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BFH - Entscheidung vom 26.01.2006

VII B 327/05

Normen:
AO § 124 Abs. 2 § 260
UStG § 18 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
BFH/NV 2006, 843

BFH, Beschluss vom 26.01.2006 - Aktenzeichen VII B 327/05

DRsp Nr. 2006/3066

Festsetzungswirkung der Voranmeldung USt

1. Die von der Voranmeldung der USt ausgehende Festsetzungswirkung entfällt, wenn sich aus dem Tenor oder der Begründung des USt-Jahresbescheides die Fehlerhaftigkeit der Voranmeldung ergibt.2. Der Zessionar erwirbt einen durch Steueranmeldung festgesetzten Erstattungsanspruch. Dieser ist mit dem Vorbehalt der Nachprüfung der Richtigkeit der Anmeldung belastet.3. Der Zessionar wird nicht Beteiligter eines etwaigen künftigen Verfahrens zur Änderung der festgesetzten Vorauszahlung bzw. des Jahressteuerbescheids.

Normenkette:

AO § 124 Abs. 2 § 260 ; UStG § 18 Abs. 1 S. 1 ;

Gründe:

I. Die Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) streiten mit dem Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) in dem noch beim Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahren um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, in dem das FA erstattete Umsatzsteuer zurückfordert. Der dem zugrunde liegende Erstattungsanspruch war den Klägern von dem Unternehmer B abgetreten worden und betrifft die Umsatzsteuervorauszahlung für das II. Quartal 1999. Nach späterer Prüfung des Steuerfalles ist das FA zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Umsatzsteuervoranmeldung für den vorgenannten Voranmeldungszeitraum von B eine Scheinrechnung berücksichtigt worden sei, die ihn nicht zum Vorsteuerabzug berechtige; es hat deshalb in der inzwischen erfolgten Festsetzung der Umsatzsteuer 1999 den betreffenden Vorsteuerabzug nicht berücksichtigt. Der dazu ergangene Umsatzsteuerbescheid ist bestandskräftig geworden.

Die Kläger sind jedoch der Ansicht, dass die Nichtberücksichtigung des betreffenden Vorsteuerabzugs aus der strittigen Rechnung rechtswidrig sei. Sie haben bei dem Finanzamt A, bei dessen Straf- und Bußgeldsachenstelle sich offenbar inzwischen ein Teil der B betreffenden Aktenvorgänge befindet, Einsicht in diese Vorgänge verlangt, die ihnen aber verwehrt worden ist; der dazu ergangene Ablehnungsbescheid ist jedoch noch nicht bestandskräftig. Deshalb haben die Kläger in dem beim FG anhängigen Verfahren begehrt, dieses bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den von ihnen geltend gemachten Anspruch auf Einsicht in die beim Finanzamt A befindlichen Akten nach § 74 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) auszusetzen. Durch den mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss hat das FG diesem Begehren entsprochen und zur Begründung ausgeführt, die Frage der Akteneinsicht sei vorgreiflich für die Entscheidung in dem bei ihm anhängigen Klageverfahren.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des FA, das der Auffassung ist, es fehle an den Voraussetzungen des § 74 FGO . Der Antrag auf Akteneinsicht sei für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des gegen die Kläger ergangenen Rückforderungsbescheides nicht vorgreiflich. Denn der Umsatzsteuerbescheid 1999 für B sei bestandskräftig, so dass es bezüglich dieses Bescheides nicht mehr zu einer Sachprüfung kommen könne und die Einsicht in die Umsatzsteuerakten des B folglich keinerlei Einfluss auf die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides haben könne. Zudem seien die Kläger infolge der Abtretung des angeblichen Umsatzsteuererstattungsanspruches für das II. Quartal 1999 nicht in die Rechtsstellung des Zedenten B eingetreten und folglich an dem Steuerfestsetzungsverfahren nicht beteiligt. Der beim FG anhängige Rechtsstreit wegen des Rückforderungsbescheides betreffe ausschließlich das Erhebungsverfahren. Überdies gehe es bei dem Antrag auf Akteneinsicht nicht um die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses i.S. des § 74 FGO .

