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BSG - Entscheidung vom 02.11.2005

B 6 KA 43/05 B

Normen:
SGB V § 106 Abs. 4
SGB X § 13 Abs. 1 S. 2
SGG § 67 Abs. 1 § 84 Abs. 1 S. 1
VwZG § 8 Abs. 1 S. 2

BSG, Beschluß vom 02.11.2005 - Aktenzeichen B 6 KA 43/05 B

DRsp Nr. 2006/25520

Nichteinhaltung einer Widerspruchsfrist in der vertragsärztlichen Versorgung durch Fehler des Praxispersonals

Der Vortrag eines Vertragsarztes, dass ihn an der Nichteinhaltung der Widerspruchsfrist kein Verschulden trifft, weil eine Praxismitarbeiterin versehentlich die Weiterleitung des Einschreibens unterlassen hat und er darauf vertrauen dürfe, dass eine eventuelle Kürzungsmaßnahme hinsichtlich eines bestimmten Abrechnungsquartals zumindest auch seinem Bevollmächtigten zugestellt werde, ist im Hinblick auf § 67 Abs. 1 SGG erheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht Wiedereinsetzung gewährt hätte, wenn es ihm gefolgt wäre bzw ggf nähere Ermittlungen zu Aufgabenkreis, Auswahl, Fähigkeiten und Kontrolle der Praxismitarbeiterin angestellt hätte. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

SGB V § 106 Abs. 4 ; SGB X § 13 Abs. 1 S. 2 ; SGG § 67 Abs. 1 § 84 Abs. 1 S. 1 ; VwZG § 8 Abs. 1 S. 2 ;

Gründe:

I

Umstritten ist eine Honorarkürzung im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung. Zu klären ist zunächst, ob die Klägerin rechtzeitig gegen einen Bescheid des Prüfungsausschusses Widerspruch eingelegt hat.

Die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Klägerin, einer aus zwei zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Allgemeinärzten bestehenden Gemeinschaftspraxis, im Quartal II/1996 war bereits im Jahre 1997 Gegenstand der Prüfung. Gegen die erste Kürzungsentscheidung des Prüfungsausschusses vom 30. Januar 1997 legte die Klägerin am 31. Januar 1997 Widerspruch ein. Mit Schriftsatz vom 12. August 1997 meldeten sich ihre jetzigen Bevollmächtigten bei dem beklagten Beschwerdeausschuss und begründeten den Widerspruch. Der Widerspruch hatte Erfolg. Der Beklagte hob die angefochtenen Kürzungen mit Beschluss vom 17. September 1997 auf. Über die Frage, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten in diesem Verfahren notwendig gewesen ist, ist vor dem Sozialgericht ( SG ) Berlin ein Rechtsstreit geführt worden (S 81 KA 9/98*71), der durch angenommenes Anerkenntnis im Juli 1999 erledigt worden ist.

Nachdem der Prüfungsausschuss der Klägerin im Februar 1999 mitgeteilt hatte, die Wirtschaftlichkeit ihrer Behandlungsweise im Quartal II/1996 werde erneut geprüft, kürzte er sodann mit Bescheid vom 22. April 1999 die Honorarforderung für Beratungs- und Betreuungsleistungen um 50 vH, das Honorar für Leistungen nach Nr 60 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) um 40 vH sowie das Honorar für Leistungen nach Nr 273 EBM-Ä um 30 vH. Der Bescheid wurde der Klägerin durch Einschreiben am 23. April 1999 übermittelt.

Am 30. November 1999 legte die Klägerin mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten Widerspruch ein und begehrte Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist. Sie machte geltend, der Bescheid vom 22. April 1999 hätte ihren Bevollmächtigten zugestellt werden müssen. Im Übrigen treffe sie kein Verschulden an der Versäumung der Widerspruchsfrist, weil die Mitarbeiterin, der das Einschreiben übergeben worden sei, versäumt habe, den Bescheid an die Praxisinhaber weiterzugeben.

