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BVerwG - Entscheidung vom 21.03.2005

7 C 13.04

Normen:
VermG § 37 Abs. 2
VwGO § 164 § 167 Abs. 1
ZPO § 767
BGB § 164 Abs. 1 § 167 Abs. 1 § 168

Fundstellen:
DVBl 2005, 859
InVo 2005, 359
NJ 2005, 332
NJW 2005, 1962

BVerwG, Urteil vom 21.03.2005 - Aktenzeichen 7 C 13.04

DRsp Nr. 2005/6536

Zulässiger Einwand außergerichtlicher Kostenregelung bei Vollstreckungsabwehrklage gegen Kostenfestsetzungsbeschluss aus Prozessvergleich - fortdauernde Vertretungsmacht von Behördenmitarbeitern neben prozessbevollmächtigtem Anwalt

»1. Mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen einen - aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs ergangenen - Kostenfestsetzungsbeschluss kann eingewandt werden, vor Abschluss des Vergleichs sei außergerichtlich eine davon abweichende Vereinbarung über die Kosten getroffen worden. 2. Mitarbeiter einer Behörde, die bevollmächtigt sind, diese zu vertreten, verlieren ihre Vollmacht nicht, wenn der Behördenleiter einem Rechtsanwalt Prozessvollmacht erteilt.«

Normenkette:

VermG § 37 Abs. 2 ; VwGO § 164 § 167 Abs. 1 ; ZPO § 767 ; BGB § 164 Abs. 1 § 167 Abs. 1 § 168 ;

Gründe:

I.

Die Kläger wandten sich ursprünglich im Wege einer Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts durch die beklagte Rechtsanwältin. Nach Durchführung der Vollstreckung begehren sie die Rückzahlung des vollstreckten Betrags.

Die Kläger erhoben 1997 eine Klage gegen den Landkreis T., mit der sie u.a. die Rückübertragung eines Grundstücks in D. begehrten. Daraufhin erteilte der Landrat des Kreises der Anwaltskanzlei M. und Kollegen die Prozessvollmacht für dieses Verfahren. In der Vollmacht ist auch ausgeführt, dass Kostenerstattungsansprüche an die bevollmächtigten Sozietätsmitglieder, Rechtsanwalt K. M. und Rechtsanwältin G. M., die Beklagte des vorliegenden Verfahrens, abgetreten werden.

In der mündlichen Verhandlung schlug das Verwaltungsgericht einen Vergleich vor, wonach die Rückübertragung des Grundstücks an die Kläger erfolgen sollte und die Kläger die Klage zurücknehmen. Hinsichtlich der Kosten wurde u.a. vorgeschlagen, dass die Kläger die Kosten des Verfahrens zu 3/4 tragen.

Der Vergleich sollte wirksam werden, wenn ihn die Beteiligten bis zum 15. März 2000 schriftlich annehmen. Anschließend teilte der Landkreis durch den Leiter des Vermögensamts, Sachgebietsleiter E., der Beklagten mit, dass dem Vergleich zugestimmt werde, und bat, die Zustimmung an das Verwaltungsgericht weiterzuleiten. Daraufhin nahm die Beklagte für den Landkreis den Vergleichsvorschlag fristgemäß an. Die Kläger erklärten mit Schreiben vom 9. März 2000, dass sie den Vergleich annähmen, jedoch u.a. vorschlügen, dass der Landkreis seine außergerichtlichen Kosten selbst trage. Dieser habe sich durch Herrn E. hiermit bereits einverstanden erklärt. Mit weiterem Schreiben vom 15. März 2000 nahmen die Kläger den Vergleichsvorschlag "ohne Einschränkungen" an.

Auf den Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten erklärten die Kläger, der Landkreis, vertreten durch Herrn E., habe zweimal zugestimmt, dass die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst trügen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. Dezember 2000 wurden die von den Klägern als Gesamtschuldner an den Landkreis zu erstattenden Kosten festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der im Verfahren geschlossene Vergleich enthalte keine Einschränkung dahingehend, dass die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst trügen.

Anschließend beantragte die Beklagte unter Bezugnahme auf die ihr erteilte Vollmacht und die darin enthaltene Abtretung die Umschreibung des Kostenfestsetzungsbeschlusses auf sich. Diesem Antrag wurde mit Beschluss vom 15. März 2001 entsprochen. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde den Klägern die 1997 erteilte Prozessvollmacht übersandt.

