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BVerfG - Entscheidung vom 23.08.2005

2 BvR 896/05

Normen:
GG Art. 12 Abs. 1
RVG § 51 Abs. 1 S. 5

Fundstellen:
NJW 2005, 3699
RVGreport 2005, 467

BVerfG, Beschluß vom 23.08.2005 - Aktenzeichen 2 BvR 896/05

DRsp Nr. 2005/16698

Verfassungsmäßigkeit der Versagung eines Vorschusses auf eine Pauschgebühr

Es verstößt nicht gegen das Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung, wenn die Fachgerichte die Gewährung eines Vorschusses auf eine zu erwartende Pauschgebühr versagen, solange nicht dargetan ist, dass trotz eines Anspruchs auf einen Vorschuss auf die gesetzlichen Gebühren nach § 47 Abs. 1 RVG ein Zuwarten bis zur Festsetzung der Pauschgebühr unzumutbar wäre.

Normenkette:

GG Art. 12 Abs. 1 ; RVG § 51 Abs. 1 S. 5 ;

Gründe:

I. 1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerGG liegt nicht vor, denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

2. Die Beschwerdeführer beantragen sinngemäß, die Entscheidungen des Oberlandesgerichts aufzuheben, mit der ihre Anträge, im Hinblick auf die zu erwartende Pauschvergütung gemäß § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG einen Vorschuss zu bewilligen, zurückgewiesen wurden. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist unbegründet, denn die Entscheidungen des Oberlandesgerichts verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten.

II. 1. Die Bestellung zum Pflichtverteidiger ist eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken. Dabei verlangt das Grundrecht auf freie Berufsausübung, dass bei der im Interesse des Gemeinwohls an einer Einschränkung des Kostenrisikos vorgenommenen Begrenzung des Vergütungsanspruchs eines Pflichtverteidigers die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt wird. Art. 12 Abs. 1 GG gebietet für besonders umfangreiche oder besonders schwierige Verfahren eine Regelung, die es - wie nunmehr § 51 RVG - ermöglicht, der Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers Rechnung zu tragen und ihn entsprechend zu vergüten (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2005 - 2 BvR 2456/03 -, NJW 2005, S. 1264 [1265]; BVerfGE 47, 285 [321 f.]; BVerfGE 68, 237 [255]), um ein angemessenes Verhältnis zwischen Eingriffszweck und Eingriffsintensität sicherzustellen (vgl. BVerfGE 101, 331 [347]).

Dies gilt - wie es durch das Kriterium der Zumutbarkeit in § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG zum Ausdruck kommt - auch für die Bewilligung eines angemessenen Vorschusses. Entscheidend hierfür ist zunächst die lange Dauer des Verfahrens. Die höhere Pauschgebühr muss mit Sicherheit zu erwarten sein. Schließlich muss es für den Verteidiger unzumutbar sein, die Festsetzung der endgültigen Pauschgebühr abzuwarten. Hierbei ist von Bedeutung, dass der Pflichtverteidiger nach § 47 Abs. 1 RVG einen Anspruch auf angemessenen Vorschuss auf seine gesetzlichen Gebühren hat, was die Unzumutbarkeit entfallen lassen kann (vgl. Burhoff, RVG - Straf- und Bußgeldsachen, 2004, Rn. 60 zu § 51 RVG ).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Versagung des Vorschusses auf die Pauschgebühr durch das Oberlandesgericht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts lässt keine sachfremden Erwägungen erkennen, trägt dem Bedeutungsgehalt des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit Rechnung und wahrt die Grenze der kostenrechtlichen Zumutbarkeit.

a) Ob das Verfahren, in dem die Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger tätig sind, von langer Dauer sowie von einem solchen Umfang und einer solchen Schwierigkeit sein wird, dass die höhere Pauschgebühr des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG für ihre Tätigkeit mit Sicherheit zu erwarten ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich und von den Beschwerdeführern - abgesehen von einer pauschalen Kritik an der Unauskömmlichkeit der gesetzlichen Gebühren - auch nicht vorgetragen, dass trotz des Anspruchs auf einen Vorschuss auf die gesetzlichen Gebühren nach § 47 Abs. 1 RVG ein Zuwarten bis zur Festsetzung der Pauschgebühr unzumutbar wäre.

b) Die vom Oberlandesgericht verwendeten Kriterien "Vermeidung einer wirtschaftlichen Notlage des Anwalts" und "andere Billigkeitsgründe" entsprechen zwar nicht mehr dem Sprachgebrauch des § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG . Damit liegen der Entscheidung aber keine sachfremden Erwägungen zugrunde, denn der Gesetzgeber hat die früher von der Rechtsprechung verwendeten Kriterien nunmehr in den Begriff der Zumutbarkeit gefasst, den das Oberlandesgericht in einer die Grundrechte der Beschwerdeführer nicht verkennenden Weise angewendet hat.

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG ).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: OLG Hamburg - Xs 31/05 620 KLs 5/04, Xs 32/05 620 KLs 5/04 - 2.5.2005,
Fundstellen
NJW 2005, 3699
RVGreport 2005, 467