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BSG - Entscheidung vom 15.12.2005

B 7a AL 46/05 R

Normen:
SGB III § 144 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2

Fundstellen:
BSGE 96, 22

BSG, Urteil vom 15.12.2005 - Aktenzeichen B 7a AL 46/05 R

DRsp Nr. 2006/7129

Sperrzeit beim Anspruch auf Arbeitslosengeld

Bei der unbefristeten Fortsetzung eines befristeten Arbeitsverhältnisses nach einem arbeitsvertragswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers tritt bei Kündigung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber aus Anlass des früheren Verhaltens unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Kündigung keine Sperrzeit für das Arbeitslosengeld ein. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

SGB III § 144 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ;

Gründe:

I

Im Streit ist die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. August bis 23. Oktober 2002, für die die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit festgestellt hat.

Der Kläger war ab 2. Mai 2001 bei der Firma M. GmbH & Co KG in D. als LKW-Fahrer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war zunächst auf sechs Monate befristet; danach wurde es unbefristet fortgeführt. Der Kläger wurde durch ein Urteil des Landgerichts Dortmund (LG) vom 17. Juli 2002 wegen einer im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit verübten versuchten Nötigung und Beleidigung - unter Abänderung des vorausgegangenen amtsgerichtlichen Urteils hinsichtlich der Dauer des Fahrverbots - zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30,00 EUR und einem Fahrverbot von zwei Monaten verurteilt (Urteil des Amtsgerichts >AG< vom 12. Februar 2002; Urteil des LG vom 17. Juli 2002). Von dem Vorfall, der der Verurteilung zu Grunde lag, und dem laufenden Ermittlungsverfahren hatte der für die Personalangelegenheit Zuständige seiner Arbeitgeberfirma Kenntnis, bevor das auf sechs Monate befristete Arbeitsverhältnis über den 1. November 2001 hinaus fortgeführt wurde. Die Arbeitgeberin des Klägers verzichtete zunächst auch nach Zustellung des Strafbefehls vom 29. Januar 2002 und nach dem anschließenden erstinstanzlichen Urteil des AG vom 12. Februar 2002 auf eine Kündigung. Sie wurde erst am 30. Juli 2002 zum 31. Juli 2002 wegen "groben Fehlverhaltens im Straßenverkehr während der Arbeitszeit und des verhängten Fahrverbots" ausgesprochen, nachdem der Kläger am 24. Juli 2002 seinen Führerschein in Verwahrung gegeben und hierüber seine Arbeitgeberin informiert hatte.

Der Kläger meldete sich am 31. Juli 2002 zum 1. August 2002 arbeitslos. Die Beklagte bewilligte Alg erst für die Zeit ab 24. Oktober 2002 wegen des Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit, deren Eintritt sie mit besonderem Bescheid feststellte (zwei Bescheide vom 7. Oktober 2002; Widerspruchsbescheid vom 13. November 2002).

Während das Sozialgericht ( SG ) die Klage abgewiesen hat (Urteil vom 30. Juni 2003), hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG auf die Berufung des Klägers abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung "des Bescheides der Beklagten vom 7. Oktober 2002" in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 2002 verurteilt, dem Kläger Alg ab 1. August 2002 zu zahlen (Urteil vom 25. Mai 2005). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, zu Unrecht habe die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit gemäß § 144 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - ( SGB III ) festgestellt. Zwar habe sich der Kläger auf Grund der begangenen Straftat im Straßenverkehr grob arbeitsvertragswidrig verhalten, was in der Regel eine fristlose Kündigung rechtfertige. Anlass für die Kündigung sei jedoch nicht dieses arbeitsvertragswidrige Verhalten, sondern allein die fehlende Fahrerlaubnis für die Zeit des Fahrverbots gewesen. Die am 30. Juli 2002 ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei arbeitsrechtlich nicht haltbar und rechtswidrig, weil sie wegen der schon lange zuvor bestehenden Kenntnis des bei der Arbeitgeberin für die Personalsachen zuständigen Herrn H. vom Tatgeschehen nicht mehr auf das Fehlverhalten des Klägers hätte gestützt werden dürfen. Insoweit könne diese Kündigung keine Sperrzeit auslösen. Zwar könne auch alleine der Verlust des Führerscheins für einen Kraftfahrer einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Hierbei handele es sich dann aber nicht um eine verhaltensbedingte, sondern um eine personenbedingte Kündigung, die nicht sperrzeitrelevant sei.

