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BVerwG - Entscheidung vom 13.09.2005

2 WD 31.04

Normen:
GG Art. 65a
SG § 7 § 11 Abs, 1 § 10 Abs. 3, 4 § 17 Abs. 2 S. 1

Fundstellen:
DÖV 2006, 913
NVwZ 2007, 475

BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - Aktenzeichen 2 WD 31.04

DRsp Nr. 2007/11950

Soldatendisziplinarrecht - Befehl; Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit; Zentrale Dienstvorschrift; Entscheidungsprärogative; Beurteilungsspielraum

»1. Eine vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) erlassene Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) ist dann als "Befehl" anzusehen, wenn die jeweilige in Rede stehende Einzelregelung vom Soldaten ein bestimmtes Verhalten in Gestalt eines zu vollziehenden konkreten Gebots oder eines zu beachtenden konkreten Verbotes verlangt. 2. Die vom BMVg erlassene Reglung, wonach dienstliche Fahrzeuge "grundsätzlich nur zu dienstlichen Zwecken einzusetzen" sind, stellt einen "Befehl" dar. 3. Die vom BMVg erlassene Regelung über die Pflicht zur Beachtung der "Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" ist nicht als "Befehl" zu qualifizieren. 4. Zum Inhalt der "Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit". 5. Die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hinsichtlich der Einhaltung der "Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" ist auf die Prüfung beschränkt, ob die zuständige Stelle den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unsichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.«

Normenkette:

GG Art. 65a ; SG § 7 § 11 Abs, 1 § 10 Abs. 3 , 4 § 17 Abs. 2 S. 1 ;

Tatbestand:

Der Soldat ist Berufssoldat mit dem Dienstgrad eines Obersten und wird als Kommandeur einer Brigade verwendet. Durch die Anschuldigungsschrift wird ihm vorgeworfen, er habe in sechs Fällen bei der Nutzung eines Dienst-Pkw (mit Fahrer) sowie bei der Inanspruchnahme eines Hubschrauberfluges u.a. wegen Nichtbeachtung der "Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" (Nr. 302 Abs. 1 Satz 1 ZDv 43/2) gegen seine Pflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG ), zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1 SG ), zur Beachtung der Dienstvorschriften bei der Befehlsgebung (§ 10 Abs. 4 SG ) sowie zur Achtungs- und Vertrauenswahrung (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG ) verstoßen. Das Truppendienstgericht hat den Soldaten in drei Anschuldigungspunkten ganz und in einem Anschuldigungspunkt teilweise vom Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens freigestellt; im Übrigen hat sie ihn eines Dienstvergehens für schuldig befunden und gegen ihn einen Verweis verhängt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Bundeswehrdisziplinaranwalts zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

...

