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BGH - Entscheidung vom 10.02.2005

II ZR 276/02

Normen:
ZPO § 321a
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluß vom 10.02.2005 - Aktenzeichen II ZR 276/02

DRsp Nr. 2005/3977

Zurückweisung einer Gehörsrüge mangels Gehörsverletzung

Normenkette:

ZPO § 321a ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

I. Die Beklagten zu 2 und 3 sind durch Urteil des Senats vom 13. September 2004 zur Zahlung von Schadensersatz an die Klägerin aus § 826 BGB verurteilt worden. Gegen dieses Urteil haben sie innerhalb von zwei Wochen nach dessen Zustellung "Anhörungsrüge gemäß § 321 a ZPO " erhoben, mit der sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör in mehrfacher Hinsicht geltend machen. Sie beabsichtigen, Verfassungsbeschwerde einzulegen.

II. Es kann dahinstehen, ob der Entscheidung über die vorliegende Anhörungsrüge das am 1. Januar 2005 ohne Übergangsregelung in Kraft getretene Anhörungsrügengesetz (BGBl. I S. 3220) bzw. die Neufassung des § 321 a ZPO zugrunde zu legen ist oder die §§ 321 a, 705 Satz 2 ZPO in ihrer früheren Fassung hier über § 555 ZPO entsprechende Anwendung finden. Jedenfalls ist eine - nach beiden Regelungen erforderliche - entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs der Beklagten zu 2 und 3 auf rechtliches Gehör nicht dargetan.

1. Soweit die Beklagten sich zur Begründung eines Mitverschuldens der Klägerin und des Zedenten, dessen Prüfung der Senat unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG unterlassen haben soll, auf schriftsätzlichen Vortrag in der Vorinstanz berufen, ist zunächst auf § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu verweisen. Nachdem das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Klägerseite auch in dem insoweit gleichgelagerten Verhältnis zu der verurteilten Beklagten Ziffer 1 nicht in Erwägung gezogen hatte, wäre es Sache der Beklagten gewesen, sich in der Revisionsinstanz vorsorglich auf den genannten Sachvortrag zu berufen. Davon abgesehen war und ist dieser Sachvortrag ebensowenig entscheidungserheblich wie die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin und der Zedent hätten ebenso wie eine unbekannte Zahl anderer Anleger nach Aufklärung über das Risiko auf eine Absicherung ihrer Einlagen durch werthaltige Null-Coupon-Anleihen verzichtet. Denn nach den vorformulierten Gesellschaftsverträgen war eine Verlustbeteiligung der Anleger entsprechend § 231 Abs. 2 HGB ohnehin ausgeschlossen und konnten daher die Anleihen lediglich die Abdeckung eines - aus Sicht der Anleger eher abstrakten - Risikos einer Insolvenz der Beklagten zu 1 bezwecken, wie der Senat im einzelnen ausgeführt hat (Urteilsumdr. S. 13-15). Im übrigen kommt ein Mitverschulden des fahrlässig handelnden Geschädigten gegenüber einer Haftung des Schädigers aus § 826 BGB , dessen Sittenwidrigkeitserfordernis der Senat aufgrund der maßgeblichen Mitwirkung der Beklagten zu 2 und 3 an dem gegen das Auslandinvestmentgesetz verstoßenden (Urteilsumdr. S. 17-19, 21 f.) und obendrein durch die Verwendung irreführender Vertragstexte (Urteilsumdr. S. 14, 22 Abs. 1) geprägten Vertriebssystem der Beklagten zu 1 als erfüllt angesehen hat, grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BGHZ 76, 216 , 218; BGH, Urt. v. 9. Oktober 1991 - VIII ZR 19/91, NJW 1992, 310 ; Palandt/Sprau, BGB 64. Aufl. § 826 Rdn. 13). Aus den genannten Gründen hat der Senat keinen Anlaß gesehen, auf die Frage eines Mitverschuldens der Klägerseite gesondert einzugehen.

2. Eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG vermag der Senat auch nicht darin zu sehen, daß er im Gegensatz zu dem Berufungsgericht einen Vorsatz der Beklagten zu 2 und 3 im Sinne von § 826 BGB bejaht (Urteilsumdr. S. 22 f.) und gemäß § 563 Abs. 3 ZPO "in der Sache selbst" entschieden hat. Von einem sittenwidrigen Handeln der Beklagten zu 2 und 3 war bereits das Berufungsgericht zutreffend und von ihnen in der Revisionsinstanz unbeanstandet ausgegangen. Entgegen ihrer Ansicht war die Sache auch hinsichtlich der in der Revisionsinstanz allein noch streitigen Frage ihres bedingten Schädigungsvorsatzes entscheidungsreif. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Beklagten zu 2 und 3 hätten auf eine Absicherung der Einlagen mittels der Null-Coupon-Anleihen vertrauen dürfen. Denn sie wußten, daß die Beklagte zu 1 den Anlegern die Möglichkeit bot, unter Verwendung von ihr vorbereiteter Formulare auf diese Absicherung zu verzichten. Infolgedessen konnten die Beklagten zu 2 und 3 auf eine Absicherung dieser Anleger - wie der Klägerin und des Zedenten - eben nicht vertrauen. Darauf wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hingewiesen (vgl. die "nochmalige Betonung" dieses Gesichtspunkts im Schriftsatz der Klägerin vom 11. August 2004). Die Beklagten tragen auch jetzt nicht vor, was sie dem entgegensetzen könnten (vgl. dazu Zöller/Vollkommer, ZPO 25. Aufl. § 321 a Rdn. 13).

3. Schließlich rügen die Beklagten zu 2 und 3, sie hätten Gelegenheit erhalten müssen, vor dem Berufungsgericht weiteren Vortrag dazu zu halten, daß und wieso die im vorinstanzlichen Schriftsatz vom 10. Juli 2002 in anderem Zusammenhang erhobene Verjährungseinrede (§ 852 a.F. BGB ) auch gegenüber den Ansprüchen aus § 826 BGB durchgreife. Auch insoweit ist wiederum auf § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO bzw. darauf zu verweisen, daß die Beklagten zu 2 und 3 sich in der Revisionsinstanz auf Verjährung nicht berufen haben. Dabei kommt es - entgegen ihrer Ansicht - für den Beginn der Verjährungsfrist des § 852 a.F. BGB nicht entscheidend darauf an, daß der Senat einen Schaden der Anleger schon in der Investition ihres Kapitals in das riskante Anlagemodell gesehen hat. Daß sie ihr Kapital einem so nicht gewollten (und auch nicht vereinbarten; vgl. oben 1) Verlustrisiko ausgesetzt hatten und insofern von einem Schaden betroffen waren, konnten die Klägerin und der Zedent - entsprechend den Ausführungen auf S. 15 des Berufungsurteils - frühestens aus der ihnen im Folgejahr nach ihrem Beitritt erteilten Abrechnung der Beklagten zu 1 ersehen. Frühestens von da an lief die Verjährungsfrist des § 852 BGB . Auf die Behauptung der Beklagten zu 2 und 3, die Klägerin und der Zedent hätten von vornherein gewußt, daß es sich um ein den Anforderungen des Auslandinvestmentgesetzes nicht entsprechendes Produkt des grauen Kapitalmarkts gehandelt habe, kommt es nicht an.