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BVerfG - Entscheidung vom 09.02.2005

1 BvR 2719/04

Normen:
InsO § 57 § 78
GG Art. 12 Abs. 1 Art. 14 Abs. 1 Art. 19 Abs. 4

Fundstellen:
DZWIR 2005, 242
WM 2005, 471
ZIP 2005, 537
ZIV 2005, 132
ZInsO 2005, 368

BVerfG, Beschluß vom 09.02.2005 - Aktenzeichen 1 BvR 2719/04

DRsp Nr. 2005/5019

Abwahl eines Insolvenzverwalters nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit

Die gesetzlichen Vorschriften über die Abwahl eines Insolvenzverwalters stellen eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Ausgestaltung des Berufsbildes des Insolvenzverwalters dar.

Normenkette:

InsO § 57 § 78 ; GG Art. 12 Abs. 1 Art. 14 Abs. 1 Art. 19 Abs. 4 ;

Gründe:

I. Der in einem Insolvenzverfahren gerichtlich zum Insolvenzverwalter bestellte Beschwerdeführer wendet sich gegen die Bestellung einer anderen Person zum Insolvenzverwalter nach einer entsprechenden Wahlentscheidung der Gläubigerversammlung.

1. Der Beschwerdeführer wurde im Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Insolenzverwalter bestellt. Er zeigte in der Folgezeit dem Insolvenzgericht nach § 208 InsO Masseunzulänglichkeit an. In der ersten Gläubigerversammlung nach der Bestellung des Beschwerdeführers zum Insolvenzverwalter wählten die Gläubiger eine andere Person zum Insolvenzverwalter. Der vom Beschwerdeführer daraufhin gestellte Antrag auf Aufhebung der Wahlentscheidung nach § 78 InsO wurde vom Insolvenzgericht zurückgewiesen und der Gewählte zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Landgericht verwarf die sofortige Beschwerde mangels Beschwerderechts als unzulässig.

Die hiergegen vom Beschwerdeführer eingelegte Rechtsbeschwerde verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 7. Oktober 2004 ebenfalls als unzulässig. Gegen eine Wahlentscheidung in der ersten Gläubigerversammlung habe der abgewählte Insolvenzverwalter keine Beschwerdemöglichkeit; die Regelung des § 57 InsO sei Ausfluss der Gläubigerautonomie. Sollten aufgrund der Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Beteiligtenrechte der Insolvenzgläubiger zu beschränken sein, sei die Stimmrechtsentscheidung des Rechtspflegers möglicherweise fehlerhaft. Da der Insolvenzverwalter für diesen Fall aber einen Antrag auf Neufestsetzung des Stimmrechts gemäß § 77 InsO stellen könne, sei der Garantie effektiven Rechtsschutzes Genüge getan.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Art. 19 Abs. 4 , Art. 12 und Art. 14 GG .

Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit müsse er sich gegen seine Abwahl durch die Insolvenzgläubiger gerichtlich zur Wehr setzen können, weil diese aus dem Insolvenzverfahren ausschieden. Da er zur Abwendung seiner Haftung aus § 61 InsO darauf angewiesen sei, im Amt zu bleiben, werde ungerechtfertigt in seine Berufsfreiheit und seine Eigentumsgarantie eingegriffen.

II. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG ), noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG ). Letzteres gilt nicht nur hinsichtlich der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG , sondern auch bezüglich Berufsausübungsfreiheit und Eigentumsgarantie.

Offen bleiben kann, ob die Entscheidung des Insolvenzgerichts, den von der Gläubigerversammlung Gewählten zum Insolvenzverwalter zu bestellen, als Maßnahme der öffentlichen Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG anzusehen ist. Denn es ist weitere Voraussetzung der Rechtsschutzgarantie, dass der Betroffene in einem subjektiven Recht verletzt sein kann. Daran fehlt es. Die Bestellung eines anderen, von der Gläubigerversammlung gewählten Insolvenzverwalters anstelle des Beschwerdeführers bewegt sich hier innerhalb des in zulässiger Weise normativ fixierten Berufsbildes des Insolvenzverwalters. Die Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten kann der Beschwerdeführer deshalb weder in Bezug auf seine Berufsausübungsfreiheit noch hinsichtlich seines Eigentumsrechts mit Erfolg geltend machen; damit scheidet nicht nur eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG , sondern auch der Art. 12 und Art. 14 GG aus.

