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BVerfG - Entscheidung vom 14.09.2005

2 BvR 882/05

BVerfG, Beschluß vom 14.09.2005 - Aktenzeichen 2 BvR 882/05

DRsp Nr. 2005/16697

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu der länger als zehn Jahre fortdauernden Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfGE 109, 133 ff.). Hieran gemessen hat die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg.

1. Zwar vertrat das Landgericht Arnsberg in dem die Entscheidung vorbereitenden Gutachtenauftrag und in dem angegriffenen Beschluss die unzutreffende Auffassung, die Fortdauerentscheidung sei, trotz der bereits länger als zehn Jahre vollzogenen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, an den Voraussetzungen des § 67 d Abs. 2 StGB zu messen. Das Oberlandesgericht Hamm hat jedoch die Entscheidungsformel des landgerichtlichen Beschlusses im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 67 d Abs. 3 StGB korrigiert und seinem Beschluss den dort enthaltenen, das Regel-Ausnahme-Verhältnis aus § 67 d Abs. 2 StGB umkehrenden Prognosemaßstab zugrunde gelegt (vgl. BVerfGE 109, 133 [160 f.]).

2. a) Das Oberlandesgericht Hamm hat in verfassungsrechtlich beanstandungsfreier Weise eine negative Legalprognose des Beschwerdeführers im Sinne seiner fortdauernden Gefährlichkeit bezogen auf einschlägige Taten festgestellt. Dass hierdurch die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden können, ergibt sich nicht nur aus dem in Frage stehenden Deliktstypus, sondern auch aus der in den vorangegangenen Urteilen jeweils festgestellten besonders gefährlichen, von der Abgabe von Warnschüssen geprägten rücksichtslosen Vorgehensweise.

b) In nachvollziehbarer Weise hat das Oberlandesgericht Hamm die mit Ablauf von zehn Jahren der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung eingetretene gesetzliche Vermutung der Ungefährlichkeit des Untergebrachten widerlegt (vgl. BVerfGE 109, 133 [161]).

aa) Nach sachverständiger Beratung hat das Oberlandesgericht Hamm eine eigenständige Prognoseentscheidung getroffen (vgl. BVerfGE 109, 133 [164]). Von Verfassungs wegen durfte hierbei das Gericht darauf abstellen, dass der Beschwerdeführer, der jeden Kontakt zu Fachdiensten der Anstalt abgelehnt hat, sich bislang einer Auseinandersetzung mit seinem deliktischen Verhalten widersetzt hat und weitere Tatbegehungen alleine von dem Ergebnis eigener Risikoabwägungen abhängig macht. Soweit der Beschwerdeführer auf seine Bereitschaft zu einer externen Therapie verweist, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Ein Anspruch, eine Therapie außerhalb geschlossener Anstalten wahrzunehmen, besteht nicht.

bb) Der Beschwerdeführer konnte sich auch nicht darauf verlassen, entsprechend der ursprünglichen Rechtslage voraussetzungslos spätestens mit Ablauf von zehn Jahren aus der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entlassen zu werden. Die verfassungskonforme Regelung des § 67 d Abs. 3 StGB erfasst auch den chronisch unverbesserlichen Hangtäter, der sich dauerhaft jeder Behandlung verweigert und ungeachtet fortschreitenden Alters bis an sein Lebensende gefährlich bleibt. Im Interesse der Allgemeinheit gestattet § 67 d Abs. 3 StGB ohne Verfassungsverstoß seine möglicherweise über mehrere Jahrzehnte andauernde Verwahrung (vgl. BVerfGE 109, 133 [161 f.]).

3. Auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens wird auch nicht ersichtlich, weswegen das Gutachten des externen Sachverständigen, der im Laufe des Vollstreckungsverfahrens noch nicht mit der Begutachtung des Beschwerdeführers befasst war, nicht den verfassungsrechtlich gebotenen Mindeststandards genügt haben sollte (vgl. BVerfGE 109, 133 [164 ff.]). Entgegen der pauschalen Behauptung des Beschwerdeführers ist es nach den Ausführungen im Gutachten auch ausgeschlossen, dass der Sachverständige bei einer dem § 67 d Abs. 3 StGB entsprechenden Fragestellung im Gutachtenauftrag zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich seiner Gefährlichkeitsprognose gelangt wäre. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass dem Sachverständigen, dessen Feststellungen einer gerichtlichen Kontrolle unterworfen sind (vgl. BVerfGE 109, 133 [164]), die Umkehrung des Prognosemaßstabs mit Ablauf von zehn Jahren der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bekannt war.

4. Soweit der Beschwerdeführer darauf abstellt, es seien keine Belastungserprobungen im Rahmen von Vollzugslockerungen vorgenommen worden (zur besonderen Bedeutung der Vollzugslockerungen für die Prognosebasis vgl. BVerfGE 109, 133 [166]), setzt er sich nicht damit auseinander, dass er selbst bislang keine Vollzugslockerungen akzeptiert hat. Im Übrigen kann nicht festgestellt werden, dass der alleine im Hinblick auf das vorliegende Verfahren über die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erstmals beantragte Urlaub ohne hinreichenden Grund - etwa auf der Grundlage bloßer pauschaler Wertungen oder mit dem Hinweis auf eine abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr - versagt worden wäre (vgl. BVerfGE 109, 133 [166]).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG ).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: OLG Hamm, vom 26.04.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 4 Ws 183/05
Vorinstanz: LG Arnsberg, vom 23.02.2005 - Vorinstanzaktenzeichen StVK 907/82