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BVerwG - Entscheidung vom 09.06.2005

3 C 33.04

Normen:
VO (EWG) Nr. 804/68
VO (EWG) Nr. 968/68
VO (EWG) Nr. 2768/90
EG-Recht-Überleitungsverordnung § 1

Fundstellen:
DÖV 2006, 270
NJ 2006, 231

BVerwG, Urteil vom 09.06.2005 - Aktenzeichen 3 C 33.04

DRsp Nr. 2005/12353

Rechtswidrige Beihilfegewährung bei Beschränkung der Verwendung von DDR-Magermilchpulver auf Verfütterung im Beitrittsgebiet

»Die Bundesrepublik Deutschland war nicht berechtigt, von der durch europäisches Gemeinschaftsrecht erteilten Ausnahmeermächtigung, nach der deutschen Einigung eine zuvor von der DDR gewährte Beihilfe aus nationalen Mitteln für den Absatz von Magermilchpulver für eine Übergangszeit weiterhin zu gewähren, unter der einschränkenden Voraussetzung Gebrauch zu machen, dass das Magermilchpulver nur im Beitrittsgebiet verfüttert wird.«

Normenkette:

VO (EWG) Nr. 804/68; VO (EWG) Nr. 968/68; VO (EWG) Nr. 2768/90; EG-Recht-Überleitungsverordnung § 1 ;

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt eine Beihilfe für Magermilch.

Sie produziert und vertreibt in ihren Betriebsstätten in W. und G. unter anderem ein Mischfuttermittel für junge Schweine, das zu 80 v.H. aus Magermilchpulver besteht. Auf entsprechende Anträge hin wurden ihr mit vorläufigen Bescheiden vom 28. November 1990, 27. Dezember 1990 und 8. Februar 1991 Beihilfen für Magermilchpulver, das zwischen dem 3. Oktober und dem 31. Dezember 1990 im Beitrittsgebiet hergestellt und dort für Futterzwecke verwendet worden ist, in Gesamthöhe von 3 907 157,69 DM unter dem Vorbehalt der Betriebsprüfung bewilligt und ausbezahlt. Eine Betriebsprüfung im Mai 1991 ergab, dass die Klägerin das Mischfutter an die Fa. L. verkauft hatte, die es ihrerseits an verschiedene Abnehmer inner- und außerhalb des Beitrittsgebiets weiterveräußerte. Bei weiteren Betriebsprüfungen bei der Fa. L. und deren Abnehmern sowie weiteren Abnehmern konnte die Verwendung des Futtermittels nicht lückenlos aufgeklärt werden. Mit Bescheid vom 25. April 1995 setzte der Rechtsvorgänger der Beklagten die Beihilfe für Magermilchpulver endgültig auf 3 421 958,55 DM fest und forderte den vorläufig bewilligten und ausbezahlten Mehrbetrag von 485 199,14 DM für insgesamt 135 266 kg Magermilchpulver nebst Zinsen zurück. Zur Begründung hieß es, für 583 kg Magermilchpulver sei die Verwendung zur Herstellung von Mischfuttermittel nicht nachgewiesen, und für weitere 134 683 kg Magermilchpulver sei die Verfütterung des Mischfutters im Beitrittsgebiet nicht nachgewiesen. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 1998 zurückgewiesen.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung des Rückforderungsbescheides und die Verpflichtung der Beklagten zur endgültigen Bewilligung der Beihilfe in der vorläufig festgesetzten Höhe. Hinsichtlich der Teilmenge von 583 kg hat sie ihre Klage in der Revisionsinstanz zurückgenommen. Im Übrigen hat sie in den Vorinstanzen im Wesentlichen geltend gemacht: Die Regierung der damaligen DDR habe seit dem 1. Juli 1990 eine Beihilfe für die Verarbeitung von Magermilchpulver zu Mischfutter gewährt, ohne dies davon abhängig zu machen, dass das Mischfutter nur im Gebiet der DDR verwendet würde. Mit dem 3. Oktober 1990 sei auch das Gemeinschaftsrecht im Beitrittsgebiet in Kraft gesetzt worden. Dabei sei Deutschland ermächtigt worden, nationale Beihilfen der DDR einstweilen bis zum 31. Dezember 1990 in demselben Umfang wie zuvor weiterzugewähren. Davon habe die Bundesregierung Gebrauch gemacht. Allerdings habe sie die Beihilfe für Magermilchpulver mit der zusätzlichen Einschränkung versehen, dass das produzierte Mischfutter im Beitrittsgebiet verwendet werden müsse. Diese Einschränkung sei rechtswidrig. Sie widerspreche der gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung. Außerdem benachteilige sie die Unternehmen aus dem Beitrittsgebiet, die ins übrige Deutschland und in andere Mitgliedstaaten lieferten, gegenüber den Unternehmen aus dem Beitrittsgebiet, die nur an Abnehmer im Beitrittsgebiet lieferten, ohne dass hierfür ein rechtfertigender Grund erkennbar wäre. Darum liege auch eine unzulässige Einschränkung ihrer Berufsfreiheit vor.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat die Klage mit Urteil vom 27. April 2000 abgewiesen. In rechtlicher Hinsicht ziehe die Klägerin die Beihilfevoraussetzung einer Verwendung im Beitrittsgebiet ohne Erfolg in Zweifel. Die Europäische Gemeinschaft habe Deutschland ermächtigt, die Beihilferegelung der DDR bis zum 31. Dezember 1990 fortzuführen. Das habe nicht ausgeschlossen, die Beihilferegelung mit einer zusätzlichen Einschränkung zu versehen. Die Bundesregierung hätte von der Ermächtigung überhaupt keinen Gebrauch machen müssen. Der Gleichheitssatz schließlich sei nicht verletzt. Da im übrigen Gemeinschaftsgebiet eine vergleichbare Beihilfe nicht gezahlt werde, würden die Futtermittelhersteller im Beitrittsgebiet gegenüber denjenigen in der übrigen Gemeinschaft nur bevorzugt.