Die durch § 11 Abs. 1 SG normierte Verpflichtung jedes Soldaten zum Gehorsam beinhaltet die Pflicht zur Beachtung und Vollziehung der durch einen Vorgesetzten erteilten (verbindlichen) Befehle. Dabei wird der Begriff "Befehl" weder in der Vorschrift noch sonst im Soldatengesetz näher bestimmt, sondern mit gleichem Inhalt wie in § 2 Nr. 2 WStG vorausgesetzt (stRspr.: vgl. u.a. Beschluss vom 8. November 1990 - BVerwG 1 WB 86.89 - BVerwGE 86, 349 [350] = NZWehrr 1991, 61 = NJW 1990, 1317 = NVwZ 1991, 579 [LS] = ZBR 1991, 152 [LS], Urteile vom 22. Juni 2004 - BVerwG 2 WD 23.03 - NZWehrr 2005, 83 = DokBer 2005, 43 und vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 -). Als Befehl ist danach eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten anzusehen, die ein militärischer Vorgesetzter einem Untergebenen schriftlich, mündlich oder in sonstiger Weise mit dem Anspruch auf Gehorsam erteilt. Der Befehl kann für den Einzelfall oder auch allgemein (durch Dienstvorschriften, Dauerbefehl) gegeben werden. Ob eine vom BMVg als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt nach Art. 65 a GG erlassene Dienstvorschrift einen Befehl im dargelegten Sinn darstellt, muss jeweils konkret festgestellt werden. Dabei kommt es darauf an, ob die jeweilige Regelung für den in Rede stehenden Anwendungsbereich eine verbindliche Weisung an Untergebene mit Gehorsamsanspruch darstellt (stRspr.: vgl. u.a. Urteile vom 17. April 1975 - BVerwG 2 WD 36.74 -, vom 23. November 1989 - BVerwG 2 WD 50.86 - BVerwGE 86, 218 = NZWehrr 1990, 119 [insoweit nicht veröffentlicht] und vom 2. April 2003 - BVerwG 2 WD 21.02 - Buchholz 236.1 § 29 SG Nr. 5 = ZBR 2004, 359 = NVwZ 2004, 497 [insoweit nicht veröffentlicht]). Voraussetzung ist stets, dass die betreffende Einzel-Regelung der Dienstvorschrift von Soldaten ein bestimmtes Verhalten in Gestalt eines zu vollziehenden konkreten Gebotes oder eines zu beachtenden konkreten Verbotes verlangt. Der Untergebene muss der in der Dienstvorschrift getroffenen Regelung an Hand ihres objektiven Erklärungsgehalts ohne einen vernünftigen Zweifel entnehmen können, wie er sich in dem von der Regelung erfassten Fall konkret zu verhalten hat. Wird in der Dienstvorschrift allerdings ein Verhalten für eine Situation oder Lage in der Weise gefordert, dass deren Feststellung der Beurteilung oder Wertung dem Untergebenen selbst überlassen wird, handelt es sich nicht um einen Befehl, sondern um eine Richtlinie (vgl. dazu auch Scherer/Alff, SG , 7. Aufl. 2003, § 10 Rn. 42). Jedoch liegt eine Weisung zu einem bestimmten Verhalten mit Anspruch auf Gehorsam und damit ein Befehl dann vor, wenn das geforderte Verhalten zwar hinsichtlich der Art der Ausführung dem Untergebenen Dispositionsfreiheit lässt, jedoch den Rahmen so eindeutig bestimmt, dass der durch den mit dem erteilten Auftrag zu erreichende Zweck konkret festgelegt ist. Der Anspruch auf Gehorsam des Untergebenen hinsichtlich des von ihm geforderten Verhaltens muss dabei eindeutig erkennbar sein. Der Untergebene darf - gerade auch im Hinblick auf die möglichen strafrechtlichen Folgen des Ungehorsams eines Soldaten (§§ 19 ff. WStG ) - nicht im Unklaren darüber gelassen werden, welches konkrete Tun oder konkrete Unterlassen von ihm verlangt wird.

(1) Nr. 301 Abs. 1 ZDv 43/2

Diese vom BMVg bzw. seinem Vertreter im Amt gemäß Art. 65a GG erlassene Regelung, wonach Dienstfahrzeuge "grundsätzlich nur zu dienstlichen Zwecken einzusetzen" sind, soweit keine der Ausnahmen nach den Nr. 401 bis 437 ZDv 43/2 vorliegt, stellt einen Befehl im dargelegten Sinne dar. Denn das von dem Untergebenen geforderte Verhalten hinsichtlich des Einsatzes eines Dienstfahrzeuges wird durch den Rahmen, der durch den zu erreichenden dienstlichen Zweck festgelegt ist, hinreichend bestimmt. Erfolgt die Nutzung des Dienstfahrzeuges nicht zu einem dienstlichen Zweck, so ist sie unzulässig und damit für den betreffenden Soldaten unmittelbar verboten. Ob sie einem dienstlichen Zweck dient, hängt davon ab, ob sie zur Erfüllung von Aufgaben der Bundeswehr erfolgt, die durch die Verfassung und ergänzend - innerhalb dieses verfassungsrechtlichen Rahmens - durch die hierzu ergangenen Gesetze und die auf der Grundlage von Art. 65a GG vom Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt oder in seinem Auftrag erlassenen Dienstvorschriften und Weisungen festgelegt sind (stRspr.: vgl. zuletzt Urteil vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - m.w.N.).