1. a) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass der Gesetzgeber befugt ist, Berufsbilder rechtlich zu fixieren, soweit er dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt (vgl. z.B. BVerfGE 7, 377 [397]; 13, 97 [106]). Wer einen solchen Beruf wählt, wählt ihn in der rechtlichen Ausgestaltung, die ihm der Gesetzgeber gegeben hat (vgl. BVerfGE 21, 173 [180]). Der Tätigkeit des Insolvenzverwalters liegt ein vom Gesetzgeber im Rahmen der Insolvenzordnung fixiertes Berufsbild zugrunde. Hierbei hat die Funktion des Insolvenzverfahrens, die bestmögliche gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners herbeizuführen (vgl. § 1 InsO ), entscheidende Auswirkungen auf das Berufsbild des Insolvenzverwalters. Wegen der großen rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung des Insolvenzverfahrens ist eine Beteiligung der Gläubiger an dessen Abwicklung nicht nur erwünscht, sondern auch geboten (vgl. Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 21. Aufl. 1999, § 42 I). Das Gesetz unterwirft das Insolvenzverfahren daher in gewissem Umfang der Gläubigerautonomie (vgl. Jauernig, aaO.). Dies führt unter anderem dazu, dass die (erste) Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Bestellung des Insolvenzverwalters (§ 56 InsO ) lediglich als vorläufige Maßnahme anzusehen ist. Das Gericht handelt dabei - zumindest auch - im Interesse der Gläubiger und nimmt deren Entscheidung mangels Möglichkeit der Gläubiger zu gemeinsamer Willensbildung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst vorweg. Auch wenn der vom Gericht ausgewählte und bestellte Insolvenzverwalter die ihm obliegenden Aufgaben in voller Verantwortlichkeit auszuüben hat (vgl. OLG Karlsruhe, ZIP 1997, S. 1970 [1971]), ist sein Amt von Anfang mit der Einschränkung verbunden, in der ersten Gläubigerversammlung abberufen zu werden. Es ist mithin Bestandteil des Berufsbildes, dass der Insolvenzverwalter eine gesicherte Stellung erst nach der ersten Gläubigerversammlung erlangen kann (so auch OLG Hamm, ZIP 1990, S. 1145 [1146]; OLG Naumburg, ZIP 1994, S. 162 [163]).

b) Die mit dieser normativen Fixierung des Berufsbildes verbundene Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit des Insolvenzverwalters (Art. 12 Abs. 1 GG ) hält der gebotenen Überprüfung am Maßstab der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 21, 173 [180 f.]; 75, 246 [266 f.]) stand. Die Regelung ist geeignet und erforderlich, um die im Gemeinwohlinteresse liegende sachgerechte Abwicklung des Insolvenzverfahrens unter Mitwirkung der Gläubiger zu ermöglichen. Sie bedeutet für den Insolvenzverwalter, der von Anfang an um das Wahlrecht der Gläubigerversammlung weiß und für seine bisher geleisteten Dienste eine Vergütung erhält, auch keine übermäßige, unzumutbare Belastung.

c) Der Beschwerdeführer kann hiernach - mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG - in nicht zu beanstandender Weise seinen Beruf von vornherein nur in der beschriebenen rechtlichen Ausgestaltung ausüben. Auch im konkreten Fall werden die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen von der verfassungsrechtlich unbedenklichen Fixierung des Berufsbildes des Insolvenzverwalters gedeckt.