Die Beklagte rügt eine Verletzung des § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III . Sie ist der Ansicht, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei jedes Verhalten eines Arbeitnehmers sperrzeitrelevant, das eine verhaltensbedingte außerordentliche oder ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber veranlasst und gerechtfertigt habe. Nach dieser Rechtsprechung des BSG sei der Besitz der Fahrerlaubnis bei Berufskraftfahrern Geschäftsgrundlage für die Erfüllung des Arbeitsvertrages. Berufskraftfahrer hätten deshalb alles zu unterlassen, was zum Entzug der Fahrerlaubnis führen könne. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) stelle die Entziehung der Fahrerlaubnis bei einem Berufskraftfahrer sogar bereits allein einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar, und zwar unabhängig davon, ob die Entziehung der Fahrerlaubnis auf einem verkehrswidrigem Verhalten innerhalb oder außerhalb der Arbeitszeit des Berufskraftfahrers beruhe. Die Auffassung des LSG, die Rechtmäßigkeit der Kündigung scheitere daran, dass sie nicht fristgerecht ausgesprochen worden sei (§ 626 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch >BGB<), gehe fehl. Denn hätte die Arbeitgeberin des Klägers bereits nach Kenntnis des Vorfalls kündigen wollen, ohne Gewissheit über den Entzug der Fahrerlaubnis zu haben, hätte dies eine arbeitsrechtlich unzulässige Verdachtskündigung dargestellt. Außerdem beginne nach der Rechtsprechung des BAG die Ausschlussfrist des § 626 Abs 2 BGB dann nicht vor dem Abschluss des Strafverfahrens, wenn zwar Verdachtsumstände bekannt seien, diese Verdachtsumstände jedoch noch keine vernünftige Zweifel ausschließende sichere Kenntnis von der Tatbegehung selbst begründeten. Die Arbeitgeberin sei aus diesem Grund berechtigt gewesen, den Ausgang des Strafverfahrens gegen den Kläger abzuwarten. Dieser habe durch den schuldhaft herbeigeführten Verlust der Fahrerlaubnis ursächlich die Lösung des Arbeitsverhältnisses und ebenso ursächlich die Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des LSG aus den von diesem ausgeführten Gründen für zutreffend.

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz >SGG<). Zu Recht hat das LSG den Eintritt einer Sperrzeit nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III (hier idF, die § 144 durch das Job-AQTIV-Gesetz vom 10. Dezember 2001 - BGBl I 3443 - erhalten hat) verneint und damit, weil alle Voraussetzungen für die Gewährung von Alg vorlagen, einen Anspruch auf Alg gemäß § 117 SGB III (hier idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 - BGBl I 594) bejaht.

Gegenstand des Rechtsstreits und des Revisionsverfahrens ist jedoch nicht nur der Bescheid vom 7. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2002 (§ 95 SGG ), mit dem die Beklagte als eigenständige Verfügung (§ 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) den Eintritt einer Sperrzeit festgestellt hat (vgl dazu BSG, Urteil vom 3. Juni 2004 - B 11 AL 71/03 R), sondern auch der Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2002 über die Bewilligung von Alg, soweit sie darin für die Zeit vom 1. August bis 23. Oktober 2002 die Zahlung von Arbeitslosenhilfe abgelehnt hat. Nach der Rechtsprechung des BSG bildet nämlich dieser Bescheid eine rechtliche Einheit mit dem Sperrzeitbescheid (vgl dazu: Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr 9 mwN). Er war deshalb Gegenstand des Widerspruchsverfahrens und des Verfahrens vor dem LSG; das LSG hat in der Sache auch über beide Bescheide befunden. Dem war deshalb durch eine Berichtigung des Tenors der Entscheidung des LSG Rechnung zu tragen (§ 138 SGG ), die auch im Rechtsmittelverfahren zulässig ist, ohne dass hierin eine "Verböserung" zu sehen wäre.

Nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III tritt eine Sperrzeit ua ein, wenn der Arbeitnehmer, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (nach der Terminologie des § 144 SGB III in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung: versicherungswidriges Verhalten). Die Sperrzeit beginnt nach Abs 2 Satz 1 der Vorschrift mit dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, also in Anwendung des Abs 1 Nr 1 mit dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit. Während der Sperrzeit ruht der Alg-Anspruch (Abs 2 Satz 2). Nach § 144 Abs 3 SGB III beträgt in den Fällen des Abs 1 Nr 1 die Dauer der Sperrzeit zwölf Wochen (Regelsperrzeit), wenn keine allgemeine Härte (Abs 3 Satz 2) oder besondere Härte (Abs 3 Satz 1) vorliegt.

Der Eintritt einer Sperrzeit setzt nach der Rechtsprechung des BSG zunächst ein arbeitsvertragswidriges Verhalten voraus, das in jeglichem Verstoß gegen geschriebene oder ungeschriebene Haupt- und Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag bestehen kann (BSGE 91, 18 ff RdNr 7 ff = SozR 4-4300 § 144 Nr 2). Dieses Verhalten muss kausal (im Sinne der Wesentlichkeitstheorie) für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses - vorliegend durch die Arbeitgeberin - geworden sein (BSGE 91, 18 ff RdNr 7 ff = SozR 4-4300 § 144 Nr 2). Diese Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber muss - ebenfalls im Sinne einer wesentlichen Bedingung (BSGE 69, 108 ff = SozR 3-4100 § 119 Nr 6) - ihrerseits Ursache für den Eintritt der Beschäftigungslosigkeit sein (vgl zu dieser mehrstufigen Kausalitätsprüfung auch Voelzke in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 RdNr 300). Schließlich muss die Herbeiführung der Beschäftigungslosigkeit auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers beruhen, wobei - wie auch in anderem Zusammenhang üblich (vgl nur BSG, Urteil vom 25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 81/04 R) - nicht von einem objektiven, sondern einem subjektiven Maßstab auszugehen ist. Es gilt also nicht § 276 BGB , für den der Bundesgerichtshof (BGH) typisierend im Interesse des Rechtsverkehrs einen - modifizierten - objektiv-abstrakten Sorgfaltsmaßstab entwickelt hat (vgl nur BGH NJW 2001, 1786 f), sondern - wie im Strafrecht - ein individueller Maßstab, ausgerichtet an den Kenntnissen und Fähigkeiten des Betroffenen.