Die Kläger sind der Beschwerde entgegengetreten und meinen, die Umsatzsteuerfestsetzung 1999 für B entfalte ihnen gegenüber keine Bestandskraft. Denn sie seien nicht, wie es geboten gewesen wäre, nach § 360 Abs. 1 der Abgabenordnung ( AO 1977 ) zu dem Umsatzsteuerfestsetzungsverfahren des B hinzugezogen worden, obwohl für das FA erkennbar gewesen sei, dass infolge des § 37 Abs. 2 AO 1977 ihre rechtlichen Interessen betroffen seien. Aus den Akten, deren Einsicht sie begehrten, lasse sich nachweisen, dass es sich bei der dem strittigen Vorsteuerabzug zugrunde liegenden Rechnung nicht um eine Scheinrechnung handele, so dass die beantragte Akteneinsicht Einfluss auf die Begründetheit ihrer Klage gegen den Rückforderungsbescheid des FA nehme.

II. Die nach § 128 Abs. 2 FGO zulässige Beschwerde des FA ist begründet. Der angefochtene Beschluss des FG hat keine Rechtsgrundlage und ist daher aufzuheben.

Nach § 74 FGO kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits auszusetzen sei, wenn die von ihm zu treffende Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines solchen anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift --auf die das FG seine Entscheidung ausdrücklich gestützt hat und auch nur stützen konnte, da die Voraussetzungen einer (von den Klägern hilfsweise beantragten) Ruhensanordnung nach § 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung ( ZPO ) offensichtlich nicht gegeben sind--, liegen nicht vor.

Dabei kann unerörtert bleiben, ob die Auffassung des FA zutrifft, ein Rechtsstreit wegen der Einsicht in Akten, aus denen der Kläger für seinen Rechtsstreit behelfliche Erkenntnisse zu gewinnen hofft, könne nicht in der von § 74 FGO vorausgesetzten Weise vorgreiflich sein, die Entscheidung also nicht im Sinne dieser Vorschrift von der Gewährung von Akteneinsicht "abhängen". Denn der Streit wegen der Akteneinsicht ist jedenfalls deshalb nicht vorgreiflich, weil die Erkenntnisse oder Beweismittel, die die Kläger aus den betreffenden Akten zu gewinnen hoffen, für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des von den Klägern angefochtenen Rückforderungsbescheides des FA keine Bedeutung haben können.

Der vermeintliche Anspruch, auf den das FA an die Kläger geleistet hat, ist diesen von B abgetreten worden. Da niemand mehr Rechte übertragen kann als er selbst besitzt, kommt es folglich darauf an, ob B ein Anspruch auf Erstattung von Umsatzsteuer für das II. Quartal 1999 zusteht. Die diesbezüglich von ihm abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung ist durch das Ergehen des Umsatzsteuerjahresbescheides 1999 gemäß § 124 Abs. 2 AO 1977 erledigt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erledigt sich die Steuerfestsetzung aufgrund einer Umsatzsteuervoranmeldung oder eines Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides mit der wirksamen Bekanntgabe des Jahressteuerbescheides (BFH-Urteil vom 21. Mai 1985 VII R 191/82, BFHE 143, 412, BStBl II 1985, 488 ). Nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats schließt das allerdings nicht aus, dass auch nach Ergehen des Umsatzsteuerjahresbescheides auf die in einem Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid getroffenen Regelungen abzustellen ist, soweit von diesen unbeschadet des Ergehens des Umsatzsteuerjahresbescheides fortwirkende Rechtswirkungen ausgehen, wie es bei einer Abtretung des betreffenden (negativen) Vorauszahlungsbetrages der Fall ist (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 2. Februar 1995 VII R 42/94, BFH/NV 1995, 853).

Die von der Voranmeldung für das II. Quartal 1999 ausgehende Festsetzungswirkung, auf der die Auskehrung des angeblichen Erstattungsbetrages für die Kläger beruhte, ist indes entfallen, und zwar obwohl vom FA die Vorauszahlung für das II. Quartal 1999 bis heute nicht abweichend von der von B abgegebenen Voranmeldung festgesetzt worden ist. Dessen bedurfte es auch nicht, weil nach dem eben genannten Urteil des Senats die von einer Voranmeldung ausgehende Festsetzungswirkung auch dann entfällt, wenn sich aus dem Tenor oder der Begründung des Umsatzsteuerjahresbescheides die Fehlerhaftigkeit der betreffenden Voranmeldung ergibt. So liegt es hier, nachdem das FA in dem Umsatzsteuerjahresbescheid ausdrücklich festgestellt hat, dass in der Umsatzsteuervoranmeldung für das II. Quartal 1999 ein Vorsteuerabzug berücksichtigt ist, der dem B nicht zustehe, und zwischen den Beteiligten auch nicht strittig ist, dass ohne diesen unberechtigten Vorsteuerabzug der an die Kläger abgetretene und infolgedessen ausgekehrte Umsatzsteuererstattungsanspruch nicht besteht.

