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BFH - Entscheidung vom 29.06.2006

III B 32/06

Fundstellen:
BFH/NV 2006, 1795

BFH, Beschluss vom 29.06.2006 - Aktenzeichen III B 32/06

DRsp Nr. 2006/21690

Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte im März 2004 rückwirkend für das Jahr 2003 Kindergeld für ihren im Jahr 1983 geborenen Sohn. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. Juni 2004 ab, da der Sohn Einkünfte und Bezüge von mehr als 7 188 EUR im Kalenderjahr 2002 gehabt habe (§ 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes -- EStG -- in der für das Jahr 2002 geltenden Fassung). Die Klägerin legte keinen Einspruch dagegen ein.

Mit Beschluss vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02 (BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 ) entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), die Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ( GG ). § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sei daher verfassungskonform so auszulegen, dass auch Einkünfte des Kindes nur dann in den Jahresgrenzbetrag der Vorschrift einfließen, wenn sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind.

Unter Berufung auf die Entscheidung des BVerfG beantragte die Klägerin am 22. Juli 2005, den Bescheid vom 7. Juni 2004 zu ändern, da die Einkünfte und Bezüge des Sohnes ohne die Sozialversicherungsbeiträge den Jahresgrenzbetrag unterschritten. Mit Bescheid vom 5. September 2005 lehnte die Familienkasse die Änderung ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, eine Änderung der Auslegung einer Norm sei als neue Tatsache zu berücksichtigen. Auch sei die Revision zuzulassen, da andere Eltern --wie sie, die Klägerin, gehört habe-- Kindergeldnachzahlungen erhalten hätten. Hierin liege ein Verstoß gegen Art. 3 GG .

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Die Klägerin hat keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ).

Soweit die Klägerin sinngemäß die Rechtsfrage aufwirft, ob die Änderung der Auslegung einer Norm als neue Tatsache i.S. des § 173 der Abgabenordnung ( AO 1977 ) zu berücksichtigen ist, hat sie den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ) nicht ordnungsgemäß dargelegt, da sie sich mit der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht auseinander gesetzt und erläutert hat, warum eine erneute Entscheidung erforderlich sein soll (vgl. Senatsbeschluss vom 17. August 2004 III B 121/03, BFH/NV 2005, 46 , m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des BFH sind rechtliche Schlussfolgerungen, insbesondere juristische Wertungen und Subsumtionen --also auch wie im Streitfall die Auslegung einer Norm--, keine Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 AO 1977 (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Mai 2003 X R 60/01, BFH/NV 2003, 1144 , m.w.N.).

Der Vortrag der Klägerin, es liege ein Verstoß gegen Art. 3 GG vor, weil andere Eltern Kindergeldnachzahlungen erhalten hätten, lässt schon keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO erkennen. Die Klägerin wendet sich im Grunde gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Urteils des Finanzgerichts (FG) und setzt ihre Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen des FG. Dies vermag die Zulassung der Revision indes nicht zu rechtfertigen. Die Rügen der Klägerin lassen auch keinen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung erkennen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2003 III B 125/02, BFH/NV 2003, 1445 , m.w.N.), der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 , 2. Alternative FGO führt.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin trotz Kenntnis des beim BVerfG anhängigen Verfahrens (vgl. Schreiben der Klägerin an die Familienkasse vom 24. März 2004) den Ablehnungsbescheid vom 7. Juni 2004 nicht angefochten hat, obwohl sie möglicherweise einen Rechtsanspruch darauf gehabt hätte, dass der Bescheid für vorläufig erklärt wird (vgl. Klein/Rüsken, AO , 8. Aufl., § 165 Rz. 26).

Vorinstanz: FG Düsseldorf, vom 27.01.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 9 K 4641/05
Fundstellen
BFH/NV 2006, 1795