Die vom Soldaten veranlasste Nutzung des Dienstfahrzeugs diente einem solchen dienstlichen Zweck. ... Die Nutzung des Dienstfahrzeugs erfolgte zur Erledigung eines Dienstgeschäftes in S., also außerhalb des Dienstortes, der sich für den Soldaten zum damaligen Zeitpunkt am Standort O. befand (vgl. auch § 2 Abs. 2 Satz 1 BRKG damaliger Fassung). Eine spezielle Genehmigung einer solchen Dienstreise durch eine andere Stelle war für den Soldaten aufgrund seiner Stellung als BrigKdr nicht erforderlich. Denn er war befugt, für sich selbst Inlandsdienstreisen anzuordnen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BRKG damaliger Fassung i.V.m. Nr. 2.2 des Erlasses BMVg "Anordnung von Dienstreisen" - S II 4 - Az 21-01-24/21-03-04 - vom 29. Mai 1992 [VMBl 1992, S. 271]). Voraussetzung dafür war lediglich, dass das betreffende Dienstgeschäft außerhalb des Dienstortes auf andere Weise, d.h. ohne die Anordnung einer Dienstreise, nicht erledigt werden konnte und dass Ausgabemittel dafür zur Verfügung standen. Dies war hier der Fall.

... (wird ausgeführt)

Der Umstand, dass der Soldat das Dienstfahrzeug nicht an seinem Dienstort O., sondern an seinem Wohnort W., wohin er zuvor am Wochenende im Rahmen einer Familienheimfahrt zurückgekehrt war, bestieg und auch nach dorthin, unmittelbar vor Beginn seines anschließenden Urlaubs wieder zurückkehrte, ändert nichts daran, dass die Nutzung zur Erledigung des Dienstgeschäftes in S. erfolgte. Wie sich (auch) aus den dienstreisekostenrechtlichen Vorschriften ergibt, endet eine Dienstreise, die anlässlich, d.h. im Anschluss an eine Familienheimfahrt am (Familien-)Wohnort beginnt, nach Erledigung des Dienstgeschäftes mit der Rückkehr an den Dienstort oder mit der Ankunft an der Wohnung (§ 7 Satz 1 BRKG damaliger Fassung).

... (wird ausgeführt)

(2) Nr. 302 Abs. 1 Satz 1 ZDv 43/2

Der Soldat hat mit seinem von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Verhalten auch im Hinblick auf die in Nr. 302 Abs. 1 Satz 1 ZDv 43/2 vom BMVg getroffene Regelung nicht gegen seine in § 11 Abs. 1 SG normierte Dienstpflicht verstoßen, seinen Vorgesetzten zu gehorchen.

In seiner bisherigen Rechtsprechung ist der erkennende Senat davon ausgegangen, dass die in Nr. 302 Abs. 1 Satz 1 ZDv 43/2 getroffene Regelung über die Pflicht zur Beachtung der "Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" rechtlich als Befehl zu qualifizieren ist (vgl. u.a. Urteile vom 4. Mai 1995 - BVerwG 2 WD 35.94 - BVerwGE 103, 226 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 3 = NZWehrr 1995, 252 unter Bezugnahme u.a. auf die Urteile vom 16. Dezember 1987 - BVerwG 2 WD 22.87 - und vom 23. November 1989 - BVerwG 2 WD 50.86 - BVerwGE 86, 218 [insoweit nicht veröffentlicht]). Nach eingehender Überprüfung hält der Senat hieran jedoch nicht mehr fest. Die Regelung in Nr. 302 Abs. 1 Satz 1 ZDv 43/2 stellt keinen Befehl im Sinne des § 11 Abs. 1 SG dar.

Bei den "Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" handelt es sich um ein allgemeines Rechtsgebot, das alles öffentliche Verwaltungshandeln erfasst und das in mehreren haushaltsrechtlichen Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Die Regelung in Nr. 302 Abs. 1 Satz 1 ZDv 43/2 knüpft an die normative Vorgabe des § 7 Abs. 1 BHO an, wonach nicht nur bei der Aufstellung, sondern auch bei der Ausführung des Haushaltsplans die "Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" zu beachten sind (vgl. auch § 6 Abs. 1 HGrG ).

