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BGH - Entscheidung vom 26.04.2005

VI ZB 45/03

Normen:
ZPO § 568 S. 2 Nr. 2 § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3

BGH, Beschluß vom 26.04.2005 - Aktenzeichen VI ZB 45/03

DRsp Nr. 2005/8577

Zulassung der Rechtsbeschwerde durch den Einzelrichter

Die Voraussetzungen des § 568 Abs. 2 Nr. 2 ZPO liegen nicht nur bei besonderer Schwierigkeit rechtlicher oder tatsächlicher Art und im Falle grundsätzlicher Bedeutung vor, sondern auch in Fällen der Divergenz. Der Einzelrichter hätte daher in einem Fall, in dem er die Rechtsbeschwerde wegen Divergenzen in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen hat, schon nicht selbst entscheiden dürfen, sondern die Sache dem Kollegialgericht zur Entscheidung übertragen müssen.

Normenkette:

ZPO § 568 S. 2 Nr. 2 § 574 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 3 ;

Gründe:

I. Das Amtsgericht Bad Waldsee hat in einem auf Antrag der Klägerin erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluß vom 2. Januar 2003 keine Beweisgebühr festgesetzt, obwohl es die Klägerin - allerdings ohne förmlichen Beweisbeschluß über eine Parteivernehmung - zu einem von ihr bei einem Auffahrunfall angeblich erlittenen HWS-Schleudertrauma als Partei angehört und sich anhand der Angaben der Klägerin in dem sodann ergangenen Urteil eine Überzeugung von deren Richtigkeit gebildet hat. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg durch den Einzelrichter zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde hat es zur Sicherung einheitlicher Rechtsprechung nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen. Einer Kammerübertragung nach § 568 Satz 2 Nr. 1, 2 ZPO habe es jedoch - so der Einzelrichter - mangels Vorliegens der dort genannten Voraussetzungen nicht bedurft. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihren Antrag, bei der Kostenfestsetzung auch die Beweisgebühr anzusetzen, weiter.

II. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 3 ZPO statthaft und ihre Zulassung nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter entgegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums entschieden und damit gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ) verstoßen hat (vgl. BGH, BGHZ 154, 200 , 201; Senatsbeschluß vom 13. Juli 2004 - VI ZB 63/03 - NJW-RR 2004, 1717 ; BGH, Beschlüsse vom 10. April 2003 - VII ZB 17/02 - MDR 2003, 949 und vom 11. September 2003 - XII ZB 188/02 - NJW 2003, 3712 ).

2. Die angefochtene Einzelrichterentscheidung unterliegt aber der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen ist. Zwar hat der Einzelrichter die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur mit dem Hinweis auf Divergenzen in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen. Die einschlägigen Vorschriften der §§ 348 Abs. 3 , 348 a Abs. 2 und 568 ZPO sehen eine Vorlage- bzw. Übertragungspflicht des Einzelrichters auf das Kollegialgericht ihrem Wortlaut nach lediglich im Falle besonderer Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art und im Falle grundsätzlicher Bedeutung vor, nicht dagegen in Fällen der Divergenz. Daraus kann indessen nicht gefolgert werden, daß der Einzelrichter in solchen Fällen von seiner Vorlage- bzw. Übertragungspflicht auf den Kollegialspruchkörper entbunden ist. Die grundsätzliche Bedeutung ist vielmehr im weitesten Sinne zu verstehen, so daß nicht der Einzelrichter, sondern das Kollegium entscheiden muß, wenn zur Fortbildung des Rechts oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2003 - XII ZB 188/02 - aaO.). Deshalb durfte der Einzelrichter auch im vorliegenden Fall nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren wegen der von ihm angenommenen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im weiteren Sinne gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit drei Richtern besetzten Kammer übertragen müssen. Mit seiner Entscheidung hat er die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache dem Kollegium als dem gesetzlich zuständigen Richter entzogen.

Diesen Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters hat der Senat von Amts wegen zu beachten (vgl. etwa Senatsbeschluß vom 13. Juli 2004 - VI ZB 63/03 - aaO.).

Vorinstanz: LG Ravensburg, vom 03.06.2003