aa) Insbesondere bleibt die Abwahlmöglichkeit für die Gläubiger auch bei angezeigter Masseunzulänglichkeit verhältnismäßig. Zwar ist dem Beschwerdeführer zuzugeben, dass nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß den §§ 208 ff. InsO nur noch die Massegläubiger, nicht aber die Insolvenzgläubiger eine zumindest teilweise Berichtigung ihrer Forderungen erwarten können. Ihre Beteiligung an der Auswahl des Insolvenzverwalters dient gleichwohl unverändert dem mit der Gewährung der Gläubigerautonomie verfolgten Ziel. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit lässt die rechtliche Position der Insolvenzgläubiger unberührt. Sie können auch noch immer ein berechtigtes Interesse daran haben, dass eine andere Person zum Insolvenzverwalter bestellt wird. Das gilt insbesondere dann, wenn die Insolvenzgläubiger die Möglichkeit sehen, dass ein neuer Insolvenzverwalter aufgrund einer von ihm erstellten Vermögensübersicht zu einer anderen Einschätzung der Insolvenzmasse gelangt, die mehr als die Erfüllung nur der Masseverbindlichkeiten erlaubt. Die Rückkehr ins Insolvenzverfahren ist in einem solchen Fall nicht ausgeschlossen. Eine gesetzliche Regelung hierzu findet sich zwar nicht, es besteht aber keine Veranlassung, dem Insolvenzverwalter die Rückkehr zu versperren, wenn er in der Lage ist, alle Masseverbindlichkeiten zu erfüllen (so Braun, Insolvenzordnung , 2. Aufl. 2004, § 208 InsO , Rn. 32 ff.). Würde man nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit es den Insolvenzgläubigern verwehren, einen anderen Insolvenzverwalter zu wählen, hätte es der Insolvenzverwalter überdies durch bloße Anzeige der Masseunzulänglichkeit - sei sie nun nachvollziehbar oder nicht - in der Hand, seine Stellung als Insolvenzverwalter zu perpetuieren. Mit Blick auf Verfassungsrechte des Insolvenzverwalters ist es daher weder geboten, die Abwahlmöglichkeit für die Gläubiger bei Anzeige der Masseunzulänglichkeit zu beseitigen, noch der Anzeige - wie vom Bundesgerichtshof in Erwägung gezogen - Auswirkungen auf das Stimmrecht der Insolvenzgläubiger aus § 57 InsO beizulegen. Die angegriffene Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die solche Folgen - wie die Anwendung des § 77 InsO zeigt - gleichwohl nicht ausschließen will, kann den Beschwerdeführer mithin in seinen Rechten nicht verletzen.

bb) Die Abwahlmöglichkeit für die Gläubiger ist auch mit Blick auf § 61 InsO verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es bedeutet für den Insolvenzverwalter entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine übermäßige, unzumutbare Belastung, dass er trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht im Amt verbleiben kann, um durch eigene Arbeit eine persönliche Haftung nach § 61 InsO abzuwenden. Eine unberechtigte Inanspruchnahme aufgrund dieser Vorschrift muss der abgewählte Insolvenzverwalter nicht befürchten. Vielmehr schließt § 61 Satz 2 InsO die Haftung des Insolvenzverwalters aus, wenn er selbst seine Pflichten nicht verletzt hat und eine Masseverbindlichkeit lediglich aufgrund einer Pflichtverletzung seines Nachfolgers nicht erfüllt werden kann.

2. Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich zugleich, dass auch die Möglichkeit der Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Eigentumsrecht ausscheidet.

3. Nach alledem ist es nicht zu beanstanden, dass die Insolvenzordnung einen Rechtsbehelf für den Beschwerdeführer nicht zur Verfügung stellt und die Gerichte dem Beschwerdeführer eine Sachentscheidung verwehrt haben. Im Übrigen könnte der Beschwerdeführer, würde es zu einer Entscheidung in der Sache kommen, auch nichts zu seinen Gunsten geltend machen: Ausfluss der Gläubigerautonomie ist nämlich, dass den Gläubigern nach § 57 Satz 3 InsO die Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters nicht versagt werden kann, solange dieser nur geeignet ist; ein Eignungsvergleich mit dem abberufenen Insolvenzverwalter wird nicht angestellt.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG ).

Vorinstanz: BGH, vom 07.10.2004 - Vorinstanzaktenzeichen IX ZB 128/03
Vorinstanz: LG Bielefeld, vom 07.05.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 23 T 217/03
Vorinstanz: AG Bielefeld, vom 10.04.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 43 IN 1/03
Fundstellen
DZWIR 2005, 242
WM 2005, 471
ZIP 2005, 537
ZIV 2005, 132
ZInsO 2005, 368