Der "Grundsatz der Wirtschaftlichkeit" ist als Oberbegriff für die "Grundsätze" der "Sparsamkeit" und der "Ergiebigkeit" anzusehen. Die dementsprechende Ausrichtung des Handelns öffentlicher Stellen soll die bestmögliche Nutzung von Ressourcen bewirken. Sie fordert, bei allen Maßnahmen einschließlich solcher organisatorischer und verfahrensmäßiger Art die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln anzustreben (vgl. dazu u.a. Nr. 1 der Vorläufigen Verwaltungsvorschrift - VV - zu § 7 BHO , in : Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 2. Aufl. (38. Ergänzungslieferung Oktober 2001), § 7 BHO S. 1; Bormann/Schwanenberg, Öffentliche Finanzwirtschaft, 2. Aufl. 1992, Rn. 202 f.; Steinfatt/Schuy, Handbuch des Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens, Ordner 1, W 2000, S. 13). Die günstigste Zweck-Mittel-Relation besteht darin, dass entweder ein bestimmtes Ergebnis mit einem möglichst geringen Einsatz von Mitteln ("Sparsamkeitsprinzip") oder dass mit einem bestimmten Einsatz von Mitteln das bestmögliche Ergebnis ("Ergiebigkeitsprinzip") erzielt wird (vgl. Nr. 1 VV zu § 7 BHO ; Steinfatt/Schuy, aaO.). Nach dem "Grundsatz der Sparsamkeit" sind die einzusetzenden Mittel auf den zur Erfüllung der Aufgabe unbedingt notwendigen Umfang zu beschränken (vgl. Nr. 1 VV zu § 7 BHO ). Der "Grundsatz der Sparsamkeit" und damit auch der der "Wirtschaftlichkeit" umfassen auch das Gebot, die Ausgaben selbst dann auf das Notwendige zu beschränken, wenn die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel an sich einen größeren Spielraum zuließen. Entscheidend ist dabei freilich immer auf den zu erfüllenden dienstlichen Auftrag abzustellen. Im Dienstreisekostenrecht ist dementsprechend seit langem anerkannt, dass der Sparsamkeitsgrundsatz verlangt, eine Dienstreise mit dem geringsten Aufwand an Zeit und Kosten durchzuführen, ohne dass dienstliche Belange beeinträchtigt werden (vgl. u.a. Urteile vom 3. Februar 1982 - BVerwG 6 C 194.80 - BVerwGE 65, 14 [16, 17] und vom 21. Juni 1989 - BVerwG 6 C 4.87 - BVerwGE 82, 148 [151]).

Das Sparsamkeitsgebot gilt freilich nicht unbeschränkt. Bei seiner Anwendung sind u. a. die Fürsorgepflichten der Vorgesetzten (§ 10 Abs. 3 SG ) und des Dienstherrn (§ 31 SG ) zu beachten. Danach ist es unzulässig, den Dienstreisenden im Interesse der Einsparung von Reisekosten finanziellen und persönlichen Belastungen auszusetzen, die nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der zu erzielenden Kostenersparnis stehen (vgl. zur Rechtslage im Beamtenrecht u.a. Urteile vom 3. Februar 1982 - BVerwG 6 C 194.80 - aaO. und vom 21. Juni 1989 - BVerwG 6 C 4.87 - aaO.).

Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einer Maßnahme ist ferner zu beachten, dass den zum Einsatz von Haushaltsmitteln entscheidungsbefugten Stellen insoweit sachnotwendig ein gewisser Entscheidungsspielraum zukommt (vgl. dazu u.a. BSG, Urteile vom 26. August 1983 - 8 RK 29.82 - BSGE 55, 277 und vom 29. Februar 1994 - 8 RK 27.82 - BSGE 56, 197; Bormann/Schwanenberg, aaO., Rn. 201). Dies ergibt sich unmittelbar aus dem sachlichen Gehalt dieser "Grundsätze". Denn die Bestimmung der "günstigsten" Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln ("Wirtschaftlichkeitsgrundsatz") sowie die Konkretisierung des Gebotes, ein bestimmtes Ergebnis mit einem "möglichst" geringen Einsatz von Mitteln zu erzielen, enthalten notwendigerweise Zweckmäßigkeitserwägungen und andere fachspezifische Wertungselemente. Dabei sind unterschiedliche Entscheidungsparameter zu berücksichtigen und unterschiedliche Belange in die insoweit zu treffenden Bewertungsentscheidungen einzustellen sowie in ihrem Gewicht und ihrer Priorität gegebenenfalls jeweils gegeneinander abzuwägen. Nicht selten sind diese gegenläufig. Vorteilen z.B. im Hinblick auf den für die Erfüllung eines dienstlichen Auftrages erforderlichen (geringeren) Zeitaufwand können im Einzelfall Kosten-Nachteile entgegenstehen. Dies kann aber auch umgekehrt der Fall sein. Im militärischen Bereich kann es der zu erfüllende dienstliche Auftrag nach den konkreten Umständen des Einzelfalles mitunter gerade nahe legen, auf die kostengünstigste oder eine kostengünstigere Entscheidungsvariante zu verzichten, wenn seine Realisierung innerhalb des gegebenen Rahmens anderenfalls nicht in der zur Verfügung stehenden Zeit oder nicht in der gebotenen Intensität oder mit der notwendigen Nachhaltigkeit erreicht werden kann. Was jeweils als "günstigste" Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln ("Wirtschaftlichkeitsgrundsatz") anzusehen ist und wie dem Gebot, ein bestimmtes Ergebnis mit einem "möglichst" geringen Einsatz von Mitteln zu erzielen ("Sparsamkeitsgrundsatz"), am besten Rechnung getragen werden kann, muss im militärischen Bereich schon im Hinblick auf die dafür erforderlichen spezifischen Fachkenntnisse von den zur Entscheidung berufenen Stellen - innerhalb ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereiches - beurteilt und verantwortet werden. Es gehört nicht zu den Aufgaben der Wehrdienstgerichte, ihre Vorstellungen über die Organisation, den Ablauf des Dienstbetriebes sowie die bestmögliche und kostengünstigste Erfüllung dienstlicher Aufgaben und Aufträge an die Stelle derjenigen der dazu berufenen Organe und Amtsträger zu stellen. Diesen kommt insoweit eine Entscheidungsprärogative mit einem entsprechenden Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hinsichtlich der Einhaltung der "Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" hat sich angesichts dessen - wie auch sonst bei exekutiven Beurteilungsspielräumen - auf die Prüfung zu beschränken, ob die zuständige Stelle den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, einschlägige allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.

Zuständige Stelle für die Anordnung der Dienstreise war im vorliegenden Fall der Soldat in seiner Funktion als Brigadekommandeur. Nach Nr. 4 i.V.m. Nr. 2.2 des Erlasses BMVg "Anordnung von Dienstreisen" vom 29. Mai 1992 (aaO.) dürfen u.a. BrigKdr "eigene Dienstreisen in dem jeweiligen Rahmen ausführen". Was zum "jeweiligen Rahmen" insoweit gehört, wird weder im genannten Erlass noch - so das Ergebnis der Beweisaufnahme des Senats - in anderen Regelungen näher bestimmt. Daraus ergibt sich, dass einem BrigKdr durch den genannten Erlass insoweit ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Beurteilung der Notwendigkeit, des Zeitpunktes, der Art und des Umfangs einer von ihm für erforderlich gehaltenen Inlandsdienstreise zugestanden wird. Solange der BMVg oder andere vorgesetzte Stellen diesen Spielraum nicht näher eingegrenzt haben, ist nicht konkret festgelegt, welches konkrete (dienstliche) Tun oder Unterlassen eines BrigKdr hinsichtlich der "Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" bei der Anordnung von Inlandsdienstreisen verlangt wird. Dies schließt es aus, die in Nr. 302 Abs. 1 Satz 1 ZDv 43/2 aufgegebene Ausrichtung an den "Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" als Befehl im dargelegten Sinne zu qualifizieren. Denn diese Grundsätze belassen dem BrigKdr insoweit einen nicht unerheblichen eigenen Dispositionsspielraum. Sie fordern kein hinreichend konkret bestimmtes Verhalten hinsichtlich der Notwendigkeit einer bestimmten Inlandsdienstreise, ihres Zeitpunktes, ihrer Art sowie der Erforderlichkeit des Einsatzes eines Dienstfahrzeuges im Einzelfall.