Die Berufung der Klägerin hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 20. November 2003 zurückgewiesen. Er hat die Begründung des erstinstanzlichen Urteils wiederholt und ergänzend ausgeführt, die gebietsbezogene Verwendungsbeschränkung sei nicht nur gemeinschaftsrechtlich zulässig gewesen, sondern habe auch dem Zweck der gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung entsprochen, den gemeinsamen Milchmarkt so wenig wie möglich zu stören. Es hätte aber zu Wettbewerbsverzerrungen geführt, wenn zugelassen worden wäre, dass aus nationalen Mitteln subventioniertes Mischfutter auf den EG-Markt drängte. Zudem habe die Magermilchbeihilfe im Ergebnis nicht den Herstellungs- und Verarbeitungsbetrieben, sondern den abnehmenden landwirtschaftlichen Betrieben im Beitrittsgebiet zugute kommen sollen. Die Beihilfe habe daher nicht so sehr die europaweite Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Futtermittelhersteller verbessern, sondern eine Förderung der ostdeutschen Landwirtschaftsbetriebe darstellen sollen. Das sei ein legitimer Zweck, weshalb auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht vorliege. Die Rückforderung sei fristgerecht erfolgt und nicht verwirkt, schon weil die vorherige Bewilligung lediglich vorläufig erfolgt sei. Die Klägerin könne nicht einwenden, sie sei entreichert, weil sie die empfangene Beihilfe über den Preis an ihre Abnehmer weitergereicht habe. Auch die Zinsforderung sei rechtmäßig.