Daraufhin haben die Kläger Vollstreckungsgegenklage gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss erhoben. Nachdem ihr Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss bis zur Entscheidung über diese Klage einzustellen, abgelehnt worden war, wurden aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss am 20. Februar 2003 3 083,20 EUR vollstreckt. Deswegen haben die Kläger ihre Klage dahingehend geändert, dass sie nunmehr die Rückzahlung des vollstreckten Betrags begehren.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 3 083,20 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 1. März 2003 zu zahlen. Zur Begründung haben sie ausgeführt, die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss sei unzulässig gewesen, da mit dem Landkreis, vertreten durch Herrn E., vereinbart worden sei, dass die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst trügen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und zur Begründung insbesondere ausgeführt, in den Gesprächen des Klägers zu 2 mit Herrn E. sei nicht vereinbart worden, dass der Landkreis auf die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen verzichte.

Mit Urteil vom 28. November 2003 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt:

Die Klageänderung sei zulässig. Die geänderte Klage habe aber keinen Erfolg. Die Klage sei allgemein zulässig. Auch seien hier die Kläger nicht mit ihrer Einwendung gemäß § 167 VwGO i.V.m. § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Die Klage sei aber unbegründet. Die Beklagte müsse einen eventuell durch Herrn E. für den Landkreis ausgesprochenen Verzicht auf Kostenerstattung nicht gegen sich gelten lassen. Der Anspruch sei bereits 1997 in der Prozessvollmacht an die bevollmächtigten Rechtsanwälte abgetreten worden. Die Rechtsanwälte als neue Gläubiger dieses Anspruchs müssten zwar grundsätzlich gemäß § 407 Abs. 1 BGB eine von dem Landkreis als bisherigem Gläubiger und den Klägern als Schuldnern im Jahre 2000 getroffene Vereinbarung über die Kostenerstattung gegen sich gelten lassen, da die Kläger damals die Abtretung noch nicht gekannt hätten. Eine solche - möglicherweise getroffene - Vereinbarung wäre aber unwirksam, da es an der Vertretungsmacht des Sachgebietsleiters gefehlt habe. Allein der Landrat und die von diesem bevollmächtigten Rechtsanwälte hätten für den Landkreis das Verfahren betreffende Vereinbarungen abschließen können. Deshalb komme es nicht darauf an, ob für die streitige Erklärung gemäß § 56 Abs. 1 SächsLKrO Schriftform erforderlich gewesen wäre und gegebenenfalls welche Auswirkungen deren Fehlen habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Kläger. Sie verfolgen ihr Klageziel weiter, ohne ausdrücklich einen Antrag innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zu stellen. Zur Begründung führen sie insbesondere aus, auch nach Bestellung von Prozessbevollmächtigten sei Herr E. weiter bevollmächtigt gewesen, den Landkreis zu vertreten.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Zur Begründung führt sie insbesondere aus, Herr E. habe zu keinem Zeitpunkt erklärt, der Landkreis verzichte auf Kostenerstattung. Auch sei er insoweit nicht bevollmächtigt gewesen, für den Landkreis zu handeln.

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich nicht am Verfahren.

Beide Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO ).

1. Die Revision ist zulässig.

a) Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist ausgeschlossen (§ 37 Abs. 2 VermG). Diese Vorschrift erfasst auch Vollstreckungsabwehrklagen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse, die in vermögensrechtlichen Streitigkeiten ergangen sind; denn der Rechtsmittelausschluss gilt nicht nur für die Entscheidung über die vermögensrechtliche "Hauptsache", sondern erfasst gerichtliche Entscheidungen aller Art, die im Zusammenhang mit einer vermögensrechtlichen Streitigkeit getroffen werden (vgl. Beschluss vom 31. Januar 2000 - BVerwG 8 B 22.00 - Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 25).

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält die Revisionsbegründung auch einen bestimmten Antrag (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO ). Das Ziel der Revision ist - im Zusammenhang mit dem Klageantrag - hinreichend klar erkennbar, ohne dass sich insoweit Zweifel ergeben könnten. Dies genügt (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 20. Juni 1991 - BVerwG 3 C 6.89 - Buchholz 310 § 140 VwGO Nr. 5).

2. Die Revision ist auch begründet.

Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ). Zwar hat das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Klage zu Recht bejaht (vgl. a). Es hat aber deren Begründetheit unter Verletzung von Bundesrecht verneint (vgl. b). Da das Bundesverwaltungsgericht nicht in der Sache selbst entscheiden kann, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO , vgl. c).

a) Die Klage ist zulässig.