Der beklagte Beschwerdeausschuss lehnte die Gewährung von Wiedereinsetzung ab und wies den Widerspruch als unzulässig zurück. Die Widersprüche hinsichtlich der gleichzeitig verhandelten Quartale III/1997 bis IV/1998, die vergleichbare Sachverhalte betrafen, führten dagegen zum Erfolg im Sinne der endgültigen Aufhebung der Kürzungsentscheidungen des Prüfungsausschusses. Der Beklagte begründete seine Entscheidung zum Quartal II/1996 damit, dass die Zustellung des Bescheides des Prüfungsausschusses an die Kläger am 23. April 1999 ordnungsgemäß erfolgt und der Widerspruch vom 30. November 1999 verspätet sei.

Das SG hat die Klage abgewiesen. Es hat offen gelassen, ob den Prüfgremien eine Vollmacht auf die jetzigen Bevollmächtigten der Klägerin vorgelegt worden sei, weil es im Ermessen der Behörde stehe, ob sie einen Bescheid an den Betroffenen des Verfahrens persönlich oder an seinen Bevollmächtigten zustellen wolle. Im Übrigen habe der Prüfungsausschuss am 17. Februar 1999 die Klägerin auf den Beginn des erneuten Prüfverfahrens hingewiesen, und diese hätte daraufhin nicht mitgeteilt, Mitteilungen seien künftig an ihre Bevollmächtigten zu richten.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat zwar die Auffassung vertreten, dass dann, wenn ein Bevollmächtigter bestellt ist, die Mitteilungen der Behörde an diesen zu richten und auch der das Verfahren abschließende Bescheid diesem zuzustellen sei. Dem Prüfungsausschuss habe aber zu keinem Zeitpunkt eine Vollmacht der Bevollmächtigten der Klägerin vorgelegen. Diese hätten sich auch hinsichtlich der ersten Entscheidung vom Januar 1997 nicht an den Prüfungsausschuss, sondern lediglich an den Beklagten gewandt. Daraus sei zu schließen, dass die Klägerin eine Vollmacht nur gegenüber dem Beklagten erteilt habe. Der Prüfungsausschuss sei nicht gehalten gewesen, sich darüber zu informieren, ob etwa bei dem Beschwerdeausschuss eine Vollmacht vorgelegt worden sei. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, weil die Klägerin keine Gründe dafür vorgetragen habe, dass sie ohne Verschulden daran gehindert gewesen sei, die Widerspruchsfrist einzuhalten (Urteil vom 30. März 2005).

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, im Rechtsstreit seien Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz >SGG<) und das Urteil des LSG beruhe auf einem Verfahrensmangel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

II

Die Beschwerde hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf einem Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG , den die Klägerin zutreffend gerügt hat. Der Senat macht von der Möglichkeit der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache gemäß § 160a Abs 5 SGG Gebrauch.

Zutreffend rügt die Klägerin, das Berufungsgericht habe sich mit ihrem Vortrag, sie treffe an der Versäumung der Widerspruchsfrist des § 84 Abs 1 Satz 1 SGG hinsichtlich des ihr am 23. April 1999 zugestellten Bescheides des Prüfungsausschusses kein Verschulden, nur unzureichend auseinander gesetzt. Auf Grund dessen müsse davon ausgegangen werden, dass das Gericht diesen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG iVm Art 103 Abs 1 Grundgesetz >GG<) nicht hinreichend beachtet habe.

Die Frage, ob der Klägerin in dem Fall, dass die Widerspruchsfrist des § 84 Abs 1 Satz 1 SGG durch die Übergabe des Einschreibens am 23. April 1999 an die Praxismitarbeiterin Frau H wirksam in Gang gesetzt worden ist, Wiedereinsetzung zu gewähren wäre, bildet einen der beiden Schwerpunkte des Rechtsstreits. Darauf ist die Klägerin bereits in ihrer Widerspruchsbegründung vom 30. November 1999 ausführlich eingegangen. In der Berufungsbegründung vom 25. Oktober 2001 führt sie unter II. 1. "Zugang des Bescheides" aus, dass sich inzwischen herausgestellt habe, dass der Bescheid am 23. April 1999 an die Praxisangestellte der Klägerin, Frau H , übergeben worden sei. Frau H , die von der Klägerin als äußerst zuverlässig und verantwortungsbewusst eingeschätzt werde, habe schon in der Vergangenheit bei Abwesenheit der Ärzte Briefsendungen für diese in Empfang genommen und diese der Klägerin jeweils vorgelegt. Der Bescheid des Prüfungsausschusses sei der Klägerin unterdessen nicht zur Kenntnis gereicht worden. Auf diese Ausführungen wird unter 3. der Berufungsbegründung "Antrag auf Wiedereinsetzung" ausdrücklich Bezug genommen. Die Klägerin führt dort aus, sie treffe an der Nichteinhaltung der Widerspruchsfrist kein Verschulden, weil Frau H versehentlich die Weiterleitung des Einschreibens unterlassen habe. Im Übrigen habe sie darauf vertrauen dürfen, dass eine eventuelle Kürzungsmaßnahme hinsichtlich des Quartals II/1996 zumindest auch ihrem Bevollmächtigten zugestellt werde.