Dabei bezieht sich der in § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III formulierte Schuldvorwurf nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm nur auf die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit (vgl BSGE 67, 26 , 27 = SozR 3-4100 § 119 Nr 3: "Verursachung und Verantwortung der zur Arbeitslosigkeit führenden Kausalkette"; Voelzke in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 RdNr 305), nicht auf das arbeitsvertragswidrige Verhalten selbst. Allerdings setzt dieses üblicherweise selbst ein Verschulden voraus, wenn auch nicht eine mindestens grobe Fahrlässigkeit (Voelzke, aaO). Nach der Rechtsprechung des BSG ist somit entgegen der Ansicht des LSG die Rechtmäßigkeit der Kündigung durch den Arbeitgeber nicht teleologisch reduzierendes Tatbestandsmerkmal der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber, sondern Bestandteil der zweiten Kausalitätsprüfung, ob der Arbeitnehmer durch sein arbeitsvertragswidriges Verhalten die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt hat; die Rechtsprechung verlangt dementsprechend einen berechtigten Anlass (vgl nur BSGE 67, 26 , 28 mwN = SozR 3-4100 § 119 Nr 3), weil dem Arbeitnehmer sonst nicht vorgehalten werden kann, die Arbeitslosigkeit vorsätzlich oder fahrlässig verursacht zu haben (BSGE 91, 18 ff RdNr 14 = SozR 4-4300 § 144 Nr 2). Ob der Arbeitnehmer für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber berechtigten Anlass gegeben hat, ist von daher nur eine Frage der Wesentlichkeit des Beitrags des Arbeitnehmers zum Kausalgeschehen. Dies wird besonders deutlich in der Entscheidung des BSG zum Beginn einer Sperrzeit erst mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis berechtigterweise aus arbeitsvertragswidrigem Verhalten hätte ordentlich kündigen können, zu Unrecht jedoch eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat (BSGE 67, 26 ff = SozR 3-4100 § 119 Nr 3). Die Richtigkeit dieses gedanklichen Ansatzes zeigt sich aber auch dann, wenn das Beschäftigungsverhältnis durch den Arbeitnehmer selbst gelöst worden ist, ohne dass ein Sperrzeitfall nach § 144 Abs 1 Nr 1 1. Alt SGB III vorliegt, und Grund für die Lösung ein arbeitsvertragswidriges Verhalten ist. Mit anderen Worten: § 144 Abs 1 Nr 1 2. Alt SGB III setzt nicht denknotwendig nur die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber (allein) voraus; dann aber kann die Rechtswidrigkeit der Kündigung nicht Bestandteil der Tatbestandsvoraussetzung "Lösung des Beschäftigungsverhältnisses" sein.

Nach diesen Kriterien beurteilt sich auch, ob im vorliegenden Fall eine Sperrzeit eingetreten ist. Nach dem zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin geschlossen Arbeitsvertrag hatte der Kläger als LKW-Fahrer ua die Verpflichtung, alle gesetzlichen Vorschriften für Fahrzeugführer einzuhalten (§ 1). Ob der Senat diesen Umstand verwerten dürfte, kann dahinstehen; ohnedies lässt sich mangels entsprechender Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob hierunter das dem Kläger im Strafverfahren vorgeworfene Verhalten fällt. Unabhängig davon ist jedoch davon auszugehen, dass Berufskraftfahrer wie der Kläger einer ungeschriebenen arbeitsvertraglichen Nebenpflicht unterliegen, sich untadelig während ihrer Berufsausübung im Straßenverkehr zu verhalten. Auch dies kann der Senat indes mangels ausreichender Feststellungen durch das LSG nicht entscheiden. Alleine der Umstand, dass der Kläger strafrechtlich verurteilt ist, rechtfertigt noch nicht die Annahme einer schuldhaften Arbeitsvertragsverletzung; denn die Sozialgerichte sind hierbei nicht an die Entscheidungen anderer Gerichte gebunden.

Auf diese Prüfung kann auch nicht mit der Begründung verzichtet werden, nach der Rechtsprechung des BSG sei schon der Verlust der Fahrerlaubnis allein ein arbeitsvertragswidriges Verhalten. Vielmehr stellt das BSG, auch wenn es betont, die Fahrerlaubnis könne Grundlage des Arbeitsverhältnisses sein, auf das vom Arbeitnehmer zu vertretende Unvermögen der Arbeitsleistung durch den Verlust der Fahrerlaubnis und damit immer zumindest mittelbar auf das vorausgegangene vorwerfbare Fehlverhalten ab (BSG, Urteil vom 25. August 1981 - 7 RAr 44/80 -, BB 1982, 559; BSGE 91, 18 ff RdNr 7 ff = SozR 4-4300 § 144 Nr 2). Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BAG hat der 11. Senat zu Recht hierzu ausgeführt, bei einer Kündigung wegen Verlustes der Fahrerlaubnis gingen personen- und verhaltensbedingte Kündigung ineinander über (BSGE 91, 18 ff RdNr 7 = SozR 4-4300 § 144 Nr 2).