Die so genannte verlängerte Vollstreckungsgegenklage gerichtet auf Herausgabe des durch die vermeintlich unzulässige Vollstreckung Erlangten ist zulässig, wenn die ursprünglich erhobene Vollstreckungsgegenklage (§ 167 VwGO i.V.m. § 767 ZPO ) zulässig war. Dies ist der Fall. Im Kostenfestsetzungsverfahren war der Betrag der zu erstattenden Kosten auf der Grundlage des gerichtlichen Vergleichs gemäß § 164 VwGO festzusetzen. Der Einwand, außergerichtlich sei eine davon abweichende Kostenregelung getroffen worden, konnte in diesem Verfahren nicht berücksichtigt werden. Vielmehr betrifft er den im Vollstreckungstitel festgestellten materiellen Anspruch selbst.

Auch sind die Kläger nicht mit diesem Einwand gemäß § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen; denn die Einschränkung des § 767 Abs. 2 ZPO gilt grundsätzlich nicht, wenn sich der Schuldner gegen die Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss wendet, weil im Kostenfestsetzungsverfahren streitige Einwendungen des Schuldners nicht berücksichtigt werden können.

b) Das Verwaltungsgericht hat unter Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO ) angenommen, die Beklagte müsse einen möglicherweise durch den Sachgebietsleiter E. für den Landkreis T. ausgesprochenen Verzicht auf Kostenerstattung nicht gegen sich gelten lassen, da diesem die notwendige Vertretungsmacht für den Landkreis gefehlt habe.

Ob der Leiter des Vermögensamts, Sachgebietsleiter E., zunächst bevollmächtigt war, den Landkreis allgemein in vermögensrechtlichen Angelegenheiten oder zumindest im vorliegenden Fall zu vertreten, hat es nicht geprüft. Es hat die Vertretungsmacht von Herrn E. allein mit der Begründung verneint, aufgrund der den Rechtsanwälten erteilten Vollmacht seien nur diese bevollmächtigt gewesen, den Landkreis zu vertreten. Dabei übersieht das Verwaltungsgericht, dass eine möglicherweise zunächst bestehende Vertretungsmacht des Sachgebietsleiters nur dann hinsichtlich des hier vorliegenden Verfahrensgegenstandes nicht mehr bestanden hätte, wenn sie widerrufen worden wäre (§ 168 BGB ). Es geht irrigerweise davon aus, allein die Erteilung einer Vollmacht an eine weitere Person führe zum Erlöschen der Vollmacht der zunächst bevollmächtigten Person, und meint, es sei ausgeschlossen, dass zwei Personen in derselben Sache Vertretungsmacht besitzen. Dies trifft nicht zu. Zwar kann allgemein eine Auslegung (§ 133 BGB ) einer Willenserklärung, mit der eine Vollmacht erteilt wurde, ergeben, dass damit zugleich eine zuvor erteilte Vollmacht für eine andere Person widerrufen wurde. Eine solche Auslegung hat das Verwaltungsgericht aber nicht vorgenommen. Auch kann die bloße Erteilung einer Prozessvollmacht an einen Rechtsanwalt durch den Leiter einer Behörde nicht dahingehend ausgelegt werden, dass dieser damit zugleich bisher bevollmächtigten Mitarbeitern der Behörde die Vertretungsmacht entziehen will.

c) Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO ). Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ). Ohne weitere Sachaufklärung kann nicht beurteilt werden, ob Herr E. für den Landkreis auf Kostenerstattung verzichtet hat und ob er hierzu bevollmächtigt war. Falls Herr E. nicht ausdrücklich - beispielsweise in einer vom Landrat geregelten Geschäftsverteilung - bevollmächtigt gewesen sein sollte, den Landkreis zu vertreten, wird das Verwaltungsgericht gegebenenfalls auch zu prüfen haben, ob der Landkreis dessen Erklärungen nach den Regeln der Anscheins- oder der Duldungsvollmacht gegen sich gelten lassen muss.

Sollte die weitere Sachaufklärung ergeben, dass Herr E., als Bevollmächtigter für den Landkreis auf Kostenerstattung verzichtet hat, ist weiter zu prüfen, ob diese Erklärung nach Landesrecht der Schriftform bedurft hätte und gegebenenfalls welche Auswirkungen der Verstoß gegen das Erfordernis der Schriftform hat.

Vorinstanz: VG Leipzig, vom 28.11.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 478/01
Fundstellen
DVBl 2005, 859
InVo 2005, 359
NJ 2005, 332
NJW 2005, 1962