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BFH - Entscheidung vom 20.07.2006

III R 58/05

Fundstellen:
BFH/NV 2006, 2249

BFH, Urteil vom 20.07.2006 - Aktenzeichen III R 58/05

DRsp Nr. 2006/25923

Gründe:

I. Die 1979 geborene Tochter T der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) studierte seit September 2000 an einer Fachhochschule. Nachdem ihr Studium im September 2002 von Amts wegen durch Exmatrikulation beendet worden war, meldete sie sich im Oktober 2002 als arbeitssuchend und äußerte anlässlich ihrer Vorsprachen bei der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) im Dezember 2002 und Februar 2003, sie sei weiterhin an einer Arbeitsvermittlung interessiert, wolle aber ab September 2003 eine Fachschule (Technikerschule) besuchen. Im Juni 2003 beantragte sie die Aufnahme. Im Juli 2003 sagte die Fachschule die Aufnahme zum 1. September 2003 zu. Seither besucht T diese Fachschule.

Seit dem 1. Juni 1996 übte T durchgehend eine geringfügige Beschäftigung aus und erhielt daraus monatlich 400 EUR. Nach Auskunft des Klägers war die Beschäftigung der Schul- und Ausbildungszeit angepasst. T habe die Tätigkeit im Wesentlichen an den Wochenenden und während der Ferienzeit ausgeübt.

Mit Bescheid vom 31. Oktober 2003 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergelds für den Zeitraum Oktober 2002 bis Juni 2003 auf (für Juli und August 2003 hatte die Familienkasse die Zahlungen bereits eingestellt) und forderte den überzahlten Betrag von 1 386 EUR vom Kläger zurück. Sein Einspruch blieb ohne Erfolg.

Hiergegen erhoben sowohl der Kläger als auch die Klägerin Klage. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin als unzulässig ab. Der Klage des Klägers gab es teilweise statt. Es hob den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid zum Teil auf und wies die Familienkasse an, dem Kläger für die Monate Juni bis August 2003 Kindergeld zu zahlen. T habe sich erst im Juni 2003 ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, den sie mit dem Schulbeginn im September 2003 habe antreten können. Der Berücksichtigung von T als Kind stehe nicht entgegen, dass sie in diesen Monaten eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt habe. Denn bei dem Verdienst aus einem solchen Beschäftigungsverhältnis sei davon auszugehen, dass ein Kind nicht in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten.

Mit der Revision trägt die Familienkasse vor: Die Berücksichtigung eines Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes ( EStG ), weil es mangels Arbeitsplatzes keine Berufsausbildung beginnen könne, sei nicht nur bei einer Vollzeiterwerbstätigkeit, sondern auch bei einer geringfügigen Beschäftigung ausgeschlossen. Die Unterhaltssituation sei nicht mit der eines nicht erwerbstätigen Kindes vergleichbar. Die vom Gesetz vorausgesetzte Lebenssituation sei von der intensiven Suche nach einem Ausbildungsplatz gekennzeichnet, die keinen Raum für eine geregelte Erwerbstätigkeit lasse, so dass die Ausbildungswilligkeit in dieser Lage typischerweise in Zweifel zu ziehen sei, es sei denn, es handele sich um eine Erwerbstätigkeit in einem völlig unerheblichen Umfang. Bei einer Erwerbstätigkeit, aus der 400 EUR bezogen würden, könne davon nicht ausgegangen werden.

Die Familienkasse beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Sie wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger für den Zeitraum Juni bis August 2003 Anspruch auf Kindergeld hat, weil T in diesem Zeitraum nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG als Kind zu berücksichtigen ist.

Die Berücksichtigung als Kind setzt nach dieser Vorschrift voraus, dass das Kind eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen kann. Die Familienkasse stellt nicht in Frage, dass ab Juni 2003 die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG grundsätzlich vorgelegen haben, weil sich T im Juni 2003 bei der Technikerschule beworben und im Juli eine Zusage für die Aufnahme zum 1. September 2003 bekommen hat. Streitig ist allein, ob T aufgrund ihrer geringfügigen Beschäftigung während der Wartezeit auf den Ausbildungsplatz nicht zu berücksichtigen ist. Entgegen der Auffassung der Familienkasse steht die gleichzeitige Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung der T in dieser Zeit der Berücksichtigung nicht entgegen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der Anspruch auf Kindergeld nach § 62, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG nur ausgeschlossen, wenn das Kind während des Wartens auf den Ausbildungsplatz einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht. Dies beruht auf der typisierenden Annahme, dass wegen der Einkünfte des Kindes eine Unterhaltspflicht der Eltern nicht mehr besteht. Geht das Kind dagegen nur einer geringfügigen Beschäftigung oder einer Teilzeitbeschäftigung nach, besteht weiterhin eine typische Unterhaltssituation, die es rechtfertigt, das Kind zu berücksichtigen (Senatsurteile vom 23. Februar 2006 III R 82/03, BFH/NV 2006, 1390 , und III R 8, 46/05, BFH/NV 2006, 1391 , jew. m.w.N.).

Bei den von T erzielten Einkünften ist der anteilige Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 7 EStG nicht überschritten.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz, vom 28.07.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 6 K 1241/04
Fundstellen
BFH/NV 2006, 2249