Ob ein Arbeitnehmer einen berechtigten Anlass für die Kündigung des Arbeitgebers gegeben hat, ob also die Kündigung rechtmäßig war und der Arbeitnehmer den Eintritt der Arbeitslosigkeit wesentlich verursacht hat, kann sich somit unter zwei Gesichtspunkten ergeben: der Unzumutbarkeit der Fortführung des Arbeitsverhältnisses alleine wegen des Fehlverhaltens im Straßenverkehr und wegen des aus dem Fehlverhalten im Straßenverkehr resultierenden Verlustes der Fahrerlaubnis. Weil die Rechtmäßigkeit einer Kündigung nur für die Frage der Wesentlichkeit des Beitrags zum Kausalgeschehen von Bedeutung ist, spielen Fragen der formalen Rechtswidrigkeit allerdings keine Rolle (vgl BSG, Urteil vom 25. März 1987 - 7 RAr 95/85); dies dürfte regelmäßig auch für eine fehlende Beteiligung des Betriebsrats gelten (Voelzke in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 RdNr 294). Dieser Gesichtspunkt spricht in gleicher Weise gegen die Prüfung der Einhaltung der Kündigungsfrist des § 626 Abs 2 BGB (Voelzke, aaO mwN). Letztlich ist dies ebenso wenig maßgeblich für die Entscheidung des Senats wie die Frage, ob der außerordentlichen Kündigung eine Abmahnung hätte vorausgehen müssen, die als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes allerdings Bestandteil der materiell-rechtlichen Prüfung ist (vgl BSGE 91, 18 ff RdNr 10 und 13 = SozR 4-4300 § 144 Nr 2). Schließlich kann dahinstehen, ob das LSG mit seinen Ausführungen, die Arbeitgeberin habe das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht mehr aus Anlass des Fehlverhaltens im Straßenverkehr, sondern nur noch wegen des Verlustes der Fahrerlaubnis gekündigt, im Rahmen der ersten Kausalitätsprüfung (Anlass zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses) eine den Senat bindende Tatsachenfeststellung getroffen hat (§ 163 SGG ).

Denn letztlich scheitert der Eintritt einer Sperrzeit daran, dass das dem Kläger vorgeworfene - nicht näher festgestellte - Verhalten im Straßenverkehr allenfalls einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten aus der Zeit vor der Umwandlung des zunächst befristeten Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes darstellt. Es wäre bereits denkbar, den Eintritt einer Sperrzeit zu verneinen, weil sich der Vorwurf der Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht auf den "aktuellen" Arbeitsvertrag beziehen muss, das (mittelbar) maßgebliche Fehlverhalten also nicht aus der Zeit des früheren befristeten Arbeitsvertrags rühren darf, der erst danach in einen unbefristeten umgeändert worden ist. Insoweit ist nicht entscheidungserheblich, ob die Kündigung trotz der vom BAG grundsätzlich anerkannten Berechtigung zur fristlosen Kündigung allein wegen Verlustes der Fahrerlaubnis (BAG, Urteil vom 26. Februar 1980 - 6 AZR 1058/77; BAGE 30, 309 ff; BAG, Urteil vom 14. Februar 1999 - 2 AZR 525/90) unter den allgemeinen (Umsetzungsmöglichkeit, unbezahlter Urlaub) bzw den hier vorliegenden besonderen Umständen rechtswidrig war, insbesondere weil nach den Feststellungen des LSG der bei der Arbeitgeberin des Klägers für die Personalangelegenheiten Zuständige trotz Kenntnis des laufenden Ermittlungsverfahrens das befristete Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis im Einvernehmen mit dem Kläger umgewandelt hat, obwohl er mit einem späteren Verlust der Fahrerlaubnis rechnen musste.