Zur Begründung ihrer Revision bringt die Klägerin vor: Gemeinschaftsrecht habe die Bundesrepublik Deutschland nur ermächtigt, nationale Beihilfen der DDR nach dem Beitritt in demselben Umfang einstweilen fortzuführen, nicht aber dazu, zusätzliche einschränkende Voraussetzungen vorzusehen. Die Beschränkung auf eine Verwendung im Beitrittsgebiet werde auch dem Sinn und Zweck der gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung nicht gerecht, durch bessere Absatzchancen zum Abbau von Überproduktion und zur Stabilität des Marktes beizutragen. Die zusätzliche Verwendungsbeschränkung führe zu einer Schlechterstellung von Herstellern im Beitrittsgebiet, die an Abnehmer außerhalb des Beitrittsgebiets liefern. Für diese Diskriminierung fehle ein sachlicher Grund. Er könne nicht darin gesehen werden, dass die Beihilfe mittelbar die landwirtschaftlichen Betriebe im Beitrittsgebiet fördern solle. Begünstigt werden sollten allein die Erzeuger von Magermilch und Magermilchpulver, die sich nach dem Beitritt auf dem gemeinsamen Agrarmarkt behaupten mussten, nicht jedoch die Verwender. Mit der Ungleichbehandlung werde der Wettbewerb verfälscht, was sie in ihrer Berufsfreiheit, jedenfalls in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit verletze. Das einschlägige sekundäre Gemeinschaftsrecht lasse sich auch nicht dahin auslegen, dass es eine nationale Beihilfe unter der einschränkenden Voraussetzung der Verwendung im Beitrittsgebiet zulasse. Eine derartige Auslegung sei mit primärem Gemeinschaftsrecht, namentlich mit den gemeinschaftsrechtlichen Grundrechten unvereinbar. Insofern gelte im Wesentlichen dasselbe wie zu den nationalen Grundrechten. Sei nach allem die einschränkende Beihilfevoraussetzung rechtswidrig, so stehe ihr - der Klägerin - der geltend gemachte Anspruch zu. Jedenfalls aber schulde sie keine Rückzahlung der gewährten Beihilfe. Dagegen stehe ihr der Einwand der Entreicherung, der Arglist und jedenfalls der Verjährung zu.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus: Die EG-Kommission habe in dem Beitritt des Gebiets der DDR zur Bundesrepublik Deutschland eine besondere Herausforderung gesehen. Im Agrarbereich habe sie mit der geringst möglichen Anzahl von Ausnahmeregelungen auskommen wollen und unumgängliche Ausnahmen zeitlich streng begrenzt. Die in Rede stehende Beihilfe habe der Absatzförderung zur Entlastung des überschüssigen DDR-Marktes gedient, um eine Belastung des EU-Binnenmarktes im Bereich Milcheiweiß zu vermeiden. Eine vergleichbare Beihilfe sei außerhalb des Beitrittsgebiets nicht vorgesehen und daher nach allgemeinen beihilferechtlichen Vorschriften verboten gewesen. Daher habe die Beihilfe nur mit der Maßgabe gewährt werden können, dass das verarbeitete Magermilchpulver ausschließlich im Beitrittsgebiet verfüttert werden dürfe. Weil die Verwendungsbeschränkung gemeinschaftsrechtlich zwingend gewesen sei, scheide auch ein Verstoß gegen Gemeinschaftsgrundrechte aus. Nationale Grundrechte seien ebenfalls nicht verletzt. Die Regelung diene gerade der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen, so dass sie vor Art. 12 GG gerechtfertigt sei. Vor allem finde die Sonderregelung für das Beitrittsgebiet ihre Rechtfertigung in der historischen Sonderlage des Beitritts.

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich nicht am Verfahren.

II.

Die Revision ist begründet. Der Klägerin steht die im Revisionsverfahren noch begehrte weitere Beihilfe zu. Die Urteile der Vorinstanzen, die dies verkennen, stehen mit Bundesrecht und europäischem Gemeinschaftsrecht nicht im Einklang (§ 137 Abs. 1 VwGO ).