Dieser Vortrag ist im Hinblick auf § 67 Abs 1 SGG erheblich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht Wiedereinsetzung gewährt hätte, wenn es ihm gefolgt wäre bzw ggf nähere Ermittlungen zu Aufgabenkreis, Auswahl, Fähigkeiten und Kontrolle von Frau H in ihrer Eigenschaft als Praxismitarbeiterin angestellt hätte. Die pauschal gehaltene Wendung des LSG, die Klägerin hätte zu alldem nichts vorgetragen, ist unzutreffend und rechtfertigt die Annahme, dass das Berufungsgericht sich allein mit den rechtlichen Ausführungen der Klägerin hinsichtlich der Verpflichtung des Prüfungsausschusses zur Zustellung des Bescheides an die Bevollmächtigten befasst und sich mit der davon zu trennenden Frage des Verschuldens an einer etwaigen Fristversäumung nicht hinreichend auseinander gesetzt hat.

Das Berufungsurteil beruht iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG auf diesem Mangel, denn es ist nicht auszuschließen, dass das LSG die Wiedereinsetzung anders beurteilt hätte, wenn es sich mit dem detaillierten Vortrag der Klägerin zur Übergabe des Einschreibens an Frau H und zu deren Verhalten näher auseinander gesetzt hätte. Gegebenenfalls hätten zumindest Ermittlungen darüber angestellt werden müssen, welche Anweisungen hinsichtlich der Tätigkeit von Frau H bei der Entgegennahme von wichtiger Post für die Gemeinschaftspraxis bestanden haben. Es spricht wenig dafür, an die Auswahl und Überwachung einer Praxismitarbeiterin, die neben ihren anderen Aufgaben auch für die Entgegennahme und Betreuung der eingehenden Post zuständig ist, strengere Anforderungen als bei einer speziell ausgebildeten und für diesen Bereich besonders qualifizierten Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten in einer Anwaltspraxis zu stellen. Hinsichtlich dieser ist anerkannt, dass die Bevollmächtigten sich nicht jedes Verschulden einer Mitarbeiterin bei der Handhabung von Fristsachen zurechnen lassen müssen und Routineangelegenheiten durch ihr Büropersonal erledigen lassen dürfen (s zuletzt Beschluss des Senats vom 28. Juni 2005 - B 6 KA 21/05 R -).