Eine Sperrzeit ist zumindest deshalb nicht eingetreten, weil der Kläger die Arbeitslosigkeit nicht im Sinne einer wesentlichen Bedingung herbeigeführt hat. Die Prüfung der Wesentlichkeit eines Kausalbeitrags beinhaltet nämlich nicht nur tatsächliche Elemente, sondern erfordert auch rechtliche Wertungen, wie die Rechtsprechung des BSG zur Frage der materiellen Rechtmäßigkeit einer Kündigung (berechtigter Anlass) im Rahmen der Sperrzeitvariante des § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III zeigt. Wurde - wie vorliegend - durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein befristetes Beschäftigungsverhältnis in ein unbefristetes umgewandelt, so kann die dann später wegen des Verlustes der Fahrerlaubnis - resultierend aus einem Fehlverhalten während des noch befristeten Arbeitsverhältnisses - eintretende Beschäftigungslosigkeit dem Arbeitnehmer nicht mehr zugerechnet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob - was nicht ermittelt ist - die Vereinbarung ausdrücklich oder konkludent erfolgt ist. Wäre eine solche Vereinbarung nicht getroffen worden, wäre das Beschäftigungsverhältnis des Klägers ohne dessen Zutun bereits im November 2001 beendet gewesen; eine Sperrzeit wäre nicht eingetreten. Dann aber kann ihm nicht der Vorwurf gemacht werden, dass das sich an das befristete Beschäftigungsverhältnis anschließende Beschäftigungsverhältnis aus Anlass eines arbeitsvertragswidrigen Verhaltens während des befristeten Beschäftigungsverhältnisses beendet wurde.

Hier kann in der Sache nichts anderes gelten, als wenn ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis auf Grund des Verlustes der Fahrerlaubnis verliert, der auf einem Fehlverhalten vor Beginn der arbeitsvertraglichen Beziehungen überhaupt resultiert. Ob dieser Umstand eine Kündigung rechtfertigen würde, ist für § 144 Abs 1 Nr 1 2. Alt SGB III nicht von entscheidender Bedeutung; der Arbeitnehmer hat jedenfalls durch sein Verhalten noch keine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt. Dies mag im Fall der Fortführung eines zunächst befristeten Arbeitsverhältnisses noch bejaht werden können; entscheidend ist jedoch, dass es dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen kann, wenn er den Eintritt der Beschäftigungslosigkeit durch Vereinbarung zunächst verhindert und dadurch erst die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu einem späteren Zeitpunkt aus Anlass eines vor dieser Vereinbarung liegenden Verhaltens ermöglicht. War der Arbeitgeber - wie vorliegend - sogar über die bevorstehende Komplikation informiert, gilt dies um so mehr.

Dieses Ergebnis entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung des § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III . Die Vorschrift begrenzt das versicherte Risiko, wenn der Versicherungsfall durch den Leistungsempfänger herbeigeführt wird (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15 S 65; BSGE 84, 270, 275 = SozR 3-4100 § 119 Nr 19; Eicher, SGb 2005, 553); sie normiert - ähnlich den Vorschriften in anderen Sozialversicherungsbereichen - einen Leistungsausschlusstatbestand trotz Eintritts des Versicherungsfalls (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15 S 65). Dieser Leistungsausschluss ist nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer - wie vorliegend - zunächst den Eintritt des Versicherungsfalls verhindert, der ohne die Sanktion der Sperrzeit eingetreten wäre, und erst dadurch den späteren Eintritt des Versicherungsfalls anlässlich eines früheren Fehlverhaltens ermöglicht. Nach der Terminologie des § 144 SGB III in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung hat sich der Kläger nicht versicherungswidrig verhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - L 12 AL 214/03 - 25.05.2005,
Vorinstanz: SG Dortmund, vom 30.06.2003 - Vorinstanzaktenzeichen S 29 AL 264/02
Fundstellen
BSGE 96, 22