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BFH - Entscheidung vom 21.02.2006

VII B 77/05

Normen:
FGO § 76 Abs. 1

Fundstellen:
BFH/NV 2006, 1307

BFH, Beschluss vom 21.02.2006 - Aktenzeichen VII B 77/05

DRsp Nr. 2006/11477

NZB: Verwertung von Feststellungen aus Strafurteil

Es ist höchstrichterlich geklärt, dass das FG Feststellungen in einem strafrichterlichen Urteil auch dann verwerten kann, wenn der Beteiligte an dem strafgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt war.

Normenkette:

FGO § 76 Abs. 1 ;

Gründe:

I. Dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wird vom Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) vorgeworfen, 1992 ohne Verzollung und Versteuerung nach Deutschland verbrachte Zigaretten zum Weiterverkauf erworben zu haben. Er ist deswegen der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei angeklagt worden. Das Verfahren ist gegen Geldbuße nach § 153a Abs. 2 der Strafprozessordnung ( StPO ) eingestellt worden. Das HZA hat gegen den Kläger zunächst Eingangsabgaben von rd. 2,7 Mio. DM festgesetzt, die Festsetzung im Einspruchsverfahren jedoch auf rd. 2 Mio. DM, später auf rd. 170 000 DM herabgesetzt. Die deswegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es urteilte, das Bestreiten des Klägers, Besitz an den der Abgabenerhebung zu Grunde liegenden Zigaretten gehabt zu haben, sei unsubstantiiert geblieben und nicht glaubhaft. Angesichts der Vielzahl der Erkenntnisse über die Beteiligung des Klägers am Zigarettenschmuggel sei es grob unwahrscheinlich, wenn nicht gar auszuschließen, dass er durch ein Versehen in Anspruch genommen oder von Dritten zu Unrecht beschuldigt worden sei. Erstmals im Klageverfahren sei sein Vortrag etwas konkreter geworden. Es handele sich aber nach wie vor um ein pauschales, wenn auch mit Beweisanregungen untermauertes Bestreiten. Die beantragte Vernehmung des Zeugen X komme nicht in Betracht, weil die Zigaretten, für die dieser als Zeuge benannt sei, nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides seien. Auch der Zeuge Z habe nicht vernommen werden müssen. Die Annahme, dass der Kläger Besitzer der streitgegenständlichen Zigaretten war, stütze sich auf die Aussagen von Vertrauenspersonen des HZA; woher die Zigaretten stammten, sei unerheblich. Die Angaben der Vertrauenspersonen seien vor dem Hintergrund der sonstigen Ermittlungsergebnisse schlüssig und keine Anhaltspunkte ersichtlich, die Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Einlassungen erwecken könnten. Auch der Kläger wecke derartige Zweifel nicht, wenn er pauschal bestreite, dass die Vertrauenspersonen die protokollierten Angaben gemacht hätten.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der sinngemäß Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) geltend gemacht werden.

II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt worden ist.

1. Die Beschwerde beanstandet, dass sich das FG auf die Vernehmung einer Vertrauensperson gestützt habe, obwohl der Kläger bestritten habe, dass die Vertrauenspersonen die zitierten Angaben gemacht hätten. Dieses Vorbringen ist schon deshalb ungeeignet, zur Zulassung der Revision zu führen, weil nicht angegeben ist, mit welchen Beweismitteln das FG die vorgenannte Behauptung des Klägers hätte aufklären sollen, welche Erkenntnisse es dabei gewonnen hätte und inwiefern diese dazu hätten führen können, dass das FG die von ihm zitierte Angabe der Vertrauensperson nicht berücksichtigt.

2. Die Beschwerde rügt weiter, dass sich das FG auf Feststellungen eines Urteils des Landgerichts (LG) ... gestützt habe, obwohl der Kläger an dem dortigem Verfahren nicht beteiligt war. Diese Rüge ist unter anderem deshalb unschlüssig, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) das FG Feststellungen in einem strafrichterlichen Urteil auch dann verwerten kann, wenn der Beteiligte an dem strafgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt war (BFH-Entscheidungen vom 26. April 1988 VII R 124/85, BFHE 153, 463, und vom 29. Januar 1999 V B 112/97, BFH/NV 1999, 1103 ).

3. Aus dem gleichen Grunde ist die Rüge der Beschwerde unschlüssig, das FG habe Zeugenaussagen in dem betreffenden Verfahren des LG bei seiner Entscheidung verwertet (u.a. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1103 ).

4. Ferner rügt die Beschwerde, dass das FG das Bestreiten des Klägers, Besitz an den streitgegenständlichen Zigaretten gehabt zu haben, als unsubstantiiert und nicht glaubhaft bewertet habe. Mit Letzterem wird indes offenkundig kein Verfahrensmangel geltend gemacht, sondern die Beweiswürdigung des FG angegriffen, was nicht zur Zulassung der Revision führen kann; aber auch sofern die Beschwerde beanstandet, dass das FG das Vorbringen des Klägers als unsubstantiiert angesehen habe, rügt sie keinen Verfahrensmangel, sondern die tatrichterliche Überzeugungsbildung. Das Gleiche gilt für die abschließenden Darlegungen der Beschwerde, in denen sie vorträgt, das FG habe sein Urteil auf bloße Vermutungen gegründet.

5. Sofern die Beschwerde beanstanden will, dass das FG eine vom Kläger verlangte Beweiserhebung trotz eines begründeten (und nicht "unsubstantiierten") Beweisantrages unterlassen habe, fehlt es erneut an der genauen Darstellung, welche Beweismittel das FG hätte herbeiziehen sollen, welche Erkenntnisse es daraus im Einzelnen hätte gewinnen können und inwiefern diese --aus der materiell-rechtlichen Sicht des FG-- zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätten führen können.

6. Im Übrigen ist in der Beschwerdeschrift auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass das FG aufgrund der ihm vorliegenden Beweismittel ohne Verstoß gegen die Denkgesetze und Erfahrungssätze nicht zu der für eine tatrichterliche Überzeugungsbildung ausreichenden Ansicht gelangen konnte, dass der Kläger Besitzer der von dem angefochtenen Bescheid betroffenen Zigaretten gewesen und damit Schuldner der vom HZA festgesetzten Abgaben geworden ist; dass das gegen den Kläger geführte Strafverfahren eingestellt worden ist, beweist seine Unschuld mitnichten. Deshalb kommt auch eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO nicht in Betracht, wie die Beschwerde offenbar selbst erkannt hat; denn sie hat sich auf diese Alternative auch nicht berufen.

Vorinstanz: FG Hamburg, vom 07.02.2005 - Vorinstanzaktenzeichen IV 7/03
Fundstellen
BFH/NV 2006, 1307