Das klägerische Begehren findet seine Grundlage in Kap. I Ziff. 3 Buchstabe c der Anlage 1 zu § 1 der EG-Recht-Überleitungsverordnung vom 28. September 1990 (BGBl I S. 2117). Hiernach wird für Magermilchpulver, das in Mischfutter für andere Tiere als junge Kälber verarbeitet wird, aus nationalen Mitteln eine Beihilfe in Höhe von 358,70 DM je 100 kg gewährt, sofern das Magermilchpulver im Beitrittsgebiet hergestellt worden ist. Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass die Klägerin diese Voraussetzungen erfüllt. Sie haben die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass das Magermilchpulver - oder genauer: das aus ihm hergestellte Mischfutter - im Beitrittsgebiet für Futterzwecke verwendet wurde. Diese einschränkende Voraussetzung findet sich zwar in der anspruchsbegründenden Norm. Sie ist jedoch rechtswidrig und nichtig. Dies führt dazu, dass die Klägerin die Beihilfe ungeachtet der ungeklärten Verwendung verlangen kann.

1. Die einschränkende Voraussetzung, dass das aus dem Magermilchpulver hergestellte Mischfutter im Beitrittsgebiet für Futterzwecke verwendet worden sein muss, kann sich nicht auf europäisches Gemeinschaftsrecht stützen.

a) Kap. I Ziff. 3 der Anlage 1 zu § 1 EG-Recht-Überleitungsverordnung beruht auf Art. 1 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 2768/90 der Kommission vom 27. September 1990 über vorläufige Maßnahmen, die nach der deutschen Einigung im Sektor Milch und Milcherzeugnisse anwendbar sind (ABl Nr. L 267/15, ber. Nr. L 276/47), in der Fassung der Änderungsverordnung (EWG) Nr. 3112/90 vom 26. Oktober 1990 (ABl Nr. L 296/51). Hierdurch wurde Deutschland dazu ermächtigt, vom Zeitpunkt der deutschen Einigung bis zum 31. Dezember 1990 aus eigenen Mitteln und unter denselben Bedingungen wie vor der Einigung die Beihilfe für den Absatz von Magermilch und Magermilchpulver weiterhin zu gewähren, die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR aus der dort erzeugten Milch gewonnen wurden. Dies hatte nicht zur Voraussetzung, dass das Magermilchpulver oder das aus ihm hergestellte Mischfutter auch im Beitrittsgebiet verfüttert wurde.

Dagegen spricht schon der Wortlaut der Vorschrift, die auf die vor der deutschen Einigung von der DDR aus eigenen Mitteln gewährte Beihilfe für den Absatz von Magermilch und Magermilchpulver Bezug nimmt und Deutschland dazu ermächtigt, diese Beihilfe "unter denselben Bedingungen wie vor der Einigung" und "weiterhin" zu gewähren. Das Recht der DDR aber hatte die Gewährung der Beihilfe nicht davon abhängig gemacht, dass das Magermilchpulver oder das aus ihm hergestellte Mischfutter im Gebiet der DDR verfüttert wurde. Die DDR hatte am 6. Juli 1990 ein Marktorganisationsgesetz (GBl I S. 657) erlassen, das der Einführung eines dem Marktordnungssystem der Europäischen Gemeinschaften entsprechenden Preisstützungs- und Außenschutzsystems dienen sollte (§ 1 Abs. 1 Nr. 1) und erlaubte, unter anderem für Milch und Milcherzeugnisse Regelungen über Beihilfen zur Erleichterung des Absatzes zu treffen (§ 2 Nr. 2, § 3 Nr. 2 Buchstabe g). Die zur Durchführung erlassene Milchverordnung vom 11. Juli 1990 (GBl I S. 1215) hatte eine Beihilfe für Magermilchpulver vorgesehen, das für Futterzwecke verwendet wird (§ 6 Abs. 1). Die Beihilfe war für Magermilchpulver zur Herstellung von Mischfutter, das nicht zur Verwendung für Kälberfutter bestimmt ist, mit Wirkung vom 1. Juli 1990 an auf 358,70 DM/100 kg festgesetzt worden (Ziff. 2.2 der Ministerverfügung vom 21. August 1990, abgedr. als Anhang 2 zur Anlage 1 der EG-Recht-Überleitungsverordnung). Dass das Mischfutter auch in der DDR verfüttert werden müsse, besagte die Ministerverfügung nicht. Sie enthielt auch kein Ausfuhrverbot, und im Falle der Ausfuhr beihilfebegünstigter Magermilchprodukte in Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft war - anders als bei Ausfuhren in Drittstaaten - eine Wiedereinziehung der Beihilfe nicht vorgesehen (§ 10 Abs. 1 MVO-DDR; Ziff. 10 der Ministerverfügung vom 21. August 1990).

