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BFH - Entscheidung vom 20.03.2006

VII B 99/05

Normen:
EG Art. 234
EGV 192/99 Art. 1
EGV 384/96 Art. 14 Abs. 5
EGV 971/98 Art. 2
FGO § 76 Abs. 1 § 115 Abs. 2 Nr. 1, 3

Fundstellen:
BFH/NV 2006, 1372

BFH, Beschluss vom 20.03.2006 - Aktenzeichen VII B 99/05

DRsp Nr. 2006/11478

Anti-Dumping-Zoll für Taschenfeuerzeuge

Es ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, dass der auf nachfüllbare Taschenfeuerzeuge aus der Volksrepublik China ausgeweitete Anti-Dumping-Zoll auch auf solche Einfuhren Anwendung findet, die bereits im Hinblick auf die bevorstehende Ausweitung zollamtlich erfasst worden sind. Das ergibt sich ohne jeden Zweifel aus Art. 2 VO Nr. 971/98 i.V.m. Art. 14 Abs. 5 VO Nr. 384/96.

Normenkette:

EG Art. 234 ; EGV 192/99 Art. 1 ; EGV 384/96 Art. 14 Abs. 5 ; EGV 971/98 Art. 2 ; FGO § 76 Abs. 1 § 115 Abs. 2 Nr. 1 , 3 ;

Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ließ im August 1998 ... Stück "nachfüllbare Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein mit einem durchschnittlichen Wert pro Stück frei Grenze der Gemeinschaft, unverzollt, von weniger als 0,5 ECU" mit Ursprung in der Volksrepublik China zum freien Verkehr abfertigen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) setzte mit Einfuhrabgabenbescheid Zoll und Einfuhrumsatzsteuer fest. Mit Steueränderungsbescheid vom 15. Oktober 1999 erhob das HZA für die eingeführten Feuerzeuge Antidumpingzoll in Höhe von 0,13 DM pro Stück nach.

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass der mit der Verordnung (EG) Nr. 192/1999 (VO Nr. 192/1999) des Rates vom 25. Januar 1999 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 22/1) eingeführte Antidumpingzoll für nachfüllbare Taschenfeuerzeuge der im Streitfall eingeführten Art zu erheben sei, und zwar gemäß Art. 1 Abs. 3 dieser Verordnung auch für solche, die vor ihrem In-Kraft-Treten in den freien Verkehr übergeführt worden seien, sofern sie bei ihrer Einfuhr gemäß Art. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 971/98 (VO Nr. 971/98) der Kommission vom 7. Mai 1998 (ABlEG Nr. L 135/38) zollamtlich erfasst worden seien. Hierin liege kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, da die VO Nr. 971/98, mit der die Untersuchung zur Ausweitung des Antidumpingzolls auf Feuerzeuge der vorliegenden Art eingeleitet und die Erfassung solcher Einfuhren angeordnet worden sei, im Zeitpunkt der Einfuhr der Feuerzeuge im August 1998 im ABlEG veröffentlicht und in Kraft gewesen sei, weshalb der Kläger bereits im Abfertigungszeitpunkt habe damit rechnen müssen, dass es zu einer Ausweitung des Antidumpingzolls auf nachfüllbare Taschenfeuerzeuge kommen würde. Die vom Kläger angeführte anders lautende telefonische Auskunft der Stelle für unverbindliche Zolltarifauskünfte, habe --abgesehen davon, dass sie unverbindlich gewesen sei-- der seinerzeit gültigen Rechtslage entsprochen.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe zum Teil nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

1. Anders als die Beschwerde meint, hat die Frage "nach den Grenzen einer unechten Rückwirkung im Zollrecht" --ungeachtet der Mängel der erforderlichen schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrundes-- jedenfalls keine grundsätzliche Bedeutung. Die im Streitfall entscheidende Frage, ob der mit der VO Nr. 192/1999 eingeführte Antidumpingzoll auf die vom Kläger im August 1998 angemeldeten Feuerzeuge Anwendung findet, lässt sich nur so beantworten, wie es das FG getan hat. Nach Art. 1 Abs. 3 VO Nr. 192/1999 wird der auf die Einfuhren nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit Ursprung in der Volksrepublik China ausgeweitete Antidumpingzoll für die Einfuhren vereinnahmt, die gemäß Art. 2 VO Nr. 971/98 und Art. 14 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 (VO Nr. 384/96) des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABlEG 1996 Nr. L 56/1) erfasst werden. Dass von dieser Vorschrift daher auch die vom Kläger im August 1998 eingeführten Feuerzeuge betroffen sind, kann trotz der in der Vorschrift verwendeten Gegenwartsform nicht zweifelhaft sein; dies hat das FG zutreffend ausgeführt.