Da in der Anschuldigungsschrift - neben den Regelungen in Nr. 301 Abs. 1 und Nr. 302 Abs. 1 Satz 1 ZDv 43/2 - kein anderer Befehl konkret bezeichnet worden ist (vgl. zur Notwendigkeit u.a. Urteile vom 19. Juli 1995 - BVerwG 2 WD 9.95 - BVerwGE 103, 265 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 4 = NZWehrr 1996, 164 = NVwZ-RR 1996, 213 [insoweit nicht veröffentlicht] und vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31 = NVwZ-RR 2004, 46 m.w.N.), gegen den der Soldat verstoßen haben soll, scheidet mithin hinsichtlich des von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Verhaltens des Soldaten ein Verstoß gegen die in § 11 Abs. 1 SG normierte Dienstpflicht insgesamt aus.

bb) Kein Verstoß gegen § 10 Abs. 4 SG

Auch wenn die in Nr. 302 Abs. 1 Satz 1 ZDv 43/2 vorgeschriebene Beachtung der "Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" keinen Befehl im dargelegten Sinne darstellt, begrenzt sie als Dienstvorschrift die Befehlsbefugnis eines Vorgesetzten und ist von diesem zu beachten. Denn dieser darf nach § 10 Abs. 4 SG Befehle u.a. nur unter Beachtung der Dienstvorschriften erteilen. Ihr Regelungsgehalt ist im Einzelfall zu ermitteln. Die Befehlsgewalt des Vorgesetzten wird dadurch sowohl der Zuständigkeit als auch dem Inhalt nach beschränkt. Einen Verstoß des Soldaten gegen die genannte Regelung hat der Senat jedoch nicht feststellen können. Dem Soldaten hat nicht widerlegt werden können, dass er seine Entscheidungen hinsichtlich der Anordnung der Dienstreise mit dem Dienstfahrzeug nach Sonthofen (und zurück) in Übereinstimmung mit den "Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" getroffen hat.

Da dem Soldaten in seiner dienstlichen Stellung als BrigKdr durch Nr. 4 i.V.m. Nr. 2.2 des Erlasses BMVg "Anordnung von Dienstreisen" vom 29. Mai 1992 (aaO.) die Einschätzungsprärogative (mit Beurteilungsspielraum) hinsichtlich der Notwendigkeit, des Zeitpunktes, der Art und des Umfangs seiner Inlandsdienstreisen eingeräumt war, ist vorliegend allein zu prüfen, ob er bei der Erteilung seiner Weisungen aus Anlass der in Rede stehenden Dienstreise mit dem Dienstfahrzeug nach S. (und zurück) den rechtlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen konnte, verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, einschlägige allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Eine solche Überschreitung des Beurteilungsspielraumes des Soldaten hat der Senat nicht feststellen können.

... (wird ausgeführt)

Der vom Soldaten veranlasste Flug mit dem Hubschrauber von R. nach B., um dort ein zirka 20- bis 25-minütiges Gespräch mit dem Chefredakteur der von der "Unteroffzier-Kameradschaft im Bundesministerium der Verteidigung e.V. Bonn" herausgegebenen Zeitschrift "Hardthöhenkurier" wegen eines Artikels über die Brigade zu führen, verstieß zwar nicht gegen Nr. 301 Abs. 1 ZDv 43/2. Denn er diente - im Rahmen der "Außendarstellung" des vom Soldaten geführten Verbandes - einem dienstlichen Zweck.

Dieses angeschuldigte Verhalten richtete sich jedoch entgegen Nr. 302 Abs. 1 Satz 1 ZDv 43/2 nicht nach den "Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit". Der Soldat hat insoweit den rechtlichen Rahmen verkannt, in dem er sich in Wahrnehmung seiner Entscheidungsprärogative (mit Beurteilungsspielraum) frei bewegen konnte. Gerade im Hinblick auf die mit der Nutzung eines Luftfahrzeuges verbundenen hohen Kosten oblag es dem Soldaten, sorgfältig zu prüfen, ob der Anlass des geplanten Gesprächs mit dem Chefredakteur des (bundeswehrinternen) "Hardthöhenkuriers" ihre Auslösung rechtfertigte oder ob kostengünstigere Alternativen in Betracht kamen. Nach den vom Senat in der Berufungshauptverhandlung getroffenen Feststellungen hat der Soldat eine solche Prüfung unterlassen und Alternativen zum Hubschrauberflug von vornherein verworfen. Insbesondere wäre in Betracht gekommen, die notwendige Abstimmung über den Inhalt des für den "Hardthöhenkurier" geplanten Artikels über die Brigade telefonisch durchzuführen. Soweit dabei schriftliche Unterlagen herangezogen und ausgetauscht werden mussten, lag es auf der Hand, hierfür die vorhandenen Fax-Möglichkeiten zu nutzen. Es ist gerichtsbekannt, dass auch sonst die Klärung von Fragen der inhaltlichen oder formalen Gestaltung von Zeitschriftenartikeln bei lebensnaher Betrachtung in aller Regel keine persönliche Anreise eines Autors in die Räume der Redaktion oder an den Aufenthaltsort des Chefredakteurs erfordert. Es ist nicht ersichtlich, warum dies im Falle der bundeswehrinternen Zeitschrift der Unteroffizierkameradschaft des Bundesverteidigungsministeriums grundsätzlich anders sein sollte. Der Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung auch auf wiederholtes und nachdrückliches Befragen nicht darzulegen vermocht, aus welchem Grund eine Kommunikation per Telefon und/oder Fax nicht ausgereicht hätte. Die von ihm angeführten, allerdings nicht näher konkretisierten Kommunikationsprobleme zwischen dem zuständigen Presseoffizier seines Stabes und dem Chefredakteur des "Hardthöhenkuriers" geben zu einer gegenteiligen Beurteilung keine Veranlassung. Der Soldat hätte sich, sobald ihm solche Kommunikationsprobleme tatsächlich bekannt geworden sein sollten, darum bemühen können und müssen, sich diese vom Presseoffizier seines Stabes vortragen zu lassen und anschließend hierzu die Sicht des Chefredakteurs einholen können, um die erforderliche Klärung sachgerecht herbeizuführen. Sofern für ihn, wie er in der Berufungshauptverhandlung vorgetragen hat, damals ungewiss war, ob der Chefredakteur den damals in der Brigade noch zu erstellenden Artikel über die Brigade auch tatsächlich zeitnah abdrucken würde, hätte der Soldat, wenn er auf eine telefonische Zusage nicht vertraut hätte, auf einer ausdrücklichen schriftlichen Zusage bestehen können, die ihm per Fax hätte übermittelt werden können. Andere nachvollziehbare Gründe für den Transport des Soldaten mit dem Hubschrauber von R. nach B. sind nicht erkennbar.

Abgesehen davon ist außerdem nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Soldat die Reise nach B. von R. aus nicht mit seinem dort befindlichen Dienstfahrzeug (mit Kraftfahrer) antrat, das ohnehin von R. nach O. zurückgeführt werden musste.

... (wird ausgeführt)

Das hinsichtlich des von R. nach B. erfolgten Hubschrauberfluges (Anschuldigungspunkt 5) festgestellte Dienstvergehen des Soldaten in der fahrlässigen Begehungsform erfordert keine gerichtliche Disziplinarmaßnahme. Die von der Truppendienstkammer vorgenommene Verhängung eines Verweises erweist sich deshalb im Ergebnis als angemessen und ausreichend.

... (wird aufgeführt)

Vorinstanz: TDG Nord - TDG N 8 VL 2/04 - 20.9.2004,
Fundstellen
DÖV 2006, 913
NVwZ 2007, 475