Sofern das LSG zu der Auffassung gelangt sein sollte, der Vortrag der Klägerin, der Bescheid des Prüfungsausschusses vom 22. April 1999 sei ihr über sieben Monate hinweg nicht bekannt geworden, sei ebenso unglaubhaft wie derjenige hinsichtlich des Verhaltens der Frau H , hätte dies näher dargelegt und begründet werden müssen. Im Übrigen hätte das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin würdigen müssen, im Hinblick auf die für das Quartal II/1996 hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsprüfung erteilte Vollmacht an die jetzigen Bevollmächtigten habe sie keinen Anlass zu besonderen Vorkehrungen hinsichtlich der Zustellung eines Prüfbescheides gehabt. Soweit in diesem Zusammenhang SG wie LSG darauf verwiesen haben, der Prüfungsausschuss habe der Klägerin mit Schreiben vom 17. Februar 1999 mitgeteilt, dass das Prüfverfahren hinsichtlich des Quartals II/1996 wieder aufgenommen werde, und sie hätte deshalb ihm gegenüber Mitteilung machen müssen, dass Bescheide an ihre Bevollmächtigten zu richten sind, vermag der Senat dem nicht in vollem Umfang beizutreten. In dem Schreiben des Prüfungsausschusses vom 17. Februar 1999, das in den vom LSG zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Akten des Beklagten enthaltenen ist, heißt es wörtlich: "Von dem Ergebnis der Prüfung werden Sie gesondert unterrichtet. Sofern Kürzungsmaßnahmen erfolgen, erhalten Sie einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Ihren Anspruch auf rechtliches Gehör können Sie nur durch Widerspruch gegen den Prüfbescheid beim Beschwerdeausschuss geltend machen." Wer als nicht rechtskundiger Arzt ein solches Schreiben erhält, hat keinen Anlass, unmittelbar eine Mitteilung an den Prüfungsausschuss zu machen, denn dieser hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, sich mit eventuellem Vortrag zur Sache ohnehin nicht befassen zu wollen. Wenn Ärzte in dieser Situation der Auffassung sind, nicht unmittelbar reagieren zu müssen, weil sie davon ausgehen, die für den Streitgegenstand (Wirtschaftlichkeitsprüfung Quartal II/1996) erteilte Vollmacht zu Gunsten ihrer Bevollmächtigten sei ausreichend, zumal sie wussten, dass die Vollmacht den Prüfgremien - ohne Differenzierung zwischen Prüfungs- und Beschwerdeausschuss - vorliegt, kann das schwerlich als nachlässig gewertet werden.

In dem mit der Entscheidung des Senats wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, seine Rechtsauffassung zur Zustellung des Bescheides vom 22. April 1999 an die Klägerin selbst zu überprüfen. Das LSG hält diese Zustellung für wirksam, obwohl es zutreffend aus § 8 Abs 1 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz ( VwZG ) ableitet, dass dieser Bescheid dem Bevollmächtigten hätte zugestellt werden müssen, wenn er "schriftliche Vollmacht vorgelegt" hat. Es verneint aber eine den Prüfungsausschuss gemäß § 8 Abs 1 Satz 2 VwZG verpflichtende Bestellung des Bevollmächtigten mit der Erwägung, die Vollmacht, die der Bevollmächtigte mit seinem Schriftsatz vom 12. August 1997 an den Beschwerdeausschuss übersandt hat, habe nicht das (erneute) Verfahren vor dem Prüfungsausschuss erfasst. Dagegen bestehen Bedenken.

Die Vollmachtsurkunde ist nach den Feststellungen des LSG nicht mehr auffindbar, weil die entsprechenden Akten vernichtet worden sind. Deshalb lässt sich nicht mehr klären, ob die Vollmachtsurkunde tatsächlich nur für das Verfahren vor dem Beklagten gilt. Aus der fehlenden Möglichkeit zur Auswertung der Vollmachturkunde dürfen der Klägerin keine Nachteile erwachsen, weil sie dafür nicht verantwortlich ist. In einer Vollmachturkunde vom 7. Dezember 1999, die der Bevollmächtigte der Klägerin unter dem 11. Mai 2001 dem SG Berlin im ersten Rechtszug vorgelegt hat, werden Reichweite und Gegenstand so beschrieben: "Dres. Musebrink ./.KÄV Berlin wegen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren..". In Ziffer 4 dieser vorformulierten Urkunde ist formuliert, dass sie auch "zur Vertretung in sonstigen Verfahren und bei außergerichtlichen Verhandlungen..." berechtigt. Wenn zu Gunsten der Klägerin unterstellt wird, dass ihr Bevollmächtigter im August 1997 dasselbe Formular verwandt und in gleicher Weise ausgefüllt hat, liegt die Annahme, die Vollmacht solle eine Vertretung der Klägerin gegenüber dem Prüfungsausschuss nicht erfassen, zumindest nicht nahe.