Dass die Ausweitung des Antidumpingzolls für nicht nachfüllbare Taschenfeuerzeuge auf nachfüllbare Taschenfeuerzeuge der vom Kläger eingeführten Art untersucht wurde und bevorstand, und dass im Hinblick auf eine nachträgliche Anwendung eines ggf. später in entsprechender Weise ausgeweiteten Antidumpingzolls die Einfuhren nachfüllbarer Feuerzeuge aus der Volksrepublik China bereits zollamtlich erfasst wurden, ergab sich ohne jeden Zweifel aus Art. 2 VO Nr. 971/98 i.V.m. Art. 14 Abs. 5 VO Nr. 384/96. Auf Seiten der Importeure solcher Feuerzeuge konnte daher seit dem In-Kraft-Treten der VO Nr. 971/98 am 9. Mai 1998 kein schützenswertes Vertrauen darauf bestehen, diese zollamtlich erfassten Waren frei von Antidumpingzoll einführen zu können. Dass der Kläger --wie die Beschwerde behauptet-- im Einfuhrzeitpunkt keine Kenntnis von diesen Vorschriften hatte, ändert daran nichts, weil sich niemand auf Nichtkenntnis des im ABlEG veröffentlichten Gemeinschaftsrechts berufen kann (Senatsurteil vom 26. Februar 2004 VII R 20/03, BFHE 205, 366 , m.w.N.). Zu Recht hat das FG insoweit den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses über den Kauf der Feuerzeuge als rechtlich unerheblich angesehen, sondern darauf abgestellt, dass die VO Nr. 971/98 im Zeitpunkt der Einfuhr der Feuerzeuge veröffentlicht und in Kraft war. Für die Erhebung der Einfuhrabgaben ist nach Art. 67 des Zollkodex der Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung durch die Zollbehörden maßgeblich. Der Importeur von Waren aus Drittländern kann nicht darauf vertrauen, dass die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehende abgabenrechtliche Situation bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einfuhr der Waren unverändert bleibt.

Der Senat hält die Gültigkeit der im Streitfall anzuwendenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften für zweifelsfrei und wäre daher in einem Revisionsverfahren nicht verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) einzuholen.

2. Die von der Beschwerde gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

a) Anders als die Beschwerde meint, war das FG zur Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts schon deshalb nicht verpflichtet, weil es im Streitfall allein um die Anwendung von Gemeinschaftsrecht geht. Auch ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH war nicht angezeigt, weil das FG hinsichtlich der Auslegung des Gemeinschaftsrechts keine Zweifel hatte. Darüber hinaus ist nach Art. 234 EG das FG als erstinstanzliches Gericht nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen (Senatsbeschluss vom 11. August 1999 VII B 162/99, BFH/NV 2000, 77 ).

b) Die schlüssige Darlegung des Verfahrensmangels einer Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO ) erfordert Angaben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines --insoweit maßgeblichen-- Rechtsstandpunktes hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat; schließlich, welches genaue Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 1999 VII R 152/97, BFHE 191, 140 , BStBl II 2000, 93 ). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerde mit ihrem Vorbringen, dass das FG einen instruierten Vertreter der Zolltarifauskunftsstelle hätte persönlich anhören müssen, nicht gerecht. Nach dem Rechtsstandpunkt des FG kam es wegen der Unverbindlichkeit der telefonischen Auskunft auf deren Inhalt ohnehin nicht an.

Vorinstanz: FG Hamburg, vom 28.02.2005 - Vorinstanzaktenzeichen IV 321/03
Fundstellen
BFH/NV 2006, 1372