Die Jahresumsatzsteuerfestsetzung, aus der sich dies ergibt, ist, was an sich zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht strittig ist, bestandskräftig. Sie entfaltet diese rechtliche Wirkung, anders als die Kläger meinen, auch ihnen gegenüber. Die Kläger haben als Zessionare, wie erwähnt, nur das erhalten, was der Zedent B besessen hat; sie haben den zu dessen Gunsten aufgrund seiner Anmeldung festgesetzten Erstattungsanspruch für das II. Quartal 1999 folglich nur belastet mit dem Vorbehalt der Nachprüfung der Richtigkeit der Anmeldung erworben, ohne dadurch insofern selbst Beteiligte eines etwaigen künftigen Verfahrens zur Änderung der festgesetzten Vorauszahlung bzw. des Jahressteuerbescheides geworden zu sein, soweit dieser die Geschäftsvorfälle in dem fraglichen Voranmeldungszeitraum betrifft.

Ob die Kläger vom FA nach § 360 Abs. 1 AO 1977 zu dem Steuerfestsetzungsverfahren hätten hinzugezogen werden können oder sollen --wie sie offenbar meinen--, ist zweifelhaft, aber nicht zu entscheiden. Denn selbst wenn eine solche Hinzuziehung zu Unrecht unterblieben sein sollte, würde dies an der Rechtswirkung des genannten Umsatzsteuerbescheides nichts ändern.

Das wäre nur anders, wenn die Hinzuziehung i.S. des § 360 Abs. 3 AO 1977 geboten war. Die Kläger irren jedoch, sollten sie meinen, sie hätten infolge der Abtretung des vermeintlichen Vorauszahlungsguthabens zu dem Verfahren der Festsetzung der Jahresumsatzsteuer nach § 360 Abs. 3 AO 1977 hinzugezogen werden müssen. Denn diese Vorschrift setzt voraus, dass an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Ihre Voraussetzungen entsprechen damit im Wesentlichen denen der notwendigen Beiladung i.S. des § 60 Abs. 3 FGO . Hierzu hat der BFH jedoch bereits in dem Urteil vom 9. April 1986 I R 62/81 (BFHE 146, 344 , BStBl II 1986, 565 ) entschieden, dass aus der Abtretung von Steuererstattungsansprüchen kein rechtliches Gebot einer einheitlichen Entscheidung gegenüber den an der Abtretung Beteiligten folge (vgl. auch BFH-Beschluss vom 15. März 1990 V B 174/89, BFH/NV 1991, 246). Die Beiladung bzw. Hinzuziehung des Zessionars zu einem Verfahren wegen der Änderung der gegenüber dem Zedenten ergangenen Steuerfestsetzung ist folglich nicht i.S. des § 60 Abs. 3 FGO bzw. des § 360 Abs. 3 AO 1977 notwendig. Erlangt eine diesem gegenüber ergehende Entscheidung --wie hier-- Bestandskraft, muss sie deshalb der Zessionar hinnehmen, ohne dass er eine Möglichkeit gehabt hat oder gar künftig hätte, die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung in Frage zu stellen.

Müssen die Kläger folglich die bestandskräftige Umsatzsteuerfestsetzung 1999 und die in diesem Zusammenhang getroffene Feststellung hinnehmen, dass der vermeintliche (negative) Umsatzsteuervorauszahlungsanspruch II. Quartal 1999 nicht besteht, so ist nicht erkennbar, inwiefern die Kläger aus der Einsicht in die das umsatzsteuerliche Verfahren des B betreffenden Akten irgendwelche Erkenntnisse oder Beweismittel gewinnen könnten, die für das Verfahren wegen des gegen sie ergangenen Rückforderungsbescheides behelflich sein könnten. Dann aber durfte das FG das Verfahren nicht --gegen den Willen des FA-- nach § 74 FGO aussetzen, auch wenn möglicherweise die Hoffnung bestehen mag, dass die Kläger nach Einsicht in die vorgenannten Akten die Richtigkeit der gegen sie ergangenen Umsatzsteuerfestsetzung anerkennen könnten und schon aus diesem Grunde ihr Klagebegehren nicht weiter verfolgen würden.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg, vom 15.09.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 14 K 29/04
Fundstellen
BFH/NV 2006, 843