Die Trennung zwischen Prüfungs- und Beschwerdeausschuss ergibt sich aus dem Gesetz (§ 106 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung). Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass jedem Arzt dieser Umstand und vor allem die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die verschiedenen Verwaltungsverfahren bekannt sind. Wie wenig eindeutig die Trennung zwischen KÄV, Prüfungsausschuss und Beschwerdeausschuss für den einzelnen Arzt erkennbar ist, zeigt ein Schreiben vom 22. November 1999, das die Klägerin zu den Gerichtsakten gereicht hat. Absender ist die "KÄV Berlin - Büro der Prüfungseinrichtungen". Der Text lautet: "Aufgrund der Entscheidung des Prüfungsausschusses wird Ihnen folgende Lastschrift erteilt. ...(Sie) bezieht sich auf das Quartal 2/1996." Eine Vollmachtsurkunde, die daraufhin an "die KÄV Berlin - Büro der Prüfungseinrichtungen" gesandt worden wäre, hätte das Verfahren vor dem Prüfungs- wie vor dem Beschwerdeausschuss erfasst, wenn sich nicht eindeutig das Gegenteil aus bestimmten Umständen ergeben hätte.

Soweit danach der Umstand, dass die Vollmacht im August 1997 nur dem Beklagten und nicht auch dem Prüfungsausschuss vorgelegt worden ist, nicht ausschließt, dass sie auch für das Verfahren vor dem Prüfungsausschuss gilt, hängt die Wirksamkeit der Bestellung des Bevollmächtigten weiterhin davon ab, ob die im August 1997 vorgelegte schriftliche Vollmacht mit dem Abschluss des ersten Prüfungsverfahrens ihre Wirkung verloren oder auch für das vom Prüfungsausschuss 1999 neu in Gang gesetzte Prüfverfahren gegolten hat. Eine Vollmacht gilt nach § 13 Abs 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - für das gesamte Verwaltungsverfahren; ihre Wirkung endet mit der Beendigung des konkreten Verwaltungsverfahrens (von Wulffen, SGB X , 5. Aufl 2005, § 13 RdNr 7). Danach hätte hier mit Eintritt der Bestandskraft der (ersten) Entscheidung des Beklagten vom 17. September 1997 die Vollmacht geendet. Hier könnte indessen unter Vertrauensschutzgesichtspunkten eine andere Beurteilung geboten sein. Der Gegenstand des durch den Prüfungsausschuss im Jahre 1999 erneut in Gang gesetzten Prüfverfahrens und derjenige des im September 1997 abgeschlossenen Verfahrens sind identisch. Die Berechtigung des Prüfungsausschusses zur Durchführung einer erneuten Wirtschaftlichkeitsprüfung hinsichtlich der Leistungen, die bereits Gegenstand des ersten, bestandskräftig durch Aufhebung der Kürzungen zu Gunsten der Klägerin beendeten Prüfverfahrens waren, kann möglicherweise nicht ohne Kenntnis des Sachverhaltes beurteilt werden, der Gegenstand der ersten Entscheidung gewesen ist. Die Klägerin könnte in dieser Situation zumindest darauf vertraut haben, dass die Prüfgremien bei erneuter Prüfung der Wirtschaftlichkeit ihrer Behandlungsweise im Quartal II/1996 Bescheide ihrem Bevollmächtigten zustellen würden, weil sie diesen ua mit der Erledigung der "Wirtschaftlichkeitsprüfung Quartal 2/96" beauftragt hatten. Soweit sich herausgestellt hat, dass diese Erledigung mit dem Eintritt der Bestandskraft des Bescheides des Beklagten vom 17. September 1997 nur scheinbar endgültig eingetreten war, könnte die Klägerin davon ausgegangen sein, auch die von ihr erteilte und den Prüfgremien vorgelegte schriftliche Vollmacht sei nur scheinbar erloschen und lebe - ähnlich wie das Prüfverfahren selbst - wieder auf. Dafür könnte zusätzlich sprechen, dass die Prüfgremien aus dem im Anschluss an den Bescheid des Beklagten vom 17. September 1997 geführten Klageverfahren betreffend die Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung im ersten Verfahrensdurchgang (S 81 KA 9/98 *71 SG Berlin) wussten, dass die Klägerin weiterhin durch die Anwälte vertreten wurde, die sie auch im ersten Verwaltungsverfahren vertreten hatten. Dem wird das LSG gegebenenfalls näher nachzugehen haben.

Das Berufungsgericht wird bei seiner abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit zu entscheiden haben.

Vorinstanz: LSG Berlin, vom 30.03.2005 - Vorinstanzaktenzeichen L 7 KA 53/01
Vorinstanz: SG Berlin, vom 11.07.2001 - Vorinstanzaktenzeichen S 71 KA 54/00