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BVerfG - Entscheidung vom 14.07.2005

1 BvR 2151/03

Fundstellen:
FamRZ 2005, 1815

BVerfG, Beschluss vom 14.07.2005 - Aktenzeichen 1 BvR 2151/03

DRsp Nr. 2006/7514

Gründe:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zurückweisung einer Regelung des Umgangsrechts mit seinem Sohn.

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Vater des am 8. September 1999 geborenen D., der aus der nichtehelichen Beziehung des Beschwerdeführers mit der Kindesmutter hervorgegangen ist und bei dieser lebt.

2. Mit Beschluss vom 24. Juni 2003 wies das Amtsgericht Elze nach mehrfacher Anhörung der Kindeseltern und nach Einholung eines Sachverständigengutachtens den Antrag des Beschwerdeführers auf Regelung des Umgangs mit seinem Kind zurück.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht Celle mit Beschluss vom 8. September 2003 nach Anhörung der Kindeseltern und nach ergänzender Stellungnahme der Sachverständigen zurück. Entscheidend sei, dass das Verhältnis beider Eltern zueinander derart gespannt sei, dass jeglicher Kontakt mit dem Beschwerdeführer die Kindesmutter für Außenstehende ersichtlich seelisch aufwühle. Dabei seien diese seelischen Belastungen den Feststellungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen zufolge so massiv, dass sie sich auf das Kind übertrügen, es verunsicherten und somit für die eigene seelische Entwicklung des Kindes schädlich auswirkten. Da es gegenwärtig nicht absehbar sei, wie lange dieser Zustand noch andauern werde, vermöge das Gericht auch keine zeitliche Befristung des Umgangsrechts auszusprechen.

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts aus Art. 6 Abs. 2 GG . Die Gerichte hätten das Elternrecht des Beschwerdeführers unverhältnismäßig eingeschränkt. Das Oberlandesgericht habe ausdrücklich anerkennen müssen, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich in der Lage sei, sachgerecht mit dem Kind umzugehen. Die Verantwortung für den unerträglichen Zustand zwischen den Kindeseltern treffe allein die Kindesmutter. Es könne dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden, dass er ohne eigene Schuld oder Verantwortung seelische Belastungen bei der Mutter auslöse, welche sich auf das Kind auswirkten. Die Gerichte hätten veranlassen müssen, dass die Kindesmutter alles tue, um die Voraussetzungen für ein Umgangsrecht zu schaffen.

Die Verfassungsbeschwerde ist der Niedersächsischen Landesregierung und der Verfahrensbeteiligten des Ausgangsverfahrens zugestellt worden. Während die Niedersächsische Landesregierung Bedenken hinsichtlich der Verfassungsgemäßheit des angegriffenen Beschlusses des Oberlandesgerichts geäußert hat, hat die Kindesmutter die angegriffenen Entscheidungen verteidigt.

II. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG ). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG sind gegeben. Die Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 6 Abs. 2 GG .

1. Das Umgangsrecht des nichtsorgeberechtigten Elternteils steht ebenso wie die elterliche Sorge des anderen Elternteils unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG . Der sorgeberechtigte Elternteil muss demgemäß grundsätzlich den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil ermöglichen. Können sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen, haben die Gerichte eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt (vgl. BVerfGE 31, 194 [206 f.]; 64, 180 [187 f.]). Eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts eines Elternteils ist nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalles der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren (vgl. BVerfGE 31, 194 [209 f.]).

2. Nach diesen Maßstäben sind die angegriffenen Entscheidungen mit Art. 6 Abs. 2 GG nicht vereinbar.

Beide Gerichte haben eine Regelung des Umgangsrechts des Beschwerdeführers abgelehnt. Dies kommt in der Wirkung einem Umgangsrechtsausschluss gleich, ohne dass der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall anhand der Entscheidungsbegründung erkennen kann, für welche Dauer er eine erneute Prüfung des Umgangsrechts begehren kann. Die Beschlüsse stehen dementsprechend nicht mit dem Grundgedanken der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überein, dass in den Fällen, in denen sich die Eltern nicht über die Ausübung des Umgangsrechts einigen können, die Gerichte eine "Entscheidung" zu treffen haben, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes berücksichtigt (vgl. BGH, FamRZ 1994, 158 ff.). Das Oberlandesgericht hat die Zurückweisung einer Umgangsregelung zwar mit der Erwägung begründet, es sei nicht absehbar, wann sich die gegenwärtige Situation ändern würde. Diese Begründung ist jedoch im Hinblick auf die Äußerung der Kindesmutter in der Anhörung vor dem Oberlandesgericht, sie werde alles tun, um "ihr" Kind vor dem Beschwerdeführer zu schützen, nicht tragfähig. Überdies rechtfertigt die besagte Begründung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht eine Nichtregelung des Umgangs, sondern allenfalls einen befristeten Umgangsausschluss. Die angegriffenen Entscheidungen genügen demnach nicht den inhaltlichen Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 GG und verletzen den Beschwerdeführer in seinem Elternrecht.

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34 a Abs. 2 BVerfGG .

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl. § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG ).

Vorinstanz: OLG Celle, vom 08.09.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 21 UF 121/03
Vorinstanz: AG Elze, vom 24.06.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 8 F 4/02
Fundstellen
FamRZ 2005, 1815