Auch im Übrigen enthielt die Deutschland erteilte Sonderermächtigung keine einschränkende Bestimmung über den Verwendungsort des Mischfutters. Art. 1 Abs. 5 VO (EWG) Nr. 2768/90 enthielt nur die Voraussetzung, dass das Magermilchpulver im Beitrittsgebiet aus dort erzeugter Milch gewonnen wurde. Schon für seine Verarbeitung zu Mischfutter ist eine vergleichbare regionale Einschränkung nicht mehr ausdrücklich vorgesehen; sie lässt sich lediglich mittelbar daraus herleiten, dass der Absatz des Magermilchpulvers im Beitrittsgebiet erfolgt sein muss, was sich auf das Endprodukt erstrecken mag. Doch kann das dahinstehen. Aus dem Wortlaut der Sonderermächtigung ergibt sich jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass das Mischfutter auch im Beitrittsgebiet verfüttert worden sein muss. Dass dies nicht lediglich einer redaktionellen Nachlässigkeit entsprang, zeigt die Nachfolge-Verordnung (EWG) Nr. 3634/90 der Kommission vom 17. Dezember 1990 (ABl Nr. L 355/12), mit der die Deutschland erteilte Ermächtigung, für den Absatz von Magermilch und Magermilchpulver weiterhin Sondermaßnahmen anzuwenden, über den 31. Dezember 1990 hinaus bis zum 28. Februar 1991 verlängert wurde. Hier findet sich ein regionaler Verwendungsvorbehalt für Flüssigmagermilch: Nach Art. 1 Abs. 3 dieser Verordnung sollten die deutschen Behörden dafür sorgen, dass die Flüssigmagermilch in einem Aufzucht- oder Mastbetrieb im Beitrittsgebiet verwendet wird. Für Magermilchpulver ordnet Art. 1 Abs. 2 lediglich an, dass die Denaturierung etwa durch Beimischung in ein Futtermittel in Deutschland - und zwar in der gesamten Bundesrepublik Deutschland, nicht nur im Beitrittsgebiet - erfolgen sollte und dass das Endprodukt entsprechend zu kennzeichnen war. Dass das Endprodukt obendrein nur im Beitrittsgebiet verwendet werden dürfe, sagt die Verordnung hingegen nicht.

Ein regionaler Verwendungsvorbehalt ergibt sich auch nicht aus Sinn und Zweck der Sonderermächtigung. Die Sonderermächtigung zur Gewährung einer zusätzlichen Beihilfe aus nationalen Mitteln sollte die Regeln über die Beihilfe für Magermilch und Magermilchpulver aus Mitteln der europäischen Gemeinschaft ergänzen, die in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl EG Nr. L 148/13), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3879/89 vom 11. Dezember 1989 (ABl EG Nr. L 378/1), und in der Verordnung (EWG) Nr. 968/68 des Rates vom 15. Juli 1968 zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung der Beihilfe für Magermilch und Magermilchpulver (ABl Nr. L 169/4), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1115/89, vorgesehen ist. Diese Beihilfe aus Mitteln der europäischen Gemeinschaft dient dem Abbau der Überproduktion an Milch. Wie der 2. Erwägungsgrund zur Verordnung (EWG) Nr. 968/68 zeigt, soll erreicht werden, dass eine möglichst große Menge Magermilch verfüttert wird. Die Deutschland erteilte Ausnahmeermächtigung zur Fortführung einer zusätzlichen Beihilfe aus nationalen Mitteln diente ebenso der Absatzförderung, wie der 1. Erwägungsgrund zur Verordnung (EWG) Nr. 3112/90 der Kommission zeigt. Damit stimmt ihre Motivation überein mit dem Zweck der Beihilfe, die die DDR gewährt hatte und um deren einstweilige Fortführung es ging: Auch die Magermilchbeihilfe der DDR diente zur Erleichterung des Absatzes (§ 3 Nr. 1 Buchstabe g MOG -DDR). Dass sie in besonderer Höhe festgesetzt wurde, geschah mit Blick zum einen auf die erhebliche Überproduktion an Milch in der DDR und zum anderen auf die unzureichende technische Ausstattung der Mischfutterbetriebe, die große Nachholinvestitionen erforderten, sollten sie im neu eröffneten gemeinschaftsweiten Wettbewerb bestehen. All dies spricht gegen die Annahme einer Verwendungsbeschränkung, welche den Absatz des im Beitrittsgebiet gewonnenen Magermilchpulvers nur behindert hätte.

