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BFH - Entscheidung vom 31.07.2006

VII B 287/05

Normen:
AO § 129
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

Fundstellen:
BFH/NV 2006, 2030

BFH, Beschluss vom 31.07.2006 - Aktenzeichen VII B 287/05

DRsp Nr. 2006/24943

Haftungsbescheid - falsches Bescheiddatum

1. Ob beim Erlass eines VA (hier: Haftungsbescheid) hinsichtlich des Datums des Bescheides ein bloßes mechanisches Versehen unterlaufen ist, das als offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO jederzeit berichtigt werden kann, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles.2. Dabei handelt es sich um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt und nur auf Verstöße gegen Denkgesetze/allgemeine Erfahrungssätze überprüft werden kann.

Normenkette:

AO § 129 ; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) nahm den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als Haftenden für Lohn- und Kirchensteuer in Anspruch und erließ unter dem Datum 2. Januar 2000, welches richtigerweise 2. Januar 2001 hätte heißen müssen, einen Haftungsbescheid, der am 2. Januar 2001 zur Post aufgegeben und am 3. Januar 2001 dem Kläger durch Niederlegung zugestellt wurde. Das dem Kläger zugestellte Exemplar des Haftungsbescheids wies den Stempelaufdruck "2. Januar 2001" auf sowie einen Stempelaufdruck "2. Januar 2000", der handschriftlich nach "2001" geändert worden war. Nachdem der Kläger im Rahmen von späteren Vollstreckungsversuchen zur Zahlung der Abgaben aufgefordert worden war, beantragte er einen Abrechnungsbescheid mit der Begründung, dass die Forderung aus dem Haftungsbescheid durch Verjährung erloschen sei. Das FA erließ daraufhin unter dem 24. Juni 2004 einen Abrechnungsbescheid, mit dem festgestellt wurde, dass die im Haftungsbescheid geltend gemachten Steuern und Nebenleistungen nicht durch Zahlungsverjährung erloschen seien.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der sich der Kläger auf die Nichtigkeit des Haftungsbescheids berief, wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Haftungsschuld nicht verjährt sei. Der Haftungsbescheid sei mit seiner Zustellung im Januar 2001 wirksam geworden, so dass die Verjährungsfrist erst mit dem Ablauf des Jahres 2006 ende. Der Haftungsbescheid sei auch nicht nichtig. Das falsche Datum auf dem Aktenexemplar sei eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 der Abgabenordnung ( AO 1977 ); insoweit sei zudem zu berücksichtigen, dass der dem Kläger zugestellte Haftungsbescheid das richtige Datum getragen habe. Auch lägen keine Bekanntgabemängel vor; die Zustellung sei ohne Fehler.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

1. Das FG hat festgestellt, dass dem Kläger der Haftungsbescheid vom 2. Januar 2001 am 3. Januar 2001 durch Niederlegung zugestellt wurde. Das niedergelegte und nicht abgeholte Exemplar des Haftungsbescheids befindet sich in den Akten. Aus den auf diesem Exemplar befindlichen Datumsstempeln (einer davon korrigiert) hat das FG geschlossen, dass der Haftungsbescheid unter dem 2. Januar 2001 erlassen wurde und dass das Datum 2. Januar 2000 auf dem Aktenexemplar auf einem bloßen mechanischen Versehen beruht und sich deshalb als eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO 1977 darstellt.

Soweit die Beschwerde weiterhin bezweifelt, ob das durch Niederlegung zugestellte Exemplar bereits zu diesem Zeitpunkt mit den beiden Datumsstempeln versehen gewesen sei, und auch das vom FG festgestellte Datum der Aufgabe zur Post in Zweifel zieht, wendet sie sich gegen die Tatsachenfeststellung und -würdigung durch das FG, legt aber keinen Grund für die Zulassung der Revision dar. Ob beim Erlass eines Verwaltungsaktes ein bloßes mechanisches Versehen unterlaufen ist, das als offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO 1977 jederzeit berichtigt werden kann, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei handelt es sich um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt und nur auf Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze überprüft werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Mai 2002 VII B 179/01, BFH/NV 2002, 1316 ; Urteil des Bundesfinanzhofs vom 5. Februar 1998 IV R 17/97, BFHE 185, 345 , BStBl II 1998, 535 ). Derartige Verstöße sind im Streitfall weder dargelegt noch ersichtlich; die vom FG vorgenommene Tatsachenwürdigung ist möglich.

2. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht gegeben. Soweit die Beschwerde unter Bezugnahme auf das Urteil des Niedersächsischen FG vom 10. November 2004 6 K 547/98 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 1012 ) es für klärungsbedürftig hält, ob einem Abrechnungsbescheid nur wirksame Steuerfestsetzungen zugrunde gelegt werden dürfen, berücksichtigt sie nicht, dass im Streitfall das FG den Haftungsbescheid in rechtlich nicht zu beanstandender Weise als wirksam angesehen hat. Die bezeichnete Frage wäre somit in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil von einem wirksamen Haftungsbescheid auszugehen wäre.

3. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerde bezeichnet keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern wendet sich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, indem sie geltend macht, das FG habe eine formelle Bescheidlage zugrunde gelegt, die nicht diejenige des Zeitpunkts der letzten Verwaltungsentscheidung gewesen sei. Auch auf die nach Ansicht der Beschwerde angeblich bestehenden unterschiedlichen formellen Bescheidlagen aus Sicht des FA einerseits und des FG andererseits kommt es nicht an. Im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung über den Abrechnungsbescheid lag aus der insoweit maßgeblichen Sicht des FG ein wirksam bekannt gegebener Haftungsbescheid vom 2. Januar 2001 mit einer Zahlungsaufforderung bis 5. Februar 2001 vor. Wenn die Beschwerde diese Ansicht für unzutreffend hält, ist dies gleichwohl kein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO .

Das gleiche gilt bezüglich der Bekanntgabe des Haftungsbescheids: Die Frage der Beschwerde nach der Beweislast bezüglich der wirksamen Bekanntgabe des Haftungsbescheids stellt sich im Streitfall nicht, denn das FG hat diese Frage nicht als ungeklärt angesehen und daher keine Beweislastentscheidung zu Lasten des Klägers getroffen, sondern es hat in Anbetracht des in der Akte befindlichen Bescheidexemplars und der Zustellungsurkunde angenommen, dass der Haftungsbescheid vom 2. Januar 2001 dem Kläger am 3. Januar 2001 durch Niederlegung zugestellt wurde. Die Beschwerde hält diese Annahme des FG zwar für unzutreffend; dies stellt jedoch keinen Grund für die Zulassung der Revision dar. Keineswegs hat das FG --wie die Beschwerde meint-- die Bekanntgabe des Haftungsbescheids "fingiert".

4. Die gerügten Verfahrensmängel sind nicht schlüssig dargelegt. Dass in der mündlichen Verhandlung Beweisanträge gestellt worden sind, die das FG übergangen oder zu Unrecht abgelehnt hat, trägt die Beschwerde nicht vor. Hinsichtlich des in der Akte befindlichen Absendevermerks und der Zweifel der Beschwerde, ob am 3. Januar 2001 der Haftungsbescheid mit den zwei Datumsstempeln zugestellt wurde, legt die Beschwerde nicht dar, welche konkreten weiteren Maßnahmen der Sachaufklärung sich dem FG hätten aufdrängen müssen. Nach der insoweit maßgebenden Ansicht des FG kam es auf den Absendevermerk auch nicht an, da sich zur Überzeugung des FG die wirksame Bekanntgabe des Haftungsbescheids vom 2. Januar 2001 aus der Zustellungsurkunde ergab. Von einem --wie es die Beschwerde meint-- "Anscheinsbeweis" ist das FG nicht ausgegangen. Eine Zustellungsurkunde über die Niederlegung des Haftungsbescheids und der dahinter abgeheftete, vom Empfänger nicht abgeholte Haftungsbescheid sind in der Regel hinreichende Anhaltspunkte, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass dieser Bescheid Gegenstand der Zustellung war und damit wirksam bekannt gegeben worden ist. Von einer --wie die Beschwerde rügt-- Sachverhaltsunterstellung, die nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen wird, kann daher keine Rede sein.

Vorinstanz: FG Köln, vom 23.09.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 15 K 4139/04
Fundstellen
BFH/NV 2006, 2030