt einem Fremdvergleich nicht stand halte.

b) Dagegen wenden die Kläger zu Recht ein, dass sie aufgrund des Verhaltens des Gerichts vor und in der mündlichen Verhandlung nicht von der Beweisbedürftigkeit der streitigen Zahlungen ausgehen mussten und das angefochtene Urteil deshalb als Überraschungsentscheidung ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO ) verletzt, weil das FG weder nach Vorlage des Mietvertrags noch nach den darauf bezogenen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung weitere Belege oder Mietquittungen angefordert habe.

aa) Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ist insbesondere anzunehmen, wenn auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abgestellt wird, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter --wie hier aufgrund des gerichtlichen Verhaltens vor und in der mündlichen Verhandlung-- nicht zu rechnen braucht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. März 1972 II R 121/68, BFHE 105, 515 , BStBl II 1972, 637 ; vom 21. März 1995 XI R 85/93, BFHE 177, 377 , BStBl II 1995, 732 ; Beschluss vom 28. Mai 1998 III B 5/98, BFH/NV 1998, 1352 ).

bb) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

Das FG hat in seinem Erörterungstermin lediglich hinsichtlich anderer Mietverhältnisse eine Beweisbedürftigkeit bejaht, nur darauf bezogene Zusagen der Kläger auf Benennung von ladungsfähigen Anschriften möglicher Zeugen protokolliert und ausschließlich auf diese Mietverhältnisse bezogen einen Beweisbeschluss erlassen. Es hat des Weiteren nur mit Aufklärungsverfügung vom 7. Februar 2006 u.a. um Erläuterungen der hier streitigen Mietzahlungen (für die beruflich genutzten Räume) gebeten, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung gegeben hat und die ausweislich des Protokolls keine Nachfragen des Gerichts veranlasst haben.

Bei dieser Sachlage hatten die Kläger ersichtlich keine Veranlassung für die Annahme, das FG habe Zweifel an der tatsächlichen Durchführung des für das Streitjahr 2002 behaupteten und in der mündlichen Verhandlung erläuterten Mietverhältnisses. Darüber hinaus ergaben sich für die Kläger auch aus dem Ablauf der mündlichen Verhandlung keine Anhaltspunkte für die unterschiedliche Würdigung der Barzahlungen, die das FG in den Urteilsgründen hinsichtlich der Mietzahlungen der Tochter für unschädlich, hinsichtlich der Zahlungen des Klägers an die Klägerin als seine Ehefrau aber für schädlich angesehen hat. Auf dieser Grundlage hätte das FG die Kläger auf seine --nicht erkennbar gewordenen-- Zweifel an der tatsächlichen Durchführung der Zahlungen hinweisen müssen, um den Klägern die Notwendigkeit ergänzenden Vortrags und ggf. zur Stellung etwaiger Beweisanträge vor Augen zu führen.

Vorinstanz: FG Köln, vom 14.02.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 14 K 3967/04
Fundstellen
BFH/NV 2007, 723