b) Die Beklagte meint, Deutschland hätte die Beihilfe aus nationalen Mitteln nicht ohne die regionale Verwendungsbeschränkung gewähren dürfen, weil andernfalls der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Wettbewerbsgleichheit verletzt worden wäre. Das ist schon im Ansatz verfehlt. Art. 87 ff. EG gelten im Agrarbereich nur, soweit sich aus den Bestimmungen der gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse nichts anderes ergibt (Art. 36 EG; Art. 23 VO/EWG Nr. 804/68). Die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse stellt in der Gemeinschaft Wettbewerb und Wettbewerbsgleichheit damit nur nach Maßgabe ihrer eigenen Regeln her. Wenn das europäische Gemeinschaftsrecht Deutschland ausdrücklich zur Gewährung einer Sonderbeihilfe aus nationalen Mitteln ermächtigt, ohne dies von einer regionalen Verwendungsbeschränkung der begünstigten Erzeugnisse abhängig zu machen, so kann dies schon deshalb nicht im Widerspruch zu den Art. 87 ff. EG stehen. Dass Sonderbeihilfen Wettbewerbsvorteile verschaffen können, liegt in ihrer Natur.

2. Die Vorinstanzen haben denn auch nicht angenommen, Deutschland sei zu der einschränkenden Maßgabe, dass das Mischfutter nur im Beitrittsgebiet verfüttert werde, bereits nach europäischem Gemeinschaftsrecht verpflichtet gewesen. Sie meinen aber, Deutschland sei hierzu nach Gemeinschaftsrecht immerhin berechtigt gewesen. Auch dies verletzt europäisches Gemeinschaftsrecht.

Den Vorinstanzen ist zuzugeben, dass Deutschland frei war, von der gemeinschaftsrechtlichen Sonderermächtigung Gebrauch zu machen oder nicht. Denkbar ist auch, dass Deutschland frei war, die Beihilfe in derselben Höhe zu gewähren wie zuvor die DDR oder dahinter zurückzubleiben. Deutschland war aber nicht frei, von der Sonderermächtigung unter einschränkenden Voraussetzungen Gebrauch zu machen, die in der gemeinschaftsrechtlichen Sonderermächtigung nicht vorgesehen waren. Art. 1 Abs. 5 (EWG) Nr. 2768/90 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3112/90 ermächtigte Deutschland unzweifelhaft nur dazu, die Beihilfe für den Absatz von Magermilchpulver unter denselben Bedingungen wie vor der Einigung weiterhin zu gewähren. Das ließ keinen Spielraum, den nach vormaligem DDR-Recht geltenden Bedingungen weitere hinzuzufügen.

Vollends war Deutschland nicht befugt, die Beihilfe für Magermilchpulver- und Mischfutterhersteller daran zu knüpfen, dass sie ihr Produkt nicht in Gebiete außerhalb des Beitrittsgebiets verkauften. Das kam nämlich einer regionalen Handelsbeschränkung gleich, die den Grundsätzen des EG-Rechts gerade zuwiderläuft. Schon vor dem Beitritt waren die Europäische Gemeinschaft und die Bundesrepublik Deutschland bemüht, Beschränkungen des Handels mit der DDR abzubauen. Mit dem Beitritt sollte das Gebiet der - dann ehemaligen - DDR grundsätzlich ohne Einschränkung in den gemeinsamen Markt integriert werden. Sollten ausnahmsweise gleichwohl einzelne Handelsbarrieren vorübergehend aufrechterhalten werden, so konnte dies nur durch Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft selbst angeordnet werden. Das sah Art. 5 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3577/90 des Rates vom 4. Dezember 1990 (ABl Nr. L 353/23; vgl. auch den entsprechenden Kommissionsvorschlag hierzu in der Anlage zur Verordnung/EWG Nr. 2684/90 vom 17. September 1990, ABl Nr. L 263/1) auf Antrag eines betroffenen Mitgliedstaates auch vor. Deutschland aber war nicht befugt, von sich aus Handelsbeschränkungen aufrechtzuerhalten oder gar solche neu zu errichten, die vor dem Beitritt nicht bestanden hatten.

Auch die Erwägung des Berufungsgerichts, die Verwendungsbeschränkung habe nicht nur die Mischfutterhersteller, sondern zugleich die Aufzucht- und Mastbetriebe im Beitrittsgebiet begünstigen sollen, ist mit europäischem Gemeinschaftsrecht unvereinbar. Die Deutschland erteilte Ausnahmeermächtigung zielte allein auf die Förderung des Absatzes von Magermilchpulver, also auf die Subventionierung der Magermilchpulver herstellenden und verarbeitenden Betriebe. Eine Subventionierung der landwirtschaftlichen Aufzucht- und Mastbetriebe lag hingegen nicht in der Absicht der Ermächtigung. Das beitrittsveranlasste EG-Recht hat an ganz anderer Stelle vorgesehen, Deutschland zu ermächtigen, den landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieben Beihilfen zu gewähren, um die Einkommensverluste auszugleichen, die mit der Übernahme der Grundsätze der gemeinsamen Agrarpolitik verbunden waren (Art. 4 VO/EWG Nr. 3577/90 des Rates sowie den Kommissionsvorschlag hierzu in der Anlage zur Verordnung/EWG Nr. 2684/90). Mit diesen betriebsbezogenen Beihilfen darf die vorliegend umstrittene produktbezogene Beihilfe nicht vermengt werden.

3. Nach allem erweist sich die einschränkende Voraussetzung in Kap. I Ziff. 3 Buchstabe c der Anlage 1 zu § 1 EG-Recht-Überleitungsverordnung, dass das Magermilchpulver im Beitrittsgebiet verfüttert worden sein muss, als rechtswidrig und nichtig. Das führt allerdings nicht zur Nichtigkeit der gesamten Vorschrift. Die Vorschrift ist teilbar; die einschränkende Voraussetzung kann fortgedacht werden und der Rest gleichwohl als sinnvolle Regelung fortbestehen. Es ist mit hinlänglicher Sicherheit anzunehmen, dass der Verordnungsgeber, hätte er die Unzulässigkeit der Einschränkung gekannt, die Vorschrift ohne die Einschränkung erlassen hätte. Mit der in Rede stehenden Vorschrift hat der deutsche Verordnungsgeber von einer europarechtlichen Sonderermächtigung Gebrauch gemacht, die Deutschland selbst angeregt hatte und an der die Bundesregierung ein großes politisches und wirtschaftliches Interesse hatte. Es ist schlechterdings unvorstellbar, dass Deutschland auf jegliche Subventionierung von Mischfuttermittelherstellern im Beitrittsgebiet verzichtet hätte, nur um die Verfütterung von derart subventioniertem Mischfutter im übrigen Bundesgebiet oder gar in anderen Mitgliedstaaten zu vermeiden.

Nach allem hat die Klage mit dem Hauptantrag Erfolg. Auf den Hilfsantrag braucht daher nicht eingegangen zu werden.

B e s c h l u s s

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 248 078,38 EUR (entspricht 485 199,14 DM) festgesetzt.

Vorinstanz: VGH Kassel, vom 20.11.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 8 UE 1615/01
Vorinstanz: VG Frankfurt/Main, vom 27.04.2000 - Vorinstanzaktenzeichen 1 E 3075/98
Fundstellen
DÖV 2006, 270